Objekte im Film
Sieht man den fertigen Film, ist immer alles da, oder meistens jedenfalls, all die Dinge, mit denen die Schauspieler hantieren, die sie umgeben, die sie prägen. Die Gläser aus denen sie trinken, die Teller von denen sie essen, die Stifte mit denen sie Liebes,- oder Erpresserbriefe schreiben, die Messer mit den sie Brotstullen schneiden oder morden.
Requisiten gehören zwingend zu nahezu jeder Ausstattung, sie sind mit verantwortlich dafür, dass das Milieu eines Filmes glaubhaft wiedergegeben wird. Verantwortlich dafür, dass man die Zeit glaubt, in der der Film spielt, dafür, dass Orte belebt aussehen. Und natürlich dafür, dass die Schauspieler sich in der gegebenen Situation vertraut fühlen und sich wie selbstverständlich in Räumen bewegen können, die sie vielleicht an diesem Drehtag zum ersten Mal in ihrem Leben gesehen haben. Gar nicht selten müssen Gegenstände auch angefertigt werden.
Organisationstalente
"Außenrequisiteure", so heißen hierzulande die Personen, die in Absprache mit den Szenenbildnern (Ausstattern) all die Gegenstände, die im Bild zu sehen sind, oder sogar „Bespielt" also von den Schauspielern benutzt werden, organisieren. (Im Gegensatz dazu heißen die Requisiteure, die sich darum kümmern, dass die besorgten Gegenstände auch für jede Szene verfügbar und an der richtigen Stelle und für den jeweiligen Anschluss richtig positioniert sind, "Innenrequisiteure"). Das kann, je nach Filmsujet, recht schwierig sein. Gerade historische Filme verlangen häufig eine sehr große Genauigkeit.
Bei Räumen beginnt das schon bei den Lichtschaltern und unendlich vielen Dingen, wie Wasserarmaturen, Radios, Fernsehern usw. Oder beispielsweise Küchen in historischen Filmen stellen regelmäßig große Herausforderungen dar. Viele Verpackungen von Produkten existieren schlichtweg nicht mehr. Wie sahen Haferflockenpackungen in den 70er Jahren in der DDR aus? Wie in den 40er Jahren im Kriegsdeutschland? Häufig behilft man sich, indem man Lebensmittel in Gläser, Schütten, Kästen, Körbe etc. einfüllt. Obst und Gemüse ist sehr dankbar, schließlich hat sich das über die Jahrhunderte wenig geändert.
Und wie verhindert man ungewollte Werbung für Produkte? Häufig werden für Lebensmittel ganze Produktverpackungen entworfen mit Fantasienamen die keinen Verdacht von Schleichwerbung aufkommen lassen.
Fundi
Viele Objekte müssen antiquarisch erworben oder in einem Fundus gemietet werden. Der größte Requisitenfundus in Deutschland, die FTA hat in Berlin, Hamburg, Köln und München Lagerstätten mit unzähligen Gegenständen unterschiedlichster Epochen. Es macht richtig Spaß, durch die endlosen Gänge mit Gegenständen zu flanieren, besonders für historische Filme finden sich hier zahllose Gegenstände.
Hier findet man nahezu alles, allerdings ist das Vergnügen nicht wirklich preiswert. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Läden, die sich auf den Verkauf,- und Verleih von Gegenständen spezialisiert haben.
Glück kann man aber auch bei den diversen Verkaufshallen der städtischen Müllabfuhren und Wertstoffhöfe haben, die in eigenen Gebrauchtwarenhäusern, wie der Münchner Halle 2 oft jede Menge spannende Möbel und Gegenstände für kleines Geld anbieten. Achtung: Manche Gebrauchtwarenhäuser sind speziell für sozial Schwache eingerichtet und verkaufen nicht an Filmproduktionen Gegenstände.
- München: Halle 2, Sachsenstraße 29, 81543 München
- Hamburg: Schneppchen-Hamburg, Wandsbeker Chaussee 189, 22089 Hamburg
Charakterprägend
Manchmal erzählen Gegenstände auch ein wenig die Filmfigur mit. Das ist ganz wie im richtigen Leben, wo wir uns auch in einer fremden Wohnung, die wir das erste Mal betreten, umschauen und daraus auf deren Bewohner schließen.
Wenn im Zimmer, der Wohnung des Protagonisten irgendwo noch Eishockeyschläger, Musikinstrumente oder ein Mountainbike stehen, muss dieser Teil der Person nicht mehr über Handlung oder Dialoge erzählt werden.
Sehnsüchte, Erinnerungen an die Vergangenheit können durch Gegenstände, zu denen auch Fotos und Postkarten zählen, auf elegante Weise spürbar gemacht werden. Andeutungen, Rätsel, Spleens, man kann über Gegenstände ganze Charakterisierungen vergegenständlichen. Und was ein großer Vorteil ist,- was man wirklich sieht, glaubt man viel eher, als wenn es nur im Dialog geäußert wird.
