Filmkritik "Matter out of place"
Nikolaus Geyrhalter hat eine feste Fangemeinde, seine sehr besondere Erzählweise, auf die man sich, wenn man seine Arbeiten kennt,- sehr gerne einlässt, eröffnet den Zuschauer*Innen die Möglichkeit, an Orte geführt zu werden, die man normalerweise mit großer Sicherheit, niemals betreten würde. So auch in seinem neuen Film "Matter out of place", in dem es um die Müll-Spuren geht, welche die Menschen auf diesem Planeten hinterlassen. Am Anfang des Films tauchen wir noch aus scheinbar wunderschöner heiler Alpennatur in die bittere Realität eines Alpsees, dessen Ufer völlig mit Müll zugedeckt ist. Geyrhalter nimmt uns von da an mit an unterschiedlichste Orte, welche vom Wahnsinn unseres Umgangs mit dem Abfall erzählen. Dabei ist jeder neue Ort zugleich eine Entdeckungsreise, erlaubt jedes Bild, sich umzusehen und Details zu entdecken. Die Aufnahmen sind präzise durchkomponiert, haben oft in ihren Abläufen trotz feststehender Kamera eine innere Dramaturgie oder vielleicht könnte man auch von einer Choreographie sprechen. Dabei kommen viele der Aufnahmen geradezu poetisch daher um uns nur noch umso dramatischer klar zu machen, was alles an unserem Umgang mit diesem Planeten nicht stimmt.
Die Länge der verschiedenen Szenen ist wohldosiert, mindestens so lange, bis die innere Botschaft bei uns angekommen und sich die Bilder in unserem Bewußtsein festgeklammert haben. Die Tonebene ist ebenfalls fein durchkomponiert und in Dolby Atmos abgemischt. Filmmusik braucht und will der Filmemacher gar nicht, er vertraut zu Recht darauf, dass die gezeigten Momente aus sich heraus emotionalisieren.
Wie so oft in seinen Filmen nimmt sich der Regisseur und Kameramann selbst sehr zurück und es scheint, als wenn die Protagonist*Innen der verschiedenen Situationen in der Schweiz, Albanien, Griechenland, Nepal oder den Malediven ihren Tätigkeiten so nachgehen, als wären sie unbeobachtet. Geyrhalter zeigt nicht einfach nur unterschiedlichste Ansammlungen von Vermüllung, wie es manch andere Filmemacher*Innen getan haben, er zeigt vor allem, wie wir Menschen damit umgehen. Manche Szenen sind von sanfter Absurdität, etwa wenn ein winterfester LKW in einem Skiort in den Alpen den Müll einsammelt, um anschließend unter einer Seilbahngondel baumelnd, ins Tal zurückzuschweben.
Am Ende des Films sieht man, wie die Menschen nach einem großen Festival in Nevada in der Black Rock Wüste, all den Müll wieder zusammenräumen und sich bemühen, die Wüste möglichst spurenfrei wieder zu verlassen. Der vielleicht hoffnungsvollste Moment dieses starken und berührenden Filmes.
Gesehen von Mathias Allary
Interview
Anlässlich des 38. Dok.fest München hatten wir die Gelegenheit mit Nikolaus Geyrhalter, den das Festival mit einer Hommage ehrt, zu sprechen. Hier ein Auszug aus dem Gespräch: