Autos auf der Leinwand...
Kaum ein Film, in dem keine Fahrtaufnahmen vorkommen. So häufig, wie Autos in unserem Leben vorkommen, tauchen sie auch auf Leinwand und Bildschirm auf. Was ist zu bedenken, damit Fahrtaufnahmen auch wirklich realistisch aussehen?
Beim notwendigen Aufwand gibt es riesige Unterschiede, auch und insbesondere, was die Kosten angeht. Welche Varianten gibt es und wie unterscheiden sie sich in Aufwand und Wirkung? Welche Probleme tauchen auf, wie kann man sie lösen?
Selbstbespiegelung
Scheiben gehören zwar zum Auto, haben aber den unangenehmen Nachteil, dass sie reflektieren. Die Frontscheibe tendiert wegen ihrer Neigung dazu, den hellen Himmel zu reflektieren und damit die Schauspieler im Innern des Fahrzeugs zu überlagern. Die Seitenfenster hingegen bilden gerne die Kamera samt Operator ab. Hier ist dunkle Kleidung angesagt, Molton kann ebenfalls Wunder wirken, um unerwünschte Spiegelungen loszuwerden.
Lösungswege:
Ist der Ausschnitt auf die Gesichter der Schauspieler beschränkt, kann man auf dem Spielauto einen Gepäckträger und daran ein paar lange Holzlatten befestigen, die über die Frontscheibe ragen. Hängt man darüber schwarzen Molton, so ist die Sicht auf die Darsteller frei. Allerdings reduziert man damit natürlich auch das Licht, welches vom Himmel die Schauspieler beleuchtet. Hier muss dann unbedingt von Vorne außen oder innen mit künstlichem Licht aufgehellt werden.
Bei seitlichen Aufnahmen kann man die Seitenscheiben einfach herunterkurbeln – bei Ein- und Ausstiegsszenen kein Problem, beim Fahren selbst ist der Erfolg abhängig vom Wind.
Man kann aber auch mit einem Polfilter arbeiten, um die Reflektionen herauszufiltern. Von Autos mit getönten Scheiben ist abzuraten. Der Kontrast von Außenlicht zur Helligkeit im Auto ist ohnehin schon sehr hoch.
Variationsmöglichkeiten beim Aufbau
Das Fahrzeug, das im Bild selbst vorkommt, und welches von den Schauspielern gefahren wird, nennt man übrigens „Spielauto“.
Variante 1: Die Kamera wird starr an dem Fahrzeug befestigt. Das kann über Saugbefestigung (Klemm- oder Saugstativ) oder eine seitlich eingehängte Kamera geschehen. Der Kameramann ist nicht an der Kamera, die Schauspieler sind allein mit der Kamera, das Auto fährt selbst. Vorteil: relativ preiswerte Lösung. Nachteil: Es können keine Zusatzscheinwerfer außen installiert werden, sondern nur innen im Wagen. Dort werden kleine Leuchten (Miniflos, LEDs oder Sofittenlicht) an der Sonnenblende oder am Armaturenbrett befestigt.
Variante 2: Die Kamera befindet sich im Spielauto. Man dreht den Fahrer vom Beifahrersitz aus. Die Aufnahme des Schauspielers wird zwangsläufig recht profilig. Muss in einem zweiten Arbeitsgang auch ein Beifahrer gedreht werden, wird es eng. Wird auf Video produziert, können kleine Drei-Chip-Kameras recht gut am Armaturenbrett befestigt werden. Da sie im Gegensatz zu Filmkameras keine Kassette obenauf oder hinten besitzen, erlauben Sie einen deutlich größeren Abstand von den Schauspielern.
Variante 3: Das Auto steht auf einem Tiefausleger (sehr tief liegender Anhänger, der von einem Wagen gezogen wird). Außen ist genug Platz, um Kamera auf Stativ und Zusatzscheinwerfer anzubringen, Schutzgitter sichern das Team während der Fahrt. Der Kameramann ist an der Kamera und kann auch Schwenken oder korrigieren.
