Filmkenner wagen es selten, so etwas gut zu finden, doch die Mehrheit der Filmzuschauer schaut seit Anbeginn der Filmgeschichte äußerst gerne Liebesfilme. London-Reisende suchen erstaunlich oft jenen Stadtteil in London auf, der "Notting Hill" seinen Namen gab und erwerben dort allerlei Film-Souvenirs für sich selber oder zum Verschenken. Selbst unter Filmhochschülern, die sich ja im allgemeinen dem kommerziellen Filmschaffen gegenüber fortschrittlich, kritisch und aufgeklärt geben, wählen, wenn sie sich einen Wunschfilm auswählen können, den man zum Jahresende gemeinsam schaut, auch gerne mal in anonymer Wahl "Dirty Dancing" aus. So geschehen an der Münchner HFF. Es muss also irgendetwas dran sein, an den gefühlsschweren, an die Sehnsucht appelierenden Liebesfilmen...
Liebesfilme bedienen verschiedenste Bedürfnisse. Romantik, Eleganz, Humor, Sehnsucht, Melancholie, eigene Erinnerungen und mehr. Sie bedienen damit andere Bedürfnisse als andere Filmgenres wie etwa Krimi, Horror oder Action und genau das macht sie so beliebt. Filmtheoretiker wie Siegfried Krakauer sahen schon im zweiten Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts vor allem die Bedürfnisse der "Ladenmädchen", der Verkäuferinnen im Kino gestillt. In seinem Essay "ie kleinen Ladenmädchen gehen ins Kino", den er 1928 in der Frankfurter Zeitung veröffentlichte, begreift er Filme als die „Tagträume der Gesellschaft“. Liebesfilme als Ablenkung in schwierigen Zeiten.
Tatsächlich wagen sich Filmemacher*Innen immer seltener an dieses Genre und wenn dann wird die Romantik fast immer mit einer seltsamen Art von Selbstbewusstsein oder Zynismus gemischt, um ja nicht in Verruf zu kommen, Kitsch zu produzieren. Wer wagt es schon, heute eine gute, glaubhafte, mutige romantische Komödie zu drehen, so wie es früher dauernd der Fall war? Sicher hat das auch damit zu tun, dass romantische Komödien ausschließlich von der Chemie der im Mittelpunkt stehenden Paare abhängen. Wo gibt es wenn man sich Schauspieler*Innen vorstellt, heute noch echte Traumpaare?
Mehr als "Boy meets Girl"
Bei diesem Genre sind natürlich die Hauptfiguren nicht ganz unwichtig. Francois Truffaut hat einmal gesagt, dass im Kino schöne Menschen schöne Dinge tun würden,- für die Liebesfilme trifft das auf jeden Fall zu. Tatsächlich ist die Kinogeschichte kontinuierlich damit befasst, zu zeigen, wie sich zwei Menschen begegnen, sich ineinander verlieben, wie sie nicht voneinander lassen können und darum ringen, zusammenzufinden. Dass das Kino mehrheitlich auch kommerziell orientiert war und ist, steht nicht im Gegensatz dazu, schließlich gehört das romantische Drama zu den erfolgreichsten Genres überhaupt.
Was die Besetzung und die Anlage der Hauptfiguren angeht, so gehört es zu den ungeschriebenen Gesetzen erfolgreicher Filme, dass man es schaffen muss, dass die weiblichen Zuschauer sich in die männliche Hauptfigur und die männlichen Zuschauer sich in die weibliche Hauptfigur verlieben. Fast könnte man meinen, dass die Filmfiguren dann stellvertretend für die Zuschauer ihre Liebesbesziehungen ausleben. Ganz nebenbei werden ihnen dabei natürlich Gefühle präsentiert, nach denen sie sich auch selber sehnen. Denn nicht nur Singles, auch Zuschauer in festen Beziehungen sehnen sich vielleicht nach den intensiven Gefühlen des frisch Verliebseins (...zurück).
