Man sieht sie hin und wieder an Filmsets, jene graue, unscheinbare Karte, die für die Lichtmessung zur Ausleuchtung und für die Belichtung der Kameras verwendet wird. Wozu genau dient sie und was steckt hinter diesem Grauton, der ganz offensichtlich genormt zu sein scheint? Wird sie heutzutage überhaupt noch gebraucht und wenn ja, wie verwendet man sie?
Beim analogen Film wurde die Graukarte zumeist dafür verwendet, um mit Hilfe eines Spotmeters aus Kameraposition die richtige Belichtung für das jeweilige Filmmaterial oder bei digitalen Drehs auch den Kamerasensor zu ermitteln. Da ein einfacher Belichtungsmesser oder ein Spotmeter ja nicht erkennt, wie das Bildmotiv von den Helligkeiten her beschaffen ist, also ob es helle, stark reflektierende oder schwarze, Licht schluckende Objekte umfasst, musste man einen Weg finden, wie man trotzdem eine korrekte Belichtung ermitteln kann.
Um dies sicher zu stellen, hat man verschiedenste Motive auf ihre Reflektionseigenschaften hin ausgemessen. Man hat also in Räumen, in der Natur etc. viele Messungen vorgenommen, wie viel Licht reflektiert wird und aus den jeweiligen Messwerten einen Mittelwert gebildet. Es zeigte sich, dass bei den meisten Szenarien durchschnittlich 18 % des auftreffenden Lichts reflektiert wurden. Wenn man also alle Objekte in einem Bild auf ihr Reflektionsverhalten hin untersucht, so werden durchschnittlich 18 % an Licht als Mittelwert in Richtung Kamera zurückgeworfen. Dieser Wert wurde als Norm festgelegt. Deshalb zeigt die Graukarte auf der einen Seite ein mittleres Grau welches 18 % (präzise 17,68 %) des auftreffenden Lichts reflektiert, auf der Rückseite besitzt sie ein Weiß, welches 90% des Lichts reflektiert.
Klassische Belichtungsmesser besitzen eine Kalotte, eine weiße Kunstoffhalbkugel, welche im Motiv,- zur Kamera hin ausgerichtet, das reflektierte Licht mit etwa 180 Grad Winkel bündelt und davon 18% auf den die Messzelle hinter der Kalotte durchlässt. Will man stattdessen mit einem Spotmeter messen, so misst man mit dem Spotmeter, der ja keine Kalotte haben darf, weil er nicht 180 Grad sondern nur einen sehr engen Winkel von 1-6 Grad ausmisst, die Reflexion einer Graukarte, die man in der Mitte des Motivs möglicht parallel zum Sensor oder der Filmebene in Richtung Kamera hält. Das Grau dieser Karte reflektiert genau 18% des Lichts. So kann der Spotmeter ebenfalls einen Mittelwert erfassen, um einen Blendenwert für die Belichtung mit der Kamera zu erhalten.
Diese Vorgehensweise gilt für alle Motive mit einer durchschnittlichen Helligkeitsverteilung. Bei Aufnahmen im Schnee, auf dem Meer oder in der Nacht muss man manuell korrigieren, weil bei reiner Belichtung nach der 18% Durchschnittsverteilung Fehlbelichtungen drohen.
Moderne Mirrorless und Video-Kameras haben so viele Messpunkte über das Bildfeld verteilt, mit denen sie einen genauen Mittelwert bilden und stellen gleich automatisch die richtige Blende ein, sodass man zur Ermittlung der Belichtung keine Graukarte mehr benötigt. Große Profikameras wie etwa die Arri Alexa haben so eine Belichtungsautomatik aber nicht. Hier wird nach wie vor manuell die Blende eingestellt. Sie bringen zumeist verschiedene Anzeigen, sogenannte Scopes mit, welche eine Beurteilung der Belichtung erlauben.
Unter bestimmten Umständen kann die Graukarte sogar zu Fehlmessungen führen. Während nämlich beim analogen Film ein mittleres Grau, also die mittlere Belichtung tatsächlich genau in der Mitte der Gradationskurve Gradationskurve lag, kann es in der digitalen Welt bei besonderen Farbräumen oder wenn man in Log-, oder HLG dreht, zu Fehlern kommen, weil dort das mittlere Grau möglicherweise nicht in der Mitte sondern vielleicht eher bei 75 % angesiedelt ist.
