Man weiß nicht genau, wer das immer so präzise einrichtet, aber jedes Jahr, wenn es in Berlin wieder massiv ums Kino geht, fallen automatisch die Temperaturen unter die Frostgrenze. Führe man zu einem Eisbären oder Pinguin-Kongress wäre das nahezu perfekt, so aber fragt man sich natürlich ein wenig, ob es nicht auch ein wenig milder sein könnte. Doch die Diskussion ist müßig, wärmere termine würden die Berlinale unweigerlich in Konkurrenz zu attraktiveren A Festivals bringen, samt Meer und Palmenstrand.
Die gewohnte Weihnachtsbeleuchtung macht aus dem Potsdamer Platz eine farbenfrohe Event-Location mit vielen Areas, zu denen auch in diesem Jahr der große Klotz von Hauptsponsor Audi gehört, der vor den Berlinale-Palast gesetzt wurde.
Kleine Veränderungen
Auch wenn man es sehr diskret hält, die Sicherheitsmaßnahmen zur Berlinale wurden in diesem Jahr deutlich verschärft, Betonblöcke, welche die Straßensperren ergänzen und dezidierte Security-Checks zu ausgewählten Veranstaltungen gehören inzwischen zum Festival, so wie der Berlinale Bär.
Das größte deutsche Filmfestival ist auch ein verborgener Fachkongress all jener, die an die Kraft des Kinos glauben... Während für das Publikum ein Film nach dem anderen durch die Festivalkinos gepumpt wird und Stars wie Richard Gere ihre Arbeiten persönlich vorstellen, finden jede Menge Veranstaltungen der Filmbranche statt, die den professionellen Teil des Films abbilden.
Das sind nicht nur die Filmverbände, wie etwa der Regieverband, die ihre Treffen abhalten, sondern auch zahlreiche Förder-Organisationen wie "Creative Europe", "Filmstiftung NW", FFF Bayern" und viele andere.
Daneben präsentieren sich Fernsehsender wie WDR, arte etc. oder auch Firmen wie Arri oder Canon. Würde man alle derartigen Events in einen Kalender eintragen, würde einem das Ausmaß der Veranstaltungen erst richtig klar.
Und dann sind da natürlich noch die Filme, wie etwa der Eröffnungsfilm "Django", der als Erstling gehandelt, das Regiedebüt eines alten Hasen im Filmgeschäft präsentiert, der vorher nur als Produzent tätig war. Der Film erzählt die Geschichte des Ausnahmekünstlers Django Reinhard, sehr klassisch, wenig überraschend, ein Kostümfilm eben, so wie Filme die in der NS Zeit spielen, so aussehen.
Montag
Der Tag beginnt frostig, aber mit Sonne, das macht doch die kalte Stadt im Osten gleich viel sympathischer.
Heute stehen das BETS Event in der britischen Botschaft, der arte-Empfang, "Creative Europe" und viel andere Veranstaltungen auf dem Berlinale-Timetable. Glücklicherweise liegen die verschiedenen Örtlichkeiten nicht allzu weit auseinander, der Zeitplan könnte also funktionieren.
BETS FORUM
In der britischen Botschaft in Berlin fand zum zweiten Mal in Folge das Treffen statt, welches vor allem die Zusammenarbeit von britischen und deutschen Filmstudierenden fördern soll. Eine sehr wichtige Initiative, die sowohl neue Kontakte eröffnet als auch wichtige Player der Filmbranche vorstellt und spannende Insiderinformationen vermittelt.
Es begann mit einem Vortrag von Hillyra David von Bankside Films, die anhand von zwei sehr unterschiedlichen Produktionen die Finanzierung und den Verkauf der Filmrechte bis hin zur Verwertung sehr übersichtlich darstellte.
Es folgte ein Panel zum Thema Film Commissions, bei dem es um die Arbeit von lokalen Agenturen ging, die sich darum bemühen, ihre jeweiligen Standorte als potentielle Drehorte attraktiv darzustellen und Produzenten gegebenenfalls bei Dreharbeiten zu unterstützen. Auf dem Panel saßen neben dem Moderator Matt Müller (Screen International) Arie Bohrer, Helena Mackenzie, David Shepard, Dorian Rowe, Anja Metzger und Concha D. Ferrer.
