Zu den Eigenschaften, welche den wahren Cineasten an Video am wenigsten gefallen, gehört vermutlich die im Vergleich zu 35mm Film gigantische Schärfentiefe. Hauptgrund dafür sind die kleinen Kamerachips, die mit 1/3 oder 2/3 Inch nur einen Bruchteil von der Größe eines 35mm-Filmbildes haben. Für Beauty Shots in den einschlägigen Glamourmagazinen werden von den Fotografen sogar gerne Mittelformatkameras genommen (6x6 oder 6x9 cm); deren Aufnahmeformat ist noch weitaus größer als 35mm (Kleinbild) das reduziert die Schärfentiefe noch weiter.
Video war davon lange Zeit gigantisch weit entfernt. Erst mit dem Aufkommen größerer Kamerasensoren von MFT über APS C bis hin zu den sogenannten Vollformat DSLR erfüllen heute die Kameras selbst die Wünsche der Filmemacher nach reduzierter Schärfentiefe. Doch das war nicht immer so. Für viele Jahre war Video wegen der kleinen Sensoren bei kleinen Blenden vor allem mit nahezu durchgängiger Schärfe ausgestattet. Gewiss, Orson Welles hatte einst gewaltige Mühe, für seinen "Citizen Kane", den Musterfilm in Sachen große Schärfentiefe, gewaltigen Aufwand treiben, um Bilder herzustellen, die in Vorder-, Mittel- und Hintergrund scharf waren. Er hatte aber auch den Vorteil, in Schwarzweiß zu drehen, was sicherstellt, dass man über den Lichtkontrast allein schon die Darsteller hervorragend vom Hintergrund lösen kann. Doch wer auf Farbe dreht, dem wird recht schnell klar, wie wertvoll es ist, den Hintergrund auf Wunsch in die Unschärfe zu legen und die Darsteller damit deutlicher zu betonen.
Lösungen
So konzentrierten sich viele Bastler, aber auch professionelle Konstrukteure darauf, Methoden zu entwickeln, auch mit Videokameras mit kleinen Sensoren die Schärfentiefe zu reduzieren und damit den filmtypischen Look herzustellen. Der Trick, den alle Systeme übereinstimmend nutzen wollten war, mit Foto- oder Filmobjektiven ein Bild im gleichen Format wie ein 35mm-Bild auf einer Mattscheibe abzubilden und mit der Videokamera (Macroeinstellung, ggf. zusätzliche Nahlinse) abzufilmen. Es wurde also ein anderes optisches System als das der Videokamera verwendet, um diesen Look zu erzeugen. Auf diese Weise werden die Schärfentiefebedingungen aus dem Kinobereich auf Videokameras übertragen.
Mattscheibenstruktur
Im Prinzip existiert das Verfahren in der Fotographie und im Film seit langem - im Spiegelreflexbereich, wo eine Mattscheibe zum Einstellen des Bildes verwendet wird und beim Auslösen oder beim Drehen auf Film belichtet wird. Eine solche Mattscheibe ist aus Glas oder Kunststoff, welches möglichst fein angeschliffen ist. Diese Mattscheiben sind zum Einstellen des Bildes optimal geeignet, wenn man sie allerdings für einen 35mm-Adapter verwenden will, würde beim Abfilmen des Bildes die Mattscheibenstruktur sichtbar. Mattscheiben wirken immer leicht körnig. Alternativ haben diverse Tüftler sogenannte GGSS (Ground Glass Sandwich System)-Mattscheiben verwendet, im Prinzip zwei optische Gläser, dazwischen eine feine Parafinschicht. Andere wieder schwören auf Nikon-D-Mattscheiben, deren Struktur so fein sei, dass man sie nicht bemerkt. Ein anderer Ansatz sind Lichtleiterplatten. Sie sind aus einer großen Zahl an Lichtleitern hergestellt und haben eine Auflösung von ca. 0,007 mm.
Auf der kommerziellen Seite hat als erstes die Firma P&S-Technik eine Lösung dafür gefunden, indem die Mattscheibe zunächst rotierend, später oszillierend verwendet wurde. Sind die Strukturen der Mattscheibe bewegt, sieht man diese nicht mehr auf dem Video. Die Idee einer drehenden Scheibe haben unter anderem die so genannten Regenabweiser vorgegeben, rotierende Glasscheiben vor dem Kompendium, welche so schnell drehen, dass auftreffende Regentropfen sofort weggeschleudert und damit unsichtbar werden. Besonderes Merkmal der P&S-Adapter ist das Objektivbajonett, welches die Verwendung von professionellen Filmobjektiven erlaubt. Ein relativ neues Konkurrenzprodukt kommt von der Firma Kinematik und heißt "Movietube". Im Gegensatz zum P&S-Adapter wird die Kamera in einem 45-Grad-Winkel zum Adapter angebracht. Movietube verzichtet auf eine rotierende Mattscheibe durch Verwendung einer besonders feinen mikrokristallinen Mattscheibe. Angeboten werden neben PL-Mount und Panavision diverse Objektivanschlüsse, darunter auch solche für alle wichtigen Fotoobjektive.