Fast schon Hauptdarsteller
Gegenstände können in Kriminalfilmen zu Tatwaffen oder Beweisstücken werden, können kostbarste Erinnerungsstücke an den/die Verflossene-n sein. Ein großer Teil des amerikanischen Mainstreamkinos wäre ohne Waffen schlichtweg aufgeschmissen.
Das war eigentlich bereits beim ersten Blockbuster der Filmgeschichte, "The great train robbery" der Fall. Oder wenn man an die Gewehrsalven der Soldaten in der berühmten Treppenszene in Odessa im Film "Panzerkreuzer Potemkin" denkt. Die Filmgeschichte ist voller Colts, Revolver, Pistolen, die übrigens bei Dreharbeiten am Set hierzulande nur von „Waffenmeistern" gehandhabt werden dürfen.
Requisiten können aber auch Objekt der Begierde Vieler werden, die alles dafür tun würden, in den Besitz dieses Objektes zu gelangen und im Zentrum eines ganzen Filmes stehen. Zahllose Schatzsuchen, Raubzüge, Diebesgeschichten verlangen geradezu nach glaubwürdigen Begehrlichkeiten. Ob es nun die verschollene Bundeslade ist, das goldene Fliess, der Schatz der Atzteken, versunkene Amphoren, Truhen voller Gold,- viele Abenteuerfilme erzählen von der Suche oder Jagd nach irgendeinem Objekt,- im Film stets ein Requisit.
Oder sie begründen ein Rätsel, wie die Schneekugel in „Citizen Kane", die Kane bei seinem letzten Wort Rosebud fallen lässt. Der ganze Film rankt sich letztlich darum, dass ein Journalist versucht, herauszufinden, was denn mit Rosebud gemeint gewesen sei. Die Schneekugel selbst ist es nicht. Dass es sich dabei ebenfalls um einen Gegenstand gehandelt hat, wird der Journalist nie herausfinden...
Legendär
Wie viele Briefe, Handzettel, Notizen, Karten, handgeschrieben oder getippt, anonym oder mit Absender, geschrieben oder als Flaschenpost gefunden, haben in Filmen entscheidende Entwicklungen angestoßen. Oder all die Telegramme, welche zumindest in Filmen wichtige Entscheidungen provoziert, gute oder schlechte Nachrichten übermittelt haben.
Die weinende Geliebte, der kranke Psychopath, der Erpresser, der Verräter, Briefe waren weitaus filmischer als es eine sms je sein wird... Überhaupt sind heutige Kommunikationswege weitaus langweiliger im Bild und uniteressanter, als die früheren Wege, sich zu verständigen.
Wie oft standen irgendwelche Geräte, Knöpfe, Auslöser und Kabel im Mittelpunkt von Schlüsselszenen? War es der rote Draht, der durchtrennt werden musste oder der Blaue?
Man denke nur an die unterschiedlichsten Hebel, welche die Bösewichte umlegen, Knöpfe, die sie herumdrehen mussten, um die Welt, oder zumindest Teile davon, zu vernichten. Oder an die schießfähigen Uhren, Absätze, Krawattennadeln oder Füllfederhalter des "Agenten ihrer Majestät", James Bond 007.
Und wie oft waren es Spiegel, die den Protagonisten ihre Schuld, ihre Geltungssucht, ihr Elend oder ihre Sehnsucht haben klar werden lassen. Spiegel, die sie angestarrt, verhängt, zertrümmert haben? Man denke nur an Disneys "Schneewittchen" (1937), "Dead of Night" (1945), The Lady from Shanghai (1947), Butterfield 8 (1960), Peeping Tom (1960), Taxy Driver (1976) oder "Shining" (1980).
Und all die Giftcocktails, von denen wir hofften, sie würden nicht getrunken, wie in "Romeo und Julia" (1996), "Alien" (1979), "Into the Wild" (2007) oder "Der Sechste Sinn" (1999), die verbotenen Früchte, die wir den Liebenden aus der Hand nehmen wollten, die illegalen Pillen, die tragische Figuren aus Verzweiflung einnahmen.
Oder die geraubten Geldscheine die doch nicht glücklich machen wollten, wie in "The Italien Job" (2003), "Bank Job" (2008), "Flypaper" (2011), oder "Mad Money" (2008), immer waren es Objekte, die erzählerische Zauberkräfte entwickelten und Filmgeschichte geschrieben haben.
In vielen Fällen waren es Requisiteure, die den richtigen Instinkt, Geschmack oder vielleicht auch nur Geschick gehabt haben, das richtige Objekt für einen bestimmten Film zu finden. Manches Mal musste auch technisch nachgeholfen werden, etwa bei Hitchcocks legendärem Giftglas in "Verdacht" (1941), welches von innen beleuchtet wurde. Es geht eben nicht nur darum, ein Filmset belebt aussehen zu lassen, Requisiten können so viel mehr...