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Anamorphot Service Vision 4000

35mm Anamorphot von Service Vision mit T 2,2 und Faktor 2x an einer Arri Alexa

 

Bei dem Begriff kommen gleich Kinogefühle in einem auf,- wie kommt man zum klassischen Cinemascope-Look?Zunächst einmal muss man wissen, welchem Zweck Anamorphote eigentlich dienen. Das Höhen-Seitenverhältnis von Breitwand-Formaten ist anders, als das von Fullframe, APS-C = Super 35 oder entsprechende analoge Filmformate. Wollte man so ein Breitwand Format auf die üblichen 4:3 oder 16:9 Sensoren belichten, bliebe stets ein Teil des Sensors oder des analogen Films ungenutzt. Es blieben oberhalb und unterhalb des Breitwand-Bildes ungenutze Streifen.

Um aber die volle Bildqualität des analogen Films oder des Sensors nutzen zu können, wird das breite Filmbild durch anamorphotische Objektive so zusammengequetscht und in die Länge gezogen, dass es perfekt auf ein 3:4 Bildfeld passt. Der eigentliche Grund liegt also in der besseren Nutzung des Aufnahmeformates und nicht darin, einen bestimmten "Look" zu erzeugen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn gar nicht selten werden sogar für 16:9 Fernsehproduktionen, bei denen gar keine Stauchung notwendig wäre, anamorphe Optiken verwendet....

 

Anamorphot Hawk Front 4000

Hawk 70mm Anamorphot, deutlich sieht man das ovale Frontelement, typisch für das anamorphotische Verfahren

 

Viele verbinden mit dem Begriff "Kinolook" nicht nur ein anderes Höhen-Seitenverhältnis, sondern vor allem eine bestimmte Art von Artefakten, ein bestimmte Art der Objektive, Lens Flare zu erzeugen und bestimmte Verformungen auch in den Zersteuungskreisen im unscharfen Bildhintergrund. Das betrifft etwa das Bokeh mit ovalen Spitzlichtern sowie länglichen Blendenabbildungen. Außerdem verändern sie den Schärfentiefebereich.

Dahinter stecken eigentlich immer sogenannte Anamorphoten, das sind Objektive, bei denen ein eigentlich breiteres Bild auf einen schmaleren, zumeist 4:3 Sensor oder Filmformat zusammengequetscht wird. Später wird das dann natürlich wieder entzerrt, doch die dabei entstehenden Bildveränderungen machen einiges von der Magie des Kinos aus. Was es mit diesem besonderen Breitbildformat auf sich hat, erklären wir euch in unserem Breitwand-Artikel.

Eine weitere Besonderheit von Anamorphoten ist es, dass man Nahaufnahmen machen und gleichzeitig das Geschehen im Raum zeigen kann, ohne dass die Gesichter wie bei sphärischen (normalen) Objektiven durch einen Weitwinkel verzerrt werden.

 

Anamorphot Hawk 70 4000

 

Nachdem jahrzehntelange lizenzrechtliche Einschränkungen wegfielen (lange hielt "Panavision" die alleinigen Rechte am anamorphotischen Verfahren) gibt es inzwischen eine Reihe von Herstellern, welche Anamorphote anbieten, sowohl sehr teure für professionelle Kinodrehs, als auch preiswertere aus zumeist chinesischer Produktion für kleinere Budgets.

Wenn man sich für Filmzwecke Objektive auswählt, hat man die Wahl zwischen normalen, sphärischen und anamorphen Linsen. Sphärische Linsen sind kreisrund und anamorphe Linsen sind für die Bildstauchung elliptisch.