Feelgood Filme
Zuschauer berichten immer wieder davon, dass sie das Kino nach einem Liebesfilm entspannter, freier und mit einem Glücksgefühl verlassen würden. Das bestätigen übrigens auch medizinische Forschungserbenisse,- Liebesfilme führen zu einer verstärkten Ausschüttung des Progesterons, dem Gelbkörperhormon, einem natürlichen Sexualhormon. Übrigens nicht nur bei Frauen, sondern auch bei Männern. Das liegt vor allem an den sogenannten Spiegelneuronen im Gehirn, welche es möglich machen, mitzufühlen, was andere Menschen, auch solche im Film, erleben. Dabei gehen längst nicht alle Liebesfilme auch gut aus. Gar nicht selten leiden die Zuschauer mit einem Liebespaar mit und vergießen sogar Tränen. Schließlich ist der Verlust eine intensive Emotion, welche vielleicht erst möglich macht, das Glück, vielleicht auch das eigene, schätzen zu können.
Letzlich basieren Liebesfilme auf dem unerschütterlichen Glauben, dass eine glückliche Zukunft trotz aller Verwerfungen in der Welt immer noch möglich ist. Damit beweisen sie einem von schlechten Nachrichten vielleicht müden, besorgten Publikum, dass der „Wohlfühlfilm“ eben doch noch existiert mit dem man sich für ein paar Stunden aus der Wirklichkeit herausträumen kann.
Beliebte Zutat: Sozialer Aufstieg
Als wäre es nicht schon dramaturgisch reichhaltig genug, den oft schwierigen Weg einer Liebe durch alle Verwerfungen des Alltags hindurch zu begleiten, werden viele Liebesfilme zusätzlich noch mit einer weiteren Zutag gewürzt,- dem märchenhaften sozialen Aufstieg durch Liebesglück.Wenn die sich verliebenden Protagonisten aus höchst unterschiedlichen sozialen Schichten oder Milieus stammen, und diese Hürden dramaturgisch zu Gegenspielern werden, so entspricht deren Überwindung, einem weiteren Wunschelement der Zuschauer. Filme, die es schaffen, eine emotionale Beteiligung der Zuschauer, eine Empathie für die Hauptfiguren zu erzeugen, sind zumeist bemüht, die Hoffnungen der Zuschauer auf ein positives Ende auch zu erfüllen. Denn was wäre eine gute romantische Komödie ohne ein garantiertes Happy End?
In den meisten dieser Filme werden allerlei Klischees und Rollenmuster bedient, so sind die von ihrem Status höher gestellten Filmfiguren in den Liebesgeschichten mehrheitlich männlich. Ein paar Beispiele hierfür sind "Sabrina" (Regie Billy Wilder), "Pretty Woman" (USA 1990, Regie Gary Marshall), "Manhattan Love Story", (USA 2002, Regie: Wayne Wang).
Einer der wenigen Filme dieser Art, bei denen das Status-Gefälle mal anders herum gelagert ist und die weibliche Hauptfigur mal den höheren Status einnimmt, ist: "Notting Hill", (GB, USA 1999, Regie: Roger Michell). Hier wird allerdings dramaturgisch der Kunstgriff verwendet, dass die berühmte Schauspielerin in der Story ihren Status möglichst verbergen, sie möglichst ein einfacher Mensch sein möchte.
Ähnlich verhält es sich in "Ein Herz und eine Krone" ("Roman Holiday", USA 1953, Regie William Wyler), hier flüchtet eine junge Prinzessin vor all den Pflichten des Protokolls bei ihrem Besuch in Rom und verbirgt ihre Identität während einer lebendigen Annäherung an einen jungen Journalisten. Der Film hat übrigens nicht nur Audrey Hepburn, sondern auch die Vespa, auf der sie mit Gregory Peck durch Rom fuhr, berühmt gemacht.
Hindernisse
Kaum ein Liebesfilm erlaubt es den Protagonisten, so einfach zusammenzufinden. Wie sollen sie auch überhaupt genau wissen, ob sie ihrem größten Glück gegenübersitzen oder es möglicherweise gar nicht erkennen. Und warum sollte, wenn sie denn ihre Liebe zueinander entdeckt haben, es auch einfach sein, zusammen zu kommen? Im Film gilt die Regel: Die wahre Liebe sollte nie so leicht zu finden oder zu erreichen sein. Dafür sorgen FreundInnen, FeindInnen, Familienmitglieder, KonkurrentInnen und allerlei Bösewichte. Und einen ganzen Film lang darf dann das Publikum mitfiebern, ob die Liebenden es schaffen werden, ein Paar zu werden.
