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Interview mit Christoph Hochhäusler

Interview mit Christoph Hochhäusler in seiner Heimatstadt, München

 

Interview mit Christoph Hochhäusler

Movie-College: Der zweite Tag des Filmfestes. Wie ist bisher die Rückmeldung auf den Film?

Ganz gut. Die Premiere war erfreulich. Es gibt ja aber keinen Thermometer, um zu messen, wie heiss die Stimmung wirklich ist.

 

Movie-College: Es wird wohl auch niemand zu Ihnen kommen und sagen "Mir gefällt ihr Film nicht".

Ach, doch, das kann schon vorkommen. Aber es ist jetzt nicht so leicht zu ermessen, wie 100% die Resonanz ist. Vor allem weil ich ja auch an einem Film interessiert bin, der nicht nur im Moment wirkt sondern auch u.a. Wochen und Monate später. Man kann also im Moment nur eine Ahnung haben, aber es ist ganz gut gelaufen, glaube ich.

 

Movie-College: Welche gestalterischen Aspekte sind Ihnen bei Ihren Filmen wichtig?

Ich glaube, dass es ein Irrtum ist zu glauben, dass man Gestaltung isoliert betrachten kann. Man gestaltet ja etwas, ein Thema, oder was einen bewegt. Und oft ist es so, dass eine Gestaltung bewegt, das heißt, aus der Gestalt, die man ahnt, erwächst ein Inhalt und umgekehrt. Das heißt, es ist von Anfang an ein Knäuel, das nicht ganz aufzulösen ist. Aber ich glaube an ein Kino, das aus Blicken besteht; daraus besteht, dass man selbst sich einen Blick einverleibt. Das ermöglicht uns dann, Gegenstände, die unbelebt sind aufzuladen. Das nennt man landläufig "Identifikation". Mir geht es nicht um eine bündige Identifikation, sehr wohl aber um Identifikationsstücke, die dann einen Raum zwischen Einheiten entstehen lassen, in dem du als Zuschauer kreativ werden musst.

 

Movie-College: Wie stark lassen Ihre Filme Improvisationsmöglichkeiten zu?

Improvisation ist als Methode eigentlich immer anwesend - aber man muss sich jetzt nicht vorstellen: "Jetzt macht mal...". Improvisation macht sowieso nur Sinn, wenn man weiß, was man will, was man erzählen will - wenn man genaue Vorgaben macht. Improvisation ist dann vielleicht sogar die einzige Form von Kreativität insofern, als dass man Elemente, die festgelegt sind, jongliert, in Bewegung bringt. Film ohne Improvisation ist undenkbar. So wie ihr die Kamera an einen Punkt stellt, der intuitiv der richtige ist, und dann das Ergebnis überprüft: das ist auch Improvisation. Improvisation ist eine Technik, ohne die man gar nicht leben kann. Und jetzt ist die Frage: Ist das Ausmaß ungewöhnlich groß oder nicht? In meinen Filmen ist das Ausmaß wahrscheinlich eher klein. Es wird relativ viel vorher festgelegt: die Orte, im Wesentlichen, wie die Kamera erzählt. Natürlich entscheidet sich auch ganz viel über Besetzung usw. Aber es bleibt auch Raum für Varianz und es gibt auch Dialoge, die dadurch entwickelt werden, dass sie in einer Gruppendynamik entstehen. Das war auch bei meinem neuen Film nicht anders.

 

Movie-College: "Falscher Bekenner" wurde digital gedreht. Lassen sich Unterschiede ausmachen?

