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Scheinbarer Widerspruch

Wie schaffen es Netflix & Co, ihre Angebote selbst für schlechte Internetverbindungen sichtbar zu machen? Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Bandbreiten über welche immer höhere Auflösungen zu den Usern transportiert werden, nicht wirklich größer werden. Da werden Filme in 4K und bald schon in 6K angeboten, gibt es größeren Dynamikumfang per HDR und die Bandbreite der Internetverbindung ist nicht signifikant größer als bei den HD Angeboten. Wie kann das sein?

 

Zauberwort Kompression

Nun man kennt das ein wenig von der Bildbearbeitung. Die Farbtiefe, die Auflösung und die Komprimierung sind entscheidend Faktoren, wenn es um den Speicherplatz und die Bildqualität geht. Wenn man die hohen Auflösungen und Dynamikumfänge nur über extrem schnelle Internetleitungen anschauen könnte, hätten vor allem die Streamer einen viel kleineren Kundenstamm. Niemand erträgt widerspruchslos über längere Zeit das sich drehende Warterädchen mitten im Bild.

Doch die Programmierer von Netflix haben über die Jahre die Kodierung ihrer Streams immer weiter optimiert, um auch über langsame Verbindungen scheinbar höhere Qualität ausliefern zu können. Die Streamer können die Geschwindigkeit und Bandbreite der Kunden erkennen und liefern so angepasste Streams. Früher waren bei langsamen Verbindungen 235 kbps üblich, wer bessere Verbindungen hatte, erhielt 1750 kbps und für HD wurde es 5800 kbps.

 

Ungerechtigkeiten

Irgendwann wurden sie Codecs intelligenter und differenzierten nach Inhalten. Bewegte Actionfilme bekamen mehr Bits als simpel animierte Trickfilme oder ruhig erzählte Arthousefilme. Indirekt bedeutet das ein gewisses Ungleichgewicht, das den Umgang mit verschiedenen Genres angeht. Seltsamerweise war von Seiten der Filmemacher*Innen bisher keine substanzielle Kritik an dieser Ungleichbehandlung zu hören. Der in ruhigen, längeren Einstellungen erzählte Arthouse Film bekommt mit hoher Wahrscheinlichkeit geringere Bitraten zur Verfügung gestellt als selbst der trashigste Actionstreifen.

Es gibt keine direkten Hinweise darauf, dass Netflix & Co gezielt Arthouse-Filme mit einer niedrigeren Bitrate streamen. Es ist anzunehmen, dass Netflix, Prime etc. nicht generell nach Genres priorisieren, sondern nach technischen Faktoren optimieren. Doch wenn man die Algorithmen mit der Bildsprache abgleicht, so kann man davon ausgehen, dass Arthouse-Filme wegen ihres visuellen Stils häufig mehr Möglichkeiten zur Datenreduktion bieten und deshalb nicht die gleiche technische Bildqualität aufweisen, wie große Blockbuster-Produktionen.

Bei älteren Arthouse Filmen liegen oft keine hochwertigen Abtastungen vor. Und neue Scans samt digitalem Remastering sind teuer und werden für Arthouse eher selten hergestellt. Daher liegen diese älteren Arthouse-Klassiker meist in schlechteren Ausgangsformaten vor, was natürlich auch einen Einfluss auf die kodierte Streaming-Qualität hat. In Blockbuster Klassiker wird eher in aufwendigere Remastering-Prozesse investiert, wodurch ihre Bildqualität sichtbar besser ausfällt.

Grundsätzlich ist zudem davon auszugehen, dass bei den großen Streamingdiensten eine Priorisierung von Mainstream-Inhalten stattfindet. Sicherlich werden durch Datenanalyse und Nutzerpräferenzen deutlich mehr Ressourcen für die Kodierung von Blockbustern und populären Serien bereitgestellt, die häufiger abgerufen werden. Vermutlich erhalten kleinere, weniger häufig abgerufene Filme (wie viele Arthouse-Werke) aus diesem Grunde weniger Priorität bei der Optimierung der Bildqualität.

 

Szenenweise

Seit 2018 wird bei den Streamern nicht nur generell eine grundlegende Bitrate für den jeweiligen Film ausgewählt, sondern für jede Szenen einzeln. Komplexe Bildinhalte bekommen mehr Bitrate, einfache Inhalte weniger. Das ganze wird natürlich nicht von Menschen in Echtzeit vorgenommen, sondern von Algorithmen, die jeden Film analysieren und die besten Bitraten für jede Szenen festlegen. Über die Jahre haben sich so die Codecs immer weiter verbessert und der Katalog der Streamer wurde bereits ein paar Mal neu codiert um diese Vorteile auch nutzen zu können.

 

Puffer

Dazu gehört auch ein sehr cleveres Datenmanagement, also Puffer, die bemüht sind, dem tatsächlich betrachteten Moment im Programm stets ein gutes Stück voraus zu sein. Doch die Streamer stehen schon vor den nächsten Herausforderungen. Es sollen Life Programme von Events gestreamt werden, wo das Puffern entfällt und auch im Game-Bereich wollen die Streamer aktiv werden.

 

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