Essen und seine Zubereitung gehören zu den medialen Spitzenreitern im TV und Online. Wie dreht oder fotografiert man Speisen optimal?
Seit Jahrzehnten überschwemmen Kochshows die diversen Fernsehkanäle, thematisieren Kinospielfilme wie „Toast", „Eat Drink Man Woman", „Julie und Julia", „I am Love" oder „Babettes Fest" die Bedeutung der Essenszubereitung, doch das Web übertrifft all dies inzwischen mit millionenfachen Clips zu Zubereitung und Verzehr von Nahrungsmitteln.
Letzterer Punkt ist relativ abhängig vom Kulturkreis, mit dem Verzehr ist das tatsächliche Aufessen gemeint, also keine Pseudoprominenten-Essen bei denen die Tischrunde lediglich die Kulisse bietet für mehr oder weniger tiefgründige Gespräche, sondern Aufnahmen, bei denen man Jemand beim Essen zuschauen kann. In Südkorea nennt sich diese besondere Form „Meokbang" und kennt mehrere tausend Online-Kanäle.
Während letztgenannte Videos (die Engländer sprechen auch von Food-Porn) auch kommunikative Zwecke erfüllen und einsamen Menschen per Display Gesellschaft bei deren Single-Mahlzeiten bieten sollen, möchten wir uns einmal genauer anschauen, wie es um jene Filme steht, bei denen die Nahrungsmittel möglichst frisch und appetitlich präsentiert werden sollen. Ob man diese filmt oder fotografiert, macht von den grundsätzlichen Überlegungen her, fast keinen Unterschied.
Aufbau und Präsentation
Bevor man auch nur den kleinsten Kochlöffel in die Hand nimmt, sollte man zunächst einmal den gesamten Aufbau und die Ausleuchtung vorbereitet haben. Die Speisen sollten möglichst am Rande des Sets zubereitet werden. Es versteht sich von selbst dass man nur ganz frische, makellose Zutaten besorgt, ohne Flecken, Druckstellen etc. Viele Produkte sollen, falls sie nicht vor laufender Kamera verzehrt werden müssen, gar nicht ganz ausgegart werden, manchmal reicht es, sie nur zu blanchieren, das bedeutet sie kurz in kochendes Wasser zu geben. Das ist bei vielen Gemüsen zu empfehlen um die Farbe zu bewahren.
Der Situation und den Nahrungsmitteln entsprechend, sollten die Deko, die Requisiten etc. gewählt sein. Im Spielfilm wird dies durch die Szene oft vorgegeben, doch auch hier macht es Sinn, etwa die Farbigkeit der Lebensmittel und die des Geschirrs sowie des Untergrunds (Tischdecke, Holzplatte etc.) aufeinander abzustimmen. Je wichtiger die Produkte sein sollen, desto neutraler bzw. dezenter sollte die Umgebung gewählt sein.
Filmleute wissen, dass reines Weiß für Kameras nicht leicht zu bewältigen ist. Eine leichte Tönung etwa eines weißen Tischtuchs (wenn es denn unbedingt weiß sein muß) etwa eierschalenfarbig, kann schon helfen. Auch eine schöne Holzmaserung kann als Untergrund geeignet sein. Der Untergrund kann auch auf die Speisen verweisen, ob es eher rustikal, natürlich, feiner oder gar asiatisch ist. Dunkle Steinplatten oder Bambus passen besser zu asiatischer Küche.
Geschirr und Anordnung
Das Geschirr sollte ebenfalls weder durch Farbgebung noch durch Muster, zu sehr von dem eigentlichen Gegenstand ablenken. Es sollte das Essen gut zur Geltung bringen. Kontraste sind hier sinnvoll. Dunklere Gerichte/Nahrungsmittel kommen auf hellem Geschirr und helle Gerichte auf dunklerem Geschirr besser zur Geltung.