Grundsätzlich benötigen Anamorphoten ganz vorne eine zumeist große und schwere anamorphotische Linse, die das Bild optisch zusammenstaucht. Gut erkennbar an der ovalen Form. Es gibt sie, je nach gewünschtem Bildseitenverhältnis mit unterschiedlich starker Stauchung. Übliche Faktoren sind 1, 3, sowie 1,5, 1,7 und 2,0, , wobei ein 2 er Faktor am Besten für 4:3-Sensoren, geeignet ist und am Ende ein 1:2,40-Bild entsteht. Der Faktor 1,33 ist am Besten für 16:9-Sensoren geeignet. Heute meint man mit "Cinemascope" meistens 1:2,39, (SMPTE- Standard).

Rein von der psychologischen Wirkung her, hat man bei voller Nutzung des Bildseitenverhältnisses den Eindruck, weitwinkligere Bilder zu sehen.

 

Nebenwirkungen

Nicht alles, was die Anamorphoten so mit sich bringen, ist wünschenswert. So kann es zum Beispiel beim 35er einzelner Hersteller professioneller Objektive vorkommen, dass sie zu den Rändern deutlich an Schärfe verlieren. Das kann dazu führen, dass etwa Gesichter wenn sie in den oberen Randbereich ragen, unschärfer werden. Oder was auch bei manchen Objektiven passiert, ist sogenannter „anamorphic mumps“ der meint Gesichter, die verbreitert erscheinen. Das hängt damit zusammen, dass einige Anamorphoten je nach Entfernungseinstellung die Aufnahme mit unterschiedlichen Faktoren stauchen, wodurch Gesichter manchmal zu breit abgebildet werden. 

Eine weitere Nebenwirkung, die vor allem die teuren Profiobjektive betrifft,- sie sind meist sehr groß und sehr schwer. Gerade für den Einsatz mit einer Handkamera oder einem Gimbal sind das erhebliche Erschwernisse, im wahrsten Sinne des Wortes.

Außerdem wirken viele anamorphotische Objektive bei offener Blende ziemlich matschig weich, weshalb man besser etwas abblendet. Für die Bildkontrolle sollte man unbedingt einen Bildschirm verwenden, der das Bild wieder auf normal entzerren kann. (DeSqueeze) Bekannte Hersteller anamorphotischer professioneller Objektive sind beispielsweise die Firmen Arri/Zeiss, Atlas, Cooke, Kowa, Vantage, Panavision, Angénieux, Helios etc..

 

MiniHawks

Anamorphot Hawk 70 4000

Professionelle Anamorphoten sind groß und schwer

 

Anamorphoten-Platzhirsch die deutsche Firma Vantage hat inzwischen mit den sogenannten MiniHawks Anamorphoten auf den Markt gebracht, die eigentlich sphärische Objektive sind, der Hersteller spricht hier von "hybriden" Objektiven. Diese besitzen keine anamorphotische Frontlinse, sondern eine zweite Blende, die nicht die Lichtmenge regelt, sondern den Strahlengang regulierbar oval formt. Damit werden Look & Feel von anamorphotischen Linsen emuliert. Ein eigenes Patent von Vantage, diese Anamorphoten werden uns nur als Hawks begegnen.

Durch den Wegfall des anamorphotischen Frontelements können die Objektive lichtstärker (T 1.7), deutlich kleiner und leichter gefertigt werden und sind auch einfacher zu handhaben. Sie haben extrem kurze Mindestabstände, ab denen sie scharf zeichnen können. Zudem sie sind gut korrigiert was geometrische Verzerrung angeht und auch das "Lens Breathing", das Atmen beim Verstellen der Schärfe ist reduziert. 

Um es gleich vorweg zu nehmen,- sie liefern optisch sehr viel von dem, was man an Kinolook mit Anamorphoten verbindet, bis auf die typischen Lens Flares bei punktförmigen Lichtquellen im Bild. Diese Querstreifen kann man aber theoretisch in der Postproduktion hinzurechnen (siehe unten).

 

Anamorphote Service Vision 3 4000

 

Low Budget Anamorphoten

Die Laowa Nanomorphs (Hersteller: Venus Optics) gibt es mit  27, 35 und 50mm Brennweite und verschiedenen Kameramounts (Canon EF und PL-Mount). Die drei Festbrennweiten haben, bis auf das 27mm, eine T 2.4, der Weitwinkel hat eine T 2.8. Sie alle quetschen das Bild um den Faktor 1,5 und besitzen echte Zahnkränze für Follow-Folus Betrieb.