Eigenbau
Selbstgebaute Systeme verwenden eher Fotobajonette, diese sind von den optischen Verhältnissen sehr ähnlich wie 35mm-Filmobjektive. Sie sind leichter verfügbar, indem man defekte Fotoapparate zerlegt. Auch die Objektive sind in der Regel preisgünstiger als die Filmoptiken. Manche Bastler haben auch Systeme gebaut, bei denen ein portabler CD-Player, eine durchsichtige CD, wie sie bei Bulkware meistens zuoberst liegt, fein geschliffen wurde und das Bild auf eine (CD-Player) rotierende Mattscheibe projiziert wird. Weitere Alternativen verwenden statt einer geschliffenen Mattscheibe zwei Glasplatten, in die eine dünne Parafinschicht eingeschlossen ist. Diese bildet das vom Objektiv erzeugte Bild ohne Mattscheibenstruktur ab, das Rotieren derselben wird damit überflüssig. Allerdings sollen diese Parafinplatten etwas empfindlich sein. Auch ist die Helligkeit bei manchen Mattscheibenarten nicht immer gleichmäßig, manche sind in der Mitte heller als außen.
Seitenverkehrte Abbildung
Ein weiteres Problem, welches sich stellt, wenn man von einem Objektiv auf eine Mattscheibe abbildet und diese von der Rückseite abfilmt, ist, dass das Bild seitenverkehrt und auf dem Kopf stehend dargestellt wird. Dies kann man zwar in den meisten Schnittprogrammen umrechnen lassen, aber dieser Vorgang ist zeit- und rechenaufwändig. Einige Adapter lösen dieses Problem durch Umlenkspiegel, die im 90-Grad-Winkel zur Mattscheibe angebracht wieder die Seitenrichtigkeit herstellen. Diese Spiegel sollten auch keine normalen Glasspiegel sein, bei dem die Silberschicht hinter der Glasplatte aufgebracht ist, sondern Oberflächenspiegel, mit der Reflektionsschicht oben. Dafür sind aber drei bis vier Spiegel erforderlich, die sehr schwer zu justieren sind.
Einfacher einstellbar sind Kombinationen aus Prismen und Spiegel. Insbesondere Penta-Prismen, wie sie in Spiegelreflexkameras zusammen mit dem schwenkbaren Spiegel verwendet werden, um das Bild seitenrichtig im Sucher darzustellen, tauchen immer wieder in Eigenbau-Lösungen auf. Bei manchen Selbstbauadaptern wird auch die Videokamera auf dem Kopf stehend montiert und das Bild dann wieder aufrecht mit einem separaten LCD-Monitor dargestellt. Wird das Bild dann um 180 Grad im Schnittprogramm gedreht, ist es auch ohne Spiegel seitenrichtig.
Grundsätzlich sind all diese Adapter mit Lichtverlust behaftet. Denn zu dem Lichtverlust des in die Videokamera eingebauten Objektivs (Lichtstärke) kommt der Lichtverlust durch das vorgesetzte Objektiv sowie die Mattscheibe dazu. Man dreht ja mit zwei Objektiven gleichzeitig. Im günstigsten Fall (lichtstarke Objektive sowie hochwertige Mattscheibe) verliert man eine Blende an Licht, also die Hälfte. In ungünstigeren Fällen können auch zwei bis drei Blenden verloren gehen.
Staubfreiheit und Stabilität
Wichtig bei diesen Adaptern ist auch die Freiheit von Staub und Flusen, sie sollten also möglichst hermetisch versiegelt sein. Sonst wird auch die winzigste Staubfluse auf der Mattscheibe noch extrem vergrößert aufgenommen. Ebenso wichtig ist die mechanische Verbindung mit der Kamera. Nicht ohne Grund spendieren professionelle Adapter ihren Konstruktionen ein Gestänge, mit welchem Kamera und Adapter fest verbunden werden. Es kommt gar nicht gut an, während der Dreharbeiten ständig Adapter und Kamera aufeinander nachjustieren zu müssen. Einstellschlitten aus dem Fotobereich sind dafür ideal. Man kann sie ruhig auch gebraucht erwerben, der feinmechanische Aufwand, so etwas selbst zu bauen wäre ziemlich hoch.
Überraschende Erkenntnisse
Sind all diese Probleme überwunden, steht einem filmischeren Look nur noch die Gradation entgegen, also die Behandlung von Helligkeitswerten. Hierfür bieten die besseren Kameras so genannte "Cine-Gamma"-Einstellungen an, welche die Gradationskurve von Filmmaterial zumindest ein wenig simulieren. Will man einen längeren Film in dieser Kombination drehen, sind Tests absolut verpflichtend. Erst auf einem ordentlichen HD-Monitor kann man wirklich beurteilen, ob der Look den eigenen Vorstellungen entspricht. Besonders überrascht sind die Anwender von den Pflichten, die da plötzlich auf sie zukommen. Kein Autofocus mehr, sondern von Hand Schärfe ziehen ist angesagt. Willkommen in der Welt des professionellen Films: Ein geübter Kameraassistent muss unbedingt beim Dreh dabei sein. Und die netten TFT-Displays zum Ausklappen sind zu ungenau, um bei reduzierter Schärfentiefe noch scharf stellen zu können. Ein Kontrollmonitor muss unbedingt verwendet werden. Durch die umfangreichen Anbauten an die Kamera sind die leichten Steadicam-Systeme meistens nicht verwendbar.
Zeitenwende
Heute stehen zahlreiche Kameras mit großen Sensoren zur Verfügung, wodurch die 35mm-Adapter komplett überflüssig geworden sind. Man findet sie ab und an noch in den einschlägigen Versteigerungs-Portalen zu Schleuderpreisen. Adapter, die einst 19.000 Euro gekostet haben, werden da für 200 bis 300 Euro verkauft. Doch wer braucht so etwas noch, wenn kleine Kameras ohne all die Nachteile der Adapter bessere Ergebnisse erzielen?