Tuchfühlung
Dreharbeiten sind besondere Situationen, nicht selten sehr anstrengend. Was tun, wenn es Konflikte gibt?
Drehzeit – für einige Wochen oder Monate werden sehr viele Menschen, die sich vielleicht vorher nicht kannten, und die alle ihre ureigene Biographie mitbringen, sehr intensiv zusammenarbeiten und ein kleines Stück Lebenszeit miteinander verbringen. Kommt es zu schwerwiegenden Störungen in diesem Mikrokosmos, der sich Team nennt, sind Produktionsleiter und Produzent gefordert, mit Menschenkenntnis, Sachverstand und Feingefühl Schaden vom Filmprojekt abzuwenden.
Alleskönner
Auch wenn Sie sich nicht auf Ton, Bild, Schnitt, Licht oder Kamera spezialisieren wollen und diese Themen Sie wenig interessieren: Als Produzent sollten Sie versuchen, Ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zu vertiefen. Ihr Wissen benötigen Sie nicht nur in direkt kreativen Aufgaben, sondern auch in der Organisation. Es hilft Ihnen einzuschätzen, wie Zeitaufwand, Kosten und Qualität zusammenhängen aber auch dabei, die Ursachen für mögliche Fehler konkret herausfinden zu können.
Sie müssen lernen, Ihre eigene und die Arbeit des ganzen Teams von der Beobachtung am Drehort, ganz besonders aber von den Filmmustern her beurteilen zu können. Sie haben nicht die Zeit, bis zum fertig geschnittenen Film zu warten, um zu wissen, was gut, was schlecht gemacht wurde. Wenn das Material abgedreht ist, interessiert sich niemand für Ihre logischen Erklärungen, warum bestimmte Bestandteile des Filmes nicht so gut gelungen sind.
Suboptimale Ergebnisse
Selten wird es gelingen, in allen Arbeitsbereichen die absolut besten Mitarbeiter zu verpflichten. Und Sie werden auch damit leben müssen, wenn beim Dreh Teilbereiche nicht absolut optimal ausfallen. Womit Sie aber nicht leben sollten, sind eindeutige Unfähigkeiten, welche sogar die Dreharbeiten oder die Verwendbarkeit des gedrehten Materials in Frage stellen:
Scheuen Sie sich nicht, so schwer es auch fällt, Teammitglieder auszuwechseln, wenn diese die hochwertige Arbeit des ganzen Teams durch Nachlässigkeit oder Unfähigkeit gefährden.
Wir hatten in einer Produktion einmal einen Kameraassistenten, der die Entfernung von der Kamera (Bildebene) bis zu den Schauspielern nicht mit dem üblichen Maßband maß, sondern seine Arme in die Luft streckte und mit „geschultem Auge“ schätzte. All dies mit einer Mimik unantastbarer Professionalität. Auf Nachfragen meinte er, er wisse, was er tue und verbat sich jede Einmischung. Die ersten Unschärfen in den Filmmustern schob er den Optiken zu. Wir ließen sie überprüfen, sie waren in Ordnung. Vermutlich sei die Kamera, genauer deren Auflagemaß, nicht in Ordnung. Wir wechselten die Kamera. Die neue Kamera änderte an gelegentlichen Unschärfen trotzdem nichts. Sie können sich denken, was bzw. wen wir als nächstes auswechselten... Von da an waren sämtliche Aufnahmen gestochen scharf.
Dunkle Aura
Es kann auch vorkommen, dass Mitarbeiter sich in einer persönlichen Krise befinden und durch extrem negative Kommentare und Äußerungen ein ganzes Team in Lähmung versetzen können. Damit sind nicht Situationen gemeint, in denen jemand etwa einen Trauerfall zu beklagen hat. Das kann im wirklichen Leben und bei Dreharbeiten immer auftreten. Ein Filmteam kann damit umgehen und auch für die Betroffenen ist die Arbeit am Projekt unter Umständen hilfreich, den Schmerz zu überwinden.
Eine Regieassistentin brachte, aus welchen persönlichen Gründen auch immer, in den Vorbereitungen zu einem Spielfilmprojekt durch Äußerungen wie „Das kann man nicht schaffen...“ und „Den Dreh muss man doch abbrechen...“ eine so negative Grundstimmung auf, dass auch andere Mitarbeiter an dem Projekt zu zweifeln begannen. Dass die Regieassistentin auch in ihren Vorbereitungen auf der Stelle trat, versteht sich von selbst. Der Drehbeginn schien unter diesen Umständen gefährdet. Man trennte sich im gegenseitigem Einvernehmen. Die neue Regieassistentin machte ihren Job vorbildlich und die Dreharbeiten verliefen einwandfrei.
In einem solchen Fall sollte der Produktionsleiter oder Produzent möglichst bald das Gespräch mit dem oder der Betreffenden suchen und versuchen herauszufinden, wie man helfen kann und wie man einen Weg aus der Krise findet. Manchmal muss man sich aber auch trennen.
Spannungen
So wie bei Dreharbeiten häufig Freundschaften entstehen können, so sind auch Animositäten einzelner Mitarbeiter untereinander möglich. Spätestens wenn ein großer Teil der Energien in gegenseitige Beschimpfungen und Aggressionen gegeneinander investiert werden, sollten Sie die Notbremse ziehen und das Gespräch zwischen den Parteien suchen. Wenn Ihre mündliche (Zeugen) oder schriftliche Abmahnung keine Besserung erbringt, ist eine Trennung wie immer nicht auszuschließen.
Diese Beispiele sind nicht gedacht, Sie zu erschrecken. Aber obwohl die Atmosphäre bei Dreharbeiten in aller Regel freundlich ist, so können auch hier Problemsituationen entstehen. Siehe auch: Problememacher.