Klassiker des Genres
Eigentlich könnten hier tausende von Filmen stehen, wenn man jeden Film listen würde, in dem Liebe zwischen Menschen irgendwie vorkommt. Wenn es allerdings das zentrale Thema des Films ist, dann reduziert sich die Zahl der Filme doch merklich. Dies ist eine kleine, absolut unvollständige Liste, die wir gerne erweitern. Macht uns Vorschläge, welche Titel wir ergänzen sollten...
"Atalante" (F 1934, Regie: Jean Vigo)
Viele sagen, es sei einer der schönsten Liebesfilme überhaupt. Eine junge Frau aus der Stadt heiratet den Kapitän eines Frachtkahns und flüchtet vor der Enge des Lebens auf einem Schiff.
"Vom Winde verweht" (USA 1939, Regie Victor Fleming)
Der Klassiker ist natürlich weitaus mehr als "nur" ein Liebesfilm, es ist ein historisches Panorama vor dem Hintergrund des Krieges zwischen Südstaaten und Nordstaaten in Amerika.
"Ein Herz und eine Krone" ("Roman Holiday", USA 1953, Regie William Wyler)
Hier flüchtet eine junge Prinzessin vor all den Pflichten des Protokolls bei ihrem Besuch in Rom und verbirgt ihre Identität während einer lebendigen Annäherung an einen jungen Journalisten.
"Frühstück bei Tiffanys" ( USA 1961, Regie: Blake Edwards)
Das Partymädchen Holly Golightly will unbedingt einen reichen Mann heiraten, verliebt sich aber dummerweise in einen armen Schriftsteller, der bei ihr im Haus neu einzieht. Geniale Verfilmung der Literaturvorlage von Truman Capote und ein absoluter Klassiker.
"Jules und Jim" (F 1962, Regie: Francois Truffaut)
Ein Österreicher und ein Franzose verlieben sich in die junge Studentin Catherine und leben eine ungewöhnliche Liebe
"The Sound of Music" (USA 1965, Regie: Robert Wise)
Eine junge Nonne verhält sich gar nicht mustergültig. Von ihrer Schwester Oberin wird sie als Kindermädschen zu einer Familie beordert, um herauszufinden, ob sie wirklich Nonne bleiben will.
"Doktor Schiwago" (USA 1966, Regie: David Lean)
Geniale Romanverfilmung mit dramatischer Liebesgeschichte vor dem Hintergrund der russischen Revolution
"The Way we were" (USA 1973, Regie Sydney Pollack)
Barbara Streisand und Robert Redford als ungleiches Paar, welches sich verliebt, zusammenkommt und sich aber irgendwann verliert.
"Pretty Woman" (USA 1990, Regie Gary Marshall)
Ein reicher Geschäftsmann und eine Prostituierte verlieben sich und kommen am Ende zusammen.
"Vier Hochzeiten und ein Todesfall" (GB 1994, Regie: Mike Newell)
Ein Lebenskünstler, der schon einige Hochzeiten seiner Freunde begleitet hat, lernt ene junge Amerikanerin kennen in die er sich verliebt. Allerdings versäumt er es, sie zu fragen, ob sie ihn heiraten möchte...
"Liebe, Leben, Tod" (D 1995, Regie: Mathias Allary)
Eine junge Türkin, die nachdem ihre Freundin bei einem Brandanschlag ums Leben gekommen ist, die Wohnung nicht mehr verlässt und ein Vertriebsleiter eines Feinkost-Geschäfts, der sie zufällig anruft und nach den Schuhen fragt, die sie gerade trägt, verlieben sich am Telefon...
„Die Brücken am Fluss“ (USA 1995, Regie: Clint Eastwood)
Eine einsame Farmersfrau (Meryl Streep) und ein Fotografen (Clint Eastwood) verlieben sich.
"Titanic" (USA 1997, Regie: James Cameron)
Unzählige Zuschauer leiden intensiv mit, wie Kate Winslet in "Titanic" Leonardo DiCaprios Hand schließlich loslässt und er in im Eismeer versinkt.
"Die Braut die sich nicht traut" (USA 1999, Regie Garry Marshall)
Ein Zeitungskolumnist schreibt über eine junge Frau, die schon mehrere Male jeweils vor ihrer eigenen Trauung geflüchtet ist.