Ja, klar. Wir haben auf High Definition gedreht mit einer drei Jahre alten Kamera. Die Nachteile sind Helligkeit: wenn man einen hohen Kontrastumfang bräuchte, hat man Schwierigkeiten nach oben, d.h. Es gibt ein Clipverhalten, das relativ unangenehm ist. Wenn Sachen zu hell sind, sieht das sehr hässlich aus. Man muss also den Kontrastumfang verringern, indem man nachleuchtet oder nicht bei Sonne dreht. Bei Tag gibt es also Probleme. Das wird etwas ausgeglichen, da man in der Nacht mehr Beweglichkeit hat. Nicht so sehr in Sachen Empfindlichkeit, aber wie die Kamera auf Dunkelheit reagiert, empfinde ich als sehr angenehm und interessant. Ein Nachteil: Es ist eine sehr schwere Kamera, die Geräusche macht durch das Gebläse, was ich nicht gedacht habe. Ein sehr großer Vorteil ist, dass die Kassetten billig und nicht auf zehn Minuten beschränkt sind. Das ist immer ein Abwägen. Ein Nachteil ist, dass man das erst ausbelichten muss, d.h. Man ist auf einem anderen Medium und geht zu einem nächsten. Bei jeder Art von Übersetzungsarbeit geht etwas verloren. Die Transparenz ist nicht die gleiche wie bei Film usw. Man muss letztlich wissen, was man braucht, dann kann man sich für ein Format entscheiden. Manche Sachen lassen sich leichter digital drehen, andere müssen weiter auf Film sein. Es wird sich sicher noch weiter annähern in den nächsten Jahren, und dann wird der Film ohne Frage abgelöst werden. Aber noch ist es nicht so weit.

Standfoto aus

Standfoto aus "Falscher Bekenner"

 

Movie-College: Stichwort Kosten. Der Antrag auf Filmförderung wurde für "Falscher Bekenner" wieder zurückgezogen.

Na ja, das ist insofern missverständlich, als es ja in Deutschland eine Förderpraxis gibt, die Förderung immer mit Fernsehgeldern verknüpft. Du bekommst also keine Förderung, wenn du nicht nachweisen kannst, dass du 150%, also Ländereffekte, 50% von dem Geld, das du von der Förderung bekommst, im Land ausgibst. Woher kommen nun die fehlenden 50%? Die müssen ja von einem freien Investor kommen. Das ist de facto immer das Fernsehen, das heißt, ohne Fernsehen kann man keine Förderung bekommen. Insofern haben wir nicht zurückgezogen, sondern der Sender hat sich zurückgezogen, also konnten wir nicht mehr klassisch gefördert werden. Wir haben dann nach Beendigung des Schnitts eine Postproduktionsförderung bekommen. Das geht, aber es ist natürlich nicht das gleiche.

 

Movie-College: Film ist ja doch eine eher kommerzielle Sparte. Muss man als Nachwuchsregisseur große Einschnitte bei den eigenen Vorstellungen machen?

Film ist ein sehr abhängiges Medium. Man hängt von vielen Leuten, von der Technik ab. Es ist immer eine Kunst des Möglichen. Man setzt sich mit dem auseinander, was man zur Verfügung hat - welche Werkzeuge, welche Leute, wie viel Zeit. Im Rahmen, der so gesteckt ist, arbeitet man dann. Man wird natürlich immer versuchen, diese Bedingungen zu erweitern. Aber jeder Film hat zu wenig Geld. Ob er jetzt 100 Mio. hat oder 100.000 Euro - jeder Film ist unterfinanziert, weil die Phantasie mit Geld nichts zu tun hat. Insofern ist die Auseinandersetzung zwischen diesen beiden Polen immer da, ist aber auch produktiv. Man macht sich auch immer mehr Gedanken, wenn man Restriktionen hat. Ob man so frei sein kann, wie man sich das wünscht hat viel damit zu tun, ob du so stark bist, wie du das dir wünscht.

 

Movie-College: Käme für Sie in Frage, nach Amerika oder Frankreich zu gehen, weil da die Bedingungen besser sind?

Doch natürlich, warum nicht. Man arbeitet da, wo man kann. Es steht zwar vorerst nicht zur Diskussion, aber dagegen spricht nichts.

 

Movie-College: Die Situation ist ja so, dass Nachwuchsregisseure Unterstützung bekommen. Wenn sie einmal etabliert sind, ist es anscheinend schwerer, Geld zu erhalten. Wie sehen Sie darauf bezogen der Zukunft entgegen?