Darauf folgten weitere kurze Panels zu Verkäufen und Finanzierung von Filmen, bei denen Ken DuBow, Charlie Bloye und Gary Colins konkrete Zahlen und Vorgehensweisen vorstellten. Insbesondere die nachgeschalteten Fragerunden boten den anwesenden Filmstudenten beste Gelegenheit, sich konkret bei den Profis zu erkundigen.
Am Nachmittag folgten dann die BETS Pitches bei denen Studierende deutscher und englischer Filmhochschulen Kurzfilmprojekte einer Jury vorstellen und Zuschüsse zu den Projekten gewinnen können.
Arte Empfang
Das ist gar nicht so einfach mit den Events, je beliebter sie sind, desto mehr Menschen kommen, was die physische Dichte und den Geräuschpegel entsprechend exponentiell erhöht. So geht es eben auch arte mit seinem Empfang, die Location in der Akademie der Künste ist für Konversation, oder nennen wir es Gedankenaustausch, viel zu dicht gefüllt.
Man ruft sich Begrüßungen und Freundlichkeiten zu und lässt sich dann mit dem Malstrom der Gäste weiterschieben, greift im Vorübergehen vielleicht nach einem Getränk oder dem traditionellen Fingerfood.
"Viel zu voll und viel zu viele Poser" empört sich die sonst eher menschenfreundliche Filmjournalistin aus München auf dem Arte-Empfang und man muss ihr leider beipflichten. Bevölkerungsexplosion im Promilager sozusagen.
Und weil es so laut war, musste jeder Schreien, was den Lärmpegel nicht gerade niedriger werden ließ. Doch irgendwie kann man das auch wieder verstehen, schließlich ist arte der erklärte Lieblingssender so vieler Kreativer und auch die Örtlichkeit, die Akademie der Künste lohnt einfach einen Besuch.
Zum Glück gibt es auch viele Party-Touristen, die nur kurz vorbeischauen um genauso schnell wieder zu verschwinden, sonst würde das Event kollabieren. Oben auf der Treppe warten die Fotografen, "Wer sind sie? Sind sie wer?" scheinen sie jeden Besucher zu taxieren. Wie ärgerlich, wenn man Promis übersieht oder auch umgekehrt, wenn man gerne prominent sein möchte aber übersehen wird.
HFF Empfang
Beim HFF Empfang in der Homebase in der Köthener Straße, also um die Ecke vom Potsdamer Platz, waren im Vergleich zu den Vorjahren mehr Gäste gekommen. Das Event, bei dem es Kaffee und Kuchen gibt und viele Ehemalige auf aktuelle Studierende der Münchner Filmhochschule treffen, ist mehr und mehr etabliert.
Ein paar der jüngeren HFF Studierenden berichten von Probevorlesungen und einem scheinbar nicht wirklich offenen Auswahlverfahren für die ausgeschriebene Dokumentarfilm-Professur. Man darf gespannt sein, schließlich sind das Weichenstellungen, welche eine Hochschule für viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, in vieler Hinsicht beeinflussen können.
Doch die aktuellen Studierenden wären viel zu passiv, sich in ähnlicher Weise zu wehren, wie ihre Kommilitonen an der DFFB, es getan haben, meinen sie. Wobei an der DFFB auch noch nicht wirklich Ruhe eingekehrt ist. Während die jüngeren Studierenden an der DFFB ganz zufrieden sind mit der neuen Akademieleitung, haben die höheren Semester weiterhin so ihre Zweifel. Berlin ist eben doch nicht München.
Ansonsten belegt der Empfang vor allem, wie wichtig das Networking ist, aktuelle und ehemalige Studierende waren intensiv im Gespräch und besonders für die Ehemaligen war es zudem eine wunderbare Gelegenheit, die früheren Kommilitonen wiederzusehen.
Dienstage
Die Knappheit der Kinotickets würden Marketing-Strategen sicherlich als geschicktes Verkaufsargument bezeichnen, doch für Akkreditierte bleibt sie schlichtweg ärgerlich. Und wer sich notgedrungen Karten kauft, um bei der Wahl des Filmes auch mal selbst den Titel bestimmen zu können statt an den Countern zwischen den Resttickets irgendeinen unbekannten Film irgendeiner Nebenreihe im Kino am anderen Ende Berlins zu nehmen, bemerkt überrascht, dass die Ticketpreise erhöht wurden und sogar über denen normaler Kinobesuche liegen. Respekt kann man da nur sagen.