Um den Teller und das Essen herum sollte genügend freier Raum vorhanden sein, zu enge Ausschnitte sind nicht immer sinnvoll. Manchmal zeigt man auch Schalen mit den Gerichten und dazu Teller, auf denen man eine Portion des Essens angerichtet hat.
Gilt es, verschiedene Gegenstände zu drapieren, sollte man zumindest im westlichen Kulturkreis, bedenken, dass unserer Leserichtung entsprechend, Bilder eher von links nach rechts entschlüsselt werden. Soll das Essen im Mittelpunkt stehen, kann man durch diagonale, von links nach rechts führende echte oder imaginäre Diagonalen den Blick auf das Essen lenken.
Dekoration
Gerade, wenn es um Atmosphäre geht, macht es sich gut, Requisiten rund um das Essen zu platzieren. Will man eine Situation erzählen, in der gegessen wird, ist der Tisch entsprechend rustikal oder edel zu decken. Gläser oder Flaschen können hier durch die Lichtspiegelungen, selbst wenn diese in der Unschärfe liegen, starke Akzente liefern.
Will man, etwa bei Filmen, welche die Zubereitung des Essens thematisieren, das Endprodukt präsentieren, sind auch Zutaten (z.B. frische Tomaten, Knoblauch und Basilikum neben dem Teller frischer Pomodoro-Pasta) sowie Gewürze sehr überzeugend. Auch frische Kräuter machen sich als Beigabe immer hervorragend.
Überhaupt machen sich Assoziationen zu den jeweiligen Ländern, aus denen die Gerichte stammen, sowie zu den Zutaten, aus denen sie entstanden sind, immer gut im Bild.
Hintergrund
Grundsätzlich gibt es hier keine konkreten Vorschriften. Der Hintergrund darf auf keinen Fall ablenken, dies sollte man durch Farbwahl aber auch durch Unschärfe im Hintergrund unterstreichen. Auch bei Aufnahmen von Nahrungsmitteln kann es nichts schaden, wenn man die Regeln des goldenen Schnitts kennt und genau wie bei Naturaufnahmen beispielsweise die horizontale Tischkante entweder auf die untere oder die obere Drittel-Teillinie legt.
Anordnung des Essens
Speziell in der Werbung ist dies eine Kunst für sich. Da wird sehr präzise und meistens mit der Pinzette all das, was Appetit anregen soll, auf den Teller drapiert. Kleine Portionen sind vorzuziehen, es sei denn eine Szene will bewusst den überladenen Teller betonen.
Auch hier sollten Gestaltungsprinzipien herangezogen werden. Chaos auf dem Teller erzeugt Ablehnung. Klare Formen sprechen dagegen an. Gehört die Aufnahme zu einer Spiel,- oder Kochfilmszene muss man natürlich darauf achten, dass es nicht zu steril aussieht und man glaubhaft machen kann, dass auch von dem Teller gegessen wird.
Es lohnt sich, vor allem, wenn Teller und Nahrung sehr präzise fokussiert werden, auch darauf zu achten, dass man auf dem Geschirr oder den Gläsern keine Fingerabdrücke hinterlässt. Foodstilisten verwenden häufig weiße Baumwollhandschuhe.
Grundsatzentscheidung
Beim Film wird immer gemogelt. Und bei Aufnahmen von Nahrungsmitteln noch viel mehr. Der Grad an Schummelei ist sehr davon abhängig, ob das Essen auch bei laufender Kamera verzehrt werden soll, oder ob es rein dekorativ möglichst optimal präsentiert werden soll.
Die Palette der Hilfsmittel und Tricks, das Essen frisch und attraktiv darzustellen ist groß und reicht von harmlosen Hilfsmitteln wie Wasser oder Öl bis hin zu eher gruseligen Beigaben wie Haarspray.
Unsere Liste mit Stilingtipps für Essen, die optisch wirkungsvoll, aber nicht unbedingt immer appetitanregend sind, liefert zahlreiche Tipps und Beispiele.