Es stimmt, dass dieser Sprung oft schwierig ist. Es stimmt auch, dass der Nachwuchs gerne gefördert wird. Weil alle auch davon was fürs Ego haben. Sie haben dann jemand "geprägt oder entdeckt" und "er ist noch weich und hoffnungsvoll" usw. Ich werde mal sehen, wie das weitergeht. Ich bin optimistisch, habe aber keine übertriebenen Erwartungen.

 

Movie-College: A propo neuer Ideen. Man spricht ja von der "Berliner Schule". Wie stehen Sie zu der Kategorie. Kann man das überhaupt so zusammenfassen?

Gegen so ein Label habe ich gar nichts. Weil so war das schon immer, man muss Begriffe finden, um etwas zu beschreiben. Was stimmt ist, dass es da eine große Kommunikation gibt und einen Austausch, der darüber hinausgeht, was man jetzt lange Jahre im Film in Deutschland kannte. Man hat jetzt schon eine gemeinsame Sache. Es ist noch weit davon entfernt, eine geschlossene Gruppe zu sein - und das wird es wohl auch nie sein. Aber es ist schon mehr, als nur Bekanntschaft.

 

Movie-College: Das Filmland Frankreich hat ja offensichtlich auch sehr positiv reagiert auf die Filme dieser sogenannten "Berliner Schule". Während in Deutschland das eigentlich noch gar nicht so bekannt war. Das kommt erst. Woran liegt das, dass in Deutschland die deutschen Filmemacher gar nicht so wahrgenommen werden?

Der Begriff, den Deutschland von "Kino" hat, ist einfach ein anderer, als in Frankreich. Und der Film spielt in Frankreich eine größere Rolle. D.h. dort gibt es auch einen größeren "Hunger" nach etwas Neuem. Insofern ist die Wahrnehmung von Regisseuren schärfer, weil es dort eben die große Aufmerksamkeit gibt. Das deutsche Kino sehnt sich nicht nach Neuerungen. Es ist eher so, dass es sich konsolidieren möchte. Und das sind verschiedene Sehnsüchte, die auch mit Strukturen zu tun haben, mit Personen und Traditionen. Mal sehen, ob wir das ändern können, keine Ahnung.

 

Movie-College: Sie haben ja zusammen mit anderen die Zeitschrift "Revolver" gegründet. Was wollten bzw. wollen Sie damit bewirken?

In erster Linie ist sie entstanden als Notwehr gegenüber der Hochschulwirklichkeit, die eben sehr trist war, was die geistige Auseinandersetzung betrifft und wir dann das Gefühl hatten, wir organisieren unser Lernen selbst. Und das ist letztendlich immer noch der Anspruch, man lernt und will sich entwickeln und interessiert sich für Dinge und tauscht sich darüber aus. Die Hochschule ist einfach als Institution - jede Schule - nicht unbedingt geeignet, um so etwas wie Film zu unterrichten. Film ist einfach schwer zu lehren.

 

Movie-College: Wann und warum haben Sie überhaupt den Entschluss gefasst, Filme machen zu wollen? Sie haben ja vorher auch Architektur studiert. War damals schon der Wunsch da?

Das hat sich parallel entwickelt Und letztlich hab ich einfach festgestellt, dass das, was mich an der Architektur interessiert, auch im Film zu verwirklichen ist. Und das, was mich an der Architektur nicht interessiert, im Film nicht vorkommt - oder in anderer Form. Was ich so toll finde am Film, ist seine Wandelbarkeit oder Beweglichkeit im Umgang mit der Welt. Ansonsten sind solche Motive ja immer schwer zu begreifen. "Man macht eben was man macht, weil man ist, was man ist. Und man ist, was man ist, weil man geworden ist." Also... So viel dazu.

 

Vielen Dank für das Interview.

 

Das Interview führte Johannes Prokopp

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