Nicht wenige Filme haben diese besondere Kameraposition für wichtige Erzählmomente verwendet. Doch was genau verstehen wir darunter? Nun bevor wir den Begriff genauer erklären, wollen wir mit seiner missbräuchlichen Verwendung ein wenig aufräumen. Die falsche Annahme, damit sei eine besonders gute, quasi eine "Spitzen-Einstellung" gemeint, führt regelmäßig zum Einsatz etwa als Firmenbezeichnung als Benennung von Einwegkameras oder auch für eine simpel gestrickte App die als Tool beworben wird, man könne damit schnell lernen Spitzenfilme zu drehen. Um diese Irritation zu umgehen, verwenden viele Filmschaffende auch den Begriff "Overhead-Shot".
Definition
Während die sogenannte Vogelperspektive die Aufnahme von Oben auf ein Geschehen meint, die aus unterschiedlicher Höhe und mit underschiedlichem Kamerawinkel aufgenommen sein kann, kennt der Top-Shot nur den absolut senkrechten, 90 Grad Winkel zum Motiv.
Gerade weil diese Perspektive sehr ungewöhnlich ist, wird sie einerseits elten und wenn dann oft für besondere Momente im Film eingesetzt. Verglichen mit der Vogelperspektive ist die Kamera beim Top-Shot stets nah an der Handlung bzw. an den handelnden Personen dran. Das maximale Gegenteil von dem Top Shot wäre der/die sogenannte Worm’s Eye View (also die Perspektive eines Wurms), die etwa manchmal bei Beerdigungsszenen aus der Position des Sarges im geöffneten Grad verwendet wird.
Topshots können verschiedene Wirkungen erzielen, hier seien nur die wichtigsten genannt:
- Durch die extrem aufsichtige erhöhte Perspektive können Filmfiguren oder auch Tiere in ihrer Bedeutung herabgesetzt, können anonym und unbedeutend werden.
- Top Shots können komplexe Situationen verdeutlichen, etwa wenn bei Kriminalfilmen die Positionen von Tätern und Polizei aufgezeigt werden sollen. In Actionfilmen werden bestimmte Bewegungen durch Räume und Situationen besser nachvollziehbar. Derartige Übersichten sind im Film häufiger geworden, seit diverse Simulationsspiele aus dem Computer Game Bereich erfolgreich mit dieser Perspektive gearbeitet haben.
- Man kann, insbesondere bei Tanz, Ballett etc. aus den Positionen der Tanzenden, oder auch Schwimmenden zueinander, Muster und Ornamente sichtbar machen. Der US Regisseur Busby Berkeley (Parade im Rampenlicht, USA 1933) oder George Sidney (Badende Venus, USA 1944) setzten in ihren Filmen häufig diese grafische Wirkung ein. Bis heute kommen Filme in denen Synchronschwimmen gezeigt wird, nicht ohne diese Kameraposition aus.
- Man kann eine unwirkliche, eine irritierende Bildwirkung erzielen.
- Bei Aufnahmen von Objekten, insbesondere von Geräten oder auch Nahrung bietet der Top Shot eine interessante, grafische Wirkung. Deshalb findet man ihn häufiger bei Imagefilmen oder in der Werbung, etwa bei der Aufsicht von Tellern mit zubereiteten Speisen. Objekte wirken als Top-Shot oft attraktiver, zudem ist es eine sehr besondere Perspektive, welche hohe Aufmerksamkeit erreicht.
- Top-Shots werden sehr gerne verwendet, wenn die Filmfiguren sich nicht horizontal, also gehend oder laufend, sondern in der Vertikalen, also Kletternd nach oben oder unten bewegen.
Nebeneffekte
Man sollte sich stets darüber im Klaren sein, dass es sich beim Top_Shot um eine besondere, eine ungewöhnliche Perspektive handelt, mit ziemlicher Sicherheit wird diese die Zuschauer aus der filmischen Illusion herausreißen. Deshalb sollte man schon gute Gründe dafür haben, sie einzusetzen.
Bei der relativ häufigen Variante, dass ein oder mehrere Schauspieler auf dem Rücken liegen und nach oben schauen, (Im Bett, auf einer Couch, auf einer Wiese etc.) wirken die Gesichter seltsam verändert. Es ist nicht unbedingt vorteilhaft, wenn das Gesicht, wenn die Gesichtszüge sich nach unten, zur Oberfläche, auf der man liegt, verschieben. Diese Position ist, zumindest für Darstellung von Menschen, wenig vorteilhaft.
- In Hitchcocks Psycho (1960), wird der Mord an dem Detektiv vom oberen Ende der Treppe im Haus der Bates‘ gezeigt, wodurch es Hitchcock gelingt, die Identität des Mörders weiterhin zu verbergen.
- In American Beauty finden sich mehrere ikonographische Top-Shots, darunter jenen mit dem Mädchen auf einem Bett aus tiefroten Rosenblättern.
- In "Minority Report" gibt es Szenen in denen Tom Cruise an Gerüsten nach oben steigt, die von oben aufgenommen sind.
- Wes Anderson scheint diese Kameraposition zu lieben und hat in diversen Filmen Detailaufnahmen als Top-Shot gedreht. Derartige Top-Shots können sehr gut als Subjektive einer Filmfigur Verwendung finden,- man zeigt, wie der Filmfigur ein Detail auffällt.
Diese Kameraposition ist nicht so einfach umzzusetzen, sie benötigt besonderes Equipment. Um Topshots zu drehen, benötigt man besondere Befestigungen für die Kamera. Wenn man etwa den sehr beliebten Top-Shot auf eine oder mehrere im Bett liegenden Personen aufnehmen möchte, so kann man das mit Hilfe eines Auslegers oder Jib-Arms realisieren. Die Kamera befindet sich dann senkrecht über der Person und sollte unbedingt durch Stahlseile oder Spanngurte gesichert werden, denn die kleinen Kamera-Bodenplatten und der Schnappmechanismus mit denen sie am Schwenkkopf befestigt sind, sind nicht dafür ausgelegt, das gesamte Gewicht von Kamera und Objektiv sicher zu halten.
Es gibt durchaus auch Schwenkköpfe, welche es zuklassen, dass man 90 Grad senkrecht nach unten filmt, allerdings hätte man dann bei weiteren Bildwinkeln auch die Stativbeine im Bild. Man müsste also das Stativ etwas schräg stellen, dass es also zur Aufnahmeseite hin etwas überkippt und zur Sicherung verspannen oder festhalten, dann sind die Beine nicht zu sehen.
Theoretisch sind auch Reprostative, also Stativsäulen wie sie aus der Fotografie bekannt sind geeignet oder wenn die Kamera nicht geschwenkt wird, es sich um eine statische Aufnahme handelt, kann vielleicht schon eine Uniklemme an einem Rigg mit einem Zapfen mit Kameragewinde ausreichen.