Variante 4: Das Spielauto fährt selbst. Die Kamera befindet sich auf einem zweiten Fahrzeug, welches vorausfährt. Das kann ein Kleinbus sein, aus dem hinten rausgefilmt wird, oder ein PKW mit Schiebedach, in dem das Stativ mit der Kamera durch das Schiebedach ragt. Ist das Aufnahmefahrzeug sehr weich gefedert, ist das eine gute Alternative. Es gibt auch Spezialfahrzeuge, die richtige Sitze und Befestigungsbügel (Scheinwerfer) für Kamera und Assistent auf der Ladefläche bieten. Einige sind auch mit einem kleinen Kran bzw. Ausleger ausgestattet und erlauben es, während der Fahrt seitlich oder von vorne in einer Einstellung in das Spielauto hinein zu filmen.
Variante 5: Um optimale Kontrolle über Licht und Tonverhältnisse zu haben, arbeiteten die amerikanischen Studios lange mit Rückprojektion. Ein Auto wurde im Studio optimal ausgeleuchtet und passende Fahrtaufnahmen, die vorgedreht waren, wurden auf eine dahinter befindliche Leinwand projiziert. Kräftige Helfer wackelten am Auto herum, um Fahrbewegungen zu simulieren. Doch irgendwie sah das nie wirklich echt aus. Auch heute, wo man mithilfe von digitalen Stanzverfahren bewegte Hintergründe sauberer integrieren könnte, ist das Risiko eines künstlichen Eindrucks sehr hoch. Abzuraten ist von Varianten, bei denen sich Kameraleute am Autodach anseilen und hängend mit der Handkamera von außen drehen. Das ist nicht nur lebensgefährlich, sondern auch optisch unbefriedigend!
Der Fahreindruck
Bei den Varianten 1 bis 3 befindet sich die Kamera auf der gleichen mechanischen Ebene wie das Fahrzeug, das fährt. In Bezug auf den Bewegungseindruck hat dies zur Folge, dass das Auto selbst (Rahmen, Armaturenbrett etc.) scheinbar völlig unbewegt ist, während die Schauspieler durch die Bodenunebenheiten der Straße hin- und herschaukeln.
Zudem liegt das Spielfahrzeug bei Variante 3 durch den Tiefausleger, auf dem es gefahren wird, ein gutes Stück höher als die übrigen Fahrzeuge im Straßenverkehr. Speziell bei Szenen an Ampeln wirkt es sehr irritierend, auf die übrigen PKW herabzublicken. Vor allem, wenn die Fahrzeuge identisch sind, beispielsweise wenn das Spielauto mit den Schauspielern ein Taxi ist und daneben an der Ampel ein weiteres Taxi hält, was aber deutlich niedriger zu sein scheint, weil es auf keinem Tiefausleger steht.
Bei Variante 4 ist die Kamera selbst mechanisch vom Rahmen des Spielfahrzeugs gelöst, wodurch sich nicht nur die Schauspieler bewegen, sondern auch das Fahrzeug. Nachteil: Um keinen Unfall zu riskieren, muss der Mindestabstand zum Spielfahrzeug relativ groß gehalten werden! Auch die Kamera bekommt die Boden-Unebenheiten zu spüren.
Fährt die Kamera vor einem Wagen her, der durch ein Schlagloch fährt,ergibt sich folgender Eindruck:
Man sieht das Spielauto und die Schauspieler fahren. Plötzlich macht die Kamera einen kleinen Knick nach unten, um sofort wieder aufzutauchen; unmittelbar danach vollführt das Spielfahrzeug dieselbe Bewegung, da es in das gleiche Schlagloch fährt, welches zuvor die Kamera einsacken ließ.
Eine ideale Lösung für holprige Wege und Straßen ergibt sich aus der Kombination der Variante 4 mit einer Steadicam. Diese kann man auch in eine Aufhängung einhängen, die so genannten "Hard Mount" die man am Fahrzeugholm anflanscht. Dann fängt die Steadicam alle Boden-Unebenheiten des Aufnahmefahrzeugs auf, sodass das Bild völlig ruhig bleibt, während das Spielauto über die wildesten Schlaglöcher brettern kann. Und plötzlich sieht es ganz realistisch aus...