Weissabgleich
Bei elektronischen Kameras, also allen heutigen Digitalkameras können Graukarten auch für den Weißabgleich verwendet werden. Gegenüber genormten weißen Karten haben sie den Vorteil, dass sie nicht so leicht überstrahlen. Wenn sie weiß überstrahlen, erhält man keine brauchbaren Messwerte mehr. Gegenüber einem weißen Blatt Papier haben sie zudem den Vorteil, dass sie keine Aufheller besitzen, die das Messergebnis verfälschen können. Durch die chemische Behandlung ist weißes Papier oft übertrieben reflexiv, das kann beim Weißabgleich zu einem leichten Gelbstich führen. Oder aber das Papier ist etwas angegilbt, da fällt der Weißabgleich bläulicher aus. Der Farbstich von Papier kann auch je nach Lichtart variieren. Manche Aufheller in Papier reagieren stärker auf einen UV-Anteil im Lichtspektrum. Der Weißabgleich über eine Graukarte ist vor allem dann sinnvoll, wenn man nicht in RAW aufnimmt, die nachträglichen Korrekturmöglichkeiten in der Postproduktion also begrenzter sind.
Doch genau für diesen Zweck muss man sich sehr genau anschauen, um welche Graukarte es sich handelt. Theoretisch müsste die richtig belichtete Aufnahme einer Graukarte im Bildbearbeitungsprogramm gleiche RGB Werte in den drei Farbkanälen abliefern. Das ist aber bei den wenigsten Graukarten der Fall. Auch kann man bei der Farbkorrektur mit der Pipette oft besser mit Grau arbeiten. Manche Graukarten haben auch einen Weiß und einen Schwarzbereich zusätzlich, diese kann man dann in der Postproduktion mit den Pipetten für Weiß, Grau und Schwarz separat neutralisieren. in RAW Konvertern gibt es nur eine Pipette, mit der wählt man das Grau der Graukarte an und neutralisiert dieses. Weiß hat dann Vorteile, wenn man bei wenig Licht dreht, hier wird einfach mehr Licht reflektiert. Deshalb besitzen die meisten Graukarten auf der Rückseite eine neutrale weiße Fläche.
Auch hier gilt, dass man beim Ausmessen die Karte möglichst parallel zur Sensorebene oder Filmebene halten sollte. Insbesondere wenn es reflektiertes Licht gibt,- farbige Wände, Objekte, Laub von Bäumen etc. kann das leichte Anwinkeln der Karte bereits zu Verfälschungen des Weißabgleichs führen. Wenn Szenen in mehrere Einstellungen aufgelöst werden, helfen Graukarten, eine konsistente Belichtung und Farbwiedergabe zu erzielen.
Ältere Graukarten, wie etwa jene von Kodak waren recht unempfindlich, was UV Anteile im Licht angeht. Neuere Graukarten, wie beispielsweise von Tiffen hergestellt besitzen jedoch chemische Aufheller, welche eine entsprechende fluoreszierende Wirkung unter UV Licht haben. Dies kann unter Umständen zu Fehlmessungen führen. Die Graukarten von Macbeth oder auch die deutlich günstigeren von Douglas Photographic verhalten sich wiederum neutral. Oft sind sie auch kombiniert mit Farbtafeln erhältlich.
Ein weiteres Problem bei diversen älteren oder billigen Graukarten ist, dass manche eine leichte Einfärbung haben, das Grau ist also gar nicht grau, sondern manchmal etwas wärmer, manchmal etwas kühler. Das verfälscht natürlich einen Weißabgleich. Oft stammen die Graukarten noch aus analogen Zeiten, in denen man die Graukarten nur für die Ermittlung der Belichtung verwendet hat. Da spielten leichte Färbungen im Grau keine Rolle. Diese Verfälschung ist zumeist gering und kommt bei vielen Aufnahmesituationen gar nicht zum Tragen. Wer aber beispielsweise Malerei oder Produkte filmt oder fotografiert, muss in besonderm Maße farbgetreu arbeiten. Hier sollte eine möglichst farbneutrale Graukarte zum Einsatz kommen.
Wenn es um die Farbechtheit geht und man der Graukarte nicht vertrauen kann, ist Weiß die bessere Referenz für einen manuellen Weissabgleich.