Kameraausrichtung
Da wir meistens zweidimensional drehen, sollte der Kamerawinkel die Plastizität des Essens/der Nahrungsmittel unterstreichen. Top-Shots von oben auf einen Teller können leicht flächig wirken, auch wenn die grafische Wirkung manchmal ganz reizvoll sein kann.
Wenn das Essen nicht gehäuft, sondern flach ist, wie etwa eine Suppe, kann eine Aufsicht trotzdem besser aussehen, weil der Charakter der Suppe besser zur Geltung kommt.
Wie draußen in der realen Welt, gelten auch bei Aufnahmen von Nahrungsmitteln die physikalischen Gesetze. Der Pegel von Getränken in Gläsern sollte in der Kadrierung (Framing) stets waagerecht sein. Das bedeutet, man muss seine Kamera bzw. den Schwenkkopf seines Stativs stets ins Wasser stellen, also auf die Libelle im Schwenkkopf achten und die Kamera absolut gerade ausrichten.
Ausleuchtung
Grundsätzlich ist für unsere Zwecke weiches Licht zu empfehlen, gerne auch Tageslicht (keine direkte Sonne!), welches unnachahmlich weich ist. Ausnahme sind natürlich Szenen, in denen eine eher romantische Candlelight-Situation erzählt wird. Hier bietet sich eher Kunstlicht als Lichtquelle an, welches aber ebenso weich sein sollte.
Licht aus der Kamerarichtung erzeugt zumeist flächige, nicht plastische Aufnahmen. Die Hauptlichtquelle sollte also nicht aus Kamerarichtung frontal auf den Tisch bzw. das Essen leuchten.
Interessanter wird es, wenn man mit weichem Gegenlicht arbeitet und zudem links und/oder rechts vom Shooting-Motiv große neutralweiße Reflektoren anbringt. Als Reflektoren eignen sich bestens „Depron"- Platten aus dem Baumarkt, sie sind ähnlich wie Styropor, aber dünner und vor allem biegsam. Damit lassen sich gut gebogene Reflektoren formen, die man mit einer Klemme an einem Lichtstativ befestigen kann. Weiches Licht ohne harte Schatten,- das ist die Grundregel für die Ausleuchtung von Essen.
Sehr praktisch sind auch Fluoreszenz-Leuchten, Frostrahmen oder Softboxen. Generell sollte man versuchen, Lichtquellen zu verwenden, die wenig oder gar keine Hitze produzieren, damit die frischen Zutaten wie Salatblätter oder Gartenkräuter nicht allzu schnell dahinwelken.
Objektive und Belichtung
Verzerrungen aller Art deformieren die Darstellung des Essens, Weitwinkel sind daher nur zu empfehlen, wenn man aus dramaturgischen Gründen (vielleicht als Subjektive) erzählen möchte, dass Protagonist-inn-en das Essen vor sich auf dem Teller eher ablehnen. Soll das Essen ansprechend aufgenommen werden, sollte höchstens ein leichter Weitwinkel, besser Normalbrennweite oder noch besser ein leichtes Tele Verwendung finden.
Es macht wenig Sinn, bei Essenaufnahmen den Macrobereich des Objektivs nutzen zu wollen, und dem Essen zu dicht auf die Pelle zu rücken. Meist kommen dabei unschöne Details von Oberflächen zu Tage, die den Appetit weniger anregen.
Wenn man nicht aus dramaturgischen oder Anschlussgründen, leichte, duftige, dafür flauere Aufnahmen bevorzugt, sollte man es vermeiden, mit offener Blende zu drehen. Fast alle Objektive zeichnen hier diffuser, bereits eine Blende abgeblendet, werden die Kontraste deutlich besser.
Da war doch noch etwas...
Insbesondere bei frischen Zutaten, frisch zubereiteten Speisen kommt es, wie im Restaurant auf den Zeitfaktor an. Alles soll frisch aussehen. Wie man da trotz langer Drehtage und unzähliger Wiederholungen der Takes nachhelfen kann, erklären wir in einem weiteren Artikel: Food Styling