Die Tickets gehen trotzdem weg wie nichts, obwohl es den "MUSS MAN GESEHEN HABEN" Film bisher noch nicht gibt. Ganz gleich ob Sally Potters "Party" oder Thomas Arslans "Helle Nächte", Fragen nach der Relevanz, danach was hier verhandelt, was erzählt wird, wollen keinen diesjährigen Berlinale Geheimtipp aus ihnen werden lassen.
Die Schönheiten die einem auf einigen Berlinale Plakaten entgegenlächeln, sind wahre Meisterleistungen sowohl der chirurgischen Kunst als auch der feinsten Retuscheplugins die Photoshop so zu bieten hat. Man darf gespannt sein, wann die die abgebildeten Schauspielerinnen das Teenager Alter nach so vielen Jahrzehnten Branchenzugehörigkeit endlich verlassen werden um sich Erwachsenenrollen zu widmen.
Auf dem internationalen Filmmarkt sind bereits Dienstags diverse Stände verwaist, man hat seine Geschäfte bereits abgeschlossen, alle relevanten Filmrechte sind verkauft. Die Handelsware Film wird im Martin Gropius Bau besonders gut visualisiert. Unten Im Erdgeschoss demonstrieren türkische Filmemacher-innen und fordern die Kolleg-inn-en aus aller Welt auf, die Augen nicht zu verschließen vor dem zunehmenden Verlust an Freiheit und Demokratie in der Türkei.
Mittwoch
Beim "Early Morning Brunch" der Filmanwälte im Berlin Capital-Club am Gendarmenmarkt, sprach, nach einer Begrüßung durch Matthias Schwarz, Senator Christopher J. Dodd, der Chairman und Chief Executive Officer der Motion Picture Association of America (MPAA) zu den Gästen. Er unterstrich die wirtschaftliche Bedeutung der Filmbranche und die Wichtigkeit des kontinuierlichen Austauschs und der Koproduktionen zwischen den USA und Europa.
Zum zweiten Mal fand das Business Lunch von BETS und JETS statt, ein Meeting zwischen englischen und deutschen Filmstudent-inn-en, Nachwuchsfilmer-inne-n sowie Dozent-inn-en aus beiden Ländern. Während sich BETS an Filmstudierende beider Länder richtet, werden bei JETS erste, zweite und dritte Filme in ihren Finanzierungsbemühungen supportet. Neben zahlreichen Filmstudierenden nahmen auch Professor-inn-en und Dozent-inn-en am Business-Luch teil um auch auf der Seite der Lehrenden den Austausch zu befördern.
In Zeiten in denen eifrig an der politischen Entkopplung beider Länder gearbeitet wird, setzt diese Initiative wichtige Zeichen, die Zusammenarbeit nicht nur in kultureller Hinsicht zu verstärken und unterstützen.
Initiator und Organisator der Veranstaltung, William Peschek stellt das Networking nicht ohne Grund in den Mittelpunkt. In zwangloser Atmosphäre konnten die Gäste des Events neue Kontakte knüpfen und Wege der Zusammenarbeit diskutieren.
Dass der Donnerstag spannend wird, deutet sich bereits am Mittwochabend an, als die sms der Lufthansa verkündet, dass der Rückflug gestrichen wurde... in Tegel wird das Bodenpersonal streiken und plötzlich ist München wieder ganz weit weg von Berlin...
Donnerstag
Beim FFF Empfang lobte Klaus Schaefer die Erfolge von Produktionen an deren Entstehen der FFF beteiligt war. Nach ersten unvermeidlichen Namensnennungen Anwesender verkürzte er geschickt und begrüßte pauschal "alle weiteren Verbandsvorsitzenden" ganz herzlich.
Beim anschließenden bayerischen Büffett ließ es sich dann gemütlich diskutieren, wobei ein gewisser früher Besucherschwund sicher durch den Lufthansastreik ausgelöst war. Berlin war am Donnerstag richtig mild, ganz ungewohnt für warm verpackte Berlinale Besucher.
Im völlig überfüllten ICE fand sich dann ein Teil der Münchner Filmszene wieder,- alle Opfer des Flughafenstreiks schaukelten per Bahn wieder zurück nach München, wobei die Gesamtreisezeit vermutlich lediglich knapp zwei Stunden länger war, - die nach wie vor unfassbar lange S-Bahnstrecke zwischen Airport München und der Innenstadt verbrennt sehr viel der Zeitsersparnis von Inlandsflügen.