Sie bringen vieles von dem mit, was man sich von echten Anamorphoten erhofft, sind dabei aber erfreulich leicht und kompakt. Auch preislich sind sie interessant, das einzelne Objektiv soll etwa 1500,- Euro kosten. Eine wichtige Auffälligkeit,- die Lens-Flare Querstreifen bei Gegenlicht fallen bei den Laowas leider nicht neutral sondern rötlich oder bläulich aus. Welche Farbrichtung man bevorzugt, muss man beim Kauf mitentscheiden, es gibt die Objektive nämlich in „amber“ und „blue“.

Hersteller SLR Magic bietet mit seinem 1,33x - 65 Anamorphic Adapter einen Vorsatz für eine Bildstauchung um den Faktor 1.33. Er ist optimiert für die SLR Magic Micro Primes (21, 35 und 50 mm), arbeitet aber auch mit anderen sphärischen Objektiven zusammen.

Recht preiswert sind die Sirui 24mm, 35mm, 50mm und 75mm 1.8 1.33X Anamorphote für MFT bzw. mit  1.6x  als 50mm T2.9, für Full Frame.

In einer etwas höheren preislichen Liga sind die Anamorphoten von Vazen angesiedelt. Vazen 28 mm T/2.2 1.8x, 40 mm T/2 1.8x, 65 mm T/2 1.8x , für MFT.

Preiswerter sind die Objektive des chinestischen Herstellers "Great Joy". 60mm, T 2,9, 1,8x. Ferner gibt es noch Anamorphoten von Atlas, Kowa Anamorphic,Moment Anamorphic Lens und anderen.

 

Adapter & Software

Eine weitere, aber im Handling und der Anmutung nicht so perfekte Lösung sind Vorsätze vor bestehende Objektive, so genannte Anamorpotische Adapter.

SLR Magic Anamorphot-50 2.0x Anamorphic Adapter, den Great Joy 1.35X Anamorphic Adapter.

Es gibt auch die Möglichkeit, in der Postproduktion einige der Artefakte, welche Anamorphoten aufweisen, über die Aufnahmen drüber zu legen. So kann man von PremiumBeat teilweise kostenlose "Flares" herunterladen, die mit Adobe Premiere Pro, Adobe After Effects, und Final Cut Pro funktionieren.

 

Fazit

Aufwand und zusätzliches Gewicht sind nicht zu unterschätzen. Mit Anamorphoten wird der Workflow schwerfälliger und wenn man professionelle Objektive mietet, auch spürbar teurer. Ein Film wird nicht automatisch wertiger, wenn man Anamorphoten verwendet, es sich andere Rezepturbestandteile wie Story, Licht, Schauspieler*Innen und Inszenierung, die viel mehr zu einem guten Ergebnis beitragen.

Es gibt eine große Zahl an hervoragenden sphärischen Objektiven, die ebenfalls Charakter, ja Magie in sich tragen. Wie so oft, ist es auch eine Geschmacksfrage, was die Anamorphoten für einen selbst bedeuten. Sicherlich gibt es auch Genres, wie etwa Science Fiction, wo man die Lens Flares von Cinemascope gerne zitieren möchte, da sind anamorphotische Linsen vielleicht am sinnvollsten.

Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass die Herstellung guter Anamorphoten schwierig und aufwändig ist. Selbst professionelle Objektive, die mehrere zehntausend Euro kosten, haben teilweise unschöne Bildschwächen, die man nicht so einfach als "Look" abtun kann. Es liegt nahe, dass sich bei den preiswerteren Anamorphoten aus Asien zusätzliche Abbildungsfehler einstellen. Also unbedingt testen und herausfinden, welche Objektive den eigenen Anforderungen am ehesten nahe kommen.

 

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