"Notting Hill", GB, USA 1999, Regie: Roger Michell
Eine weltberühmte Schauspielerin (gespielt von Julia Roberts) lernt zufällig einen Londoner Buchhändler kennen und verliebt sich in ihn. Doch wie das Leben so spielt, steht ihre Berühmtheit zwischen den beiden,- so wird die Beziehung auf allerlei Proben gestellt, bevor die beiden am Ende tatsächlich zusammenfinden können. Ein wenig hat man den Eindruck, Julia Roberts spielt sich selbst. In einer Interviewszene des Films wird sie nach ihrer letzten Gage gefragt und nennt mit 15 Million Dollar genau die Gage, die sie für Notting Hill erhielt, übrigens mehr als ein Drittel des Gesamtbudgets für den Film.
"Manhattan Love Story", USA 2002, Regie: Wayne Wang
Die attraktive Marisa hat eine Affäre mit einem erfolgreichen Politiker. Allerdings nimmt dieser an, dass Marisa sehr wohlhabend ist - doch in Wahrheit arbeitet die allein erziehende Mutter als Zimmermädchen in jenem Luxushotel, in dem sie zusammentrafen. (Hauptrollen: Jennifer Lopez und Ralph Fiennes)
Wedding Planer (USA, D, GB 2001, Regie: Adam Shankman)
Eine Hochzeitsplanerin ist zwar absolut souverän, wenn es um die Organisation von Gefühlen für andere geht,doch privat eher unbegabt, die eigenen Gefühle zu entdecken. Doch dann verliebt sie sich in einen Kinderarzt, der ihr Leben rettet. Dieser ist mit einer Kundin von ihr verlobt...
Weihnachtsliebesfilme
Besonders intensiv kulminieren die Gefühle, wenn der Liebesfilm auch noch mit einem anderen starken Gefühlsmotiv kombiniert wird und absoluter Spitzenreiter ist hier natürlich Weihnachten, das "Fest der Liebe". Wen wundert es also, dass es zahlreiche Pakete aus den beiden Genres gibt.
Mein Weihnachtsprinz (Regie: Sam Irvin, USA 2017)
Die junge Samantha lebt in New York und lernt einen europäischen Diplomaten kennen. Im Verlauf der Gechichte stellt sich heraus, dass er eigentlich ein Prinz ist.
Mr. Christmas (Regie: Blair Hayes, USA 2017)
Tom führt ein Geschäft, welches den Kunden hilft, das optimale Geschenk zu finden. Als ein Freund ihn bittet, für dessen Freundin das ideale Geschenk zu finden, verliebt er sich in diese.
Meine zauberhaften Weihnachtsschuhe (USA 2018 Laufzeit: 105 Minuten)
Noelle wurde drei Jahre zuvor an Heiligabend von ihrem Freund verlassen und hat seitdem einen Hass auf Weihnachten. Als sie an Weihnachten versehentlich in einem Kaufhaus eingeschlossen wird, begegnet ihr ein Schutzengel...
Christmas at the Plaza - Verliebt in New York (Regie: Ron Oliver, USA 2019)
Eine Historikerin soll eine Ausstellung über die Weihnachtsgeschichte eines großen Hotels in New York vorbereiten. Dabei begegnet sie dem Dekorateur des Hotels, der ihr Leben gründlich auf den Kopf stellt.
Die Winterprinzessin - Eine Liebe im Schnee (Regie: Allan Harmon, USA 2019)
Eine Prinzessin arbeitet unerkannt in einem Ski-Resort. Als sie gemeinsam mit dem Bruder des Besitzers, den traditionellen Winterball organisieren soll, verlieben sich die beiden ineinander.
Starke Liebesfilme schaffen es, neben der Leistung, die Empathie ihrer Zuschauer zu gewinnen, vor allem die vielen naheliegenden Klischees zu umschiffen. Wenn Sie dann auch noch wichtige gesellschaftliche Themen oder gar historische Zusammenhänge aufleuchten zu lassen, dann haben sie ihren Platz in der Filmgeschichte nahezu gesichert.
Ganz gleich, wie man über das Genre denken mag, in der Hitliste der erfolgreichsten Filme haben sie ihren festen Platz und schaffen es, gerade auch in schwierigen Zeiten, Millionen Zuschauer ins Kino oder vor die Flatscreens zu locken.