Multiplikatoren
Massenszenen sind aufwändig und teuer, vor allem weil man unzählige Komparsen casten, verpflegen und bezahlen muss. Wenn man denn auch noch ohne Honorar nur auf Goodwill zahlreiche Menschen in den Bildhintergrund locken will, wird es schnell eng.
Hier helfen aktuelle Tricktechniken weiter, mit denen man eine überschaubare Anzahl von Komparsen so visuell kombiniert, dass sich ihre Zahl deutlich vervielfacht. Crowd Replication wurde zunächst vor allem für Filme von großen Studios verwendet, weil die Technik hierfür teuer war.
Inzwischen aber ist der Aufwand auch für Low-Budget Produktionen und Hochschulfilme überschaubar geworden, die technische Entwicklung hat auch in diesem Bereich zu einer Demokratisierung der Produktionsmittel beigetragen. Dennoch gibt es viele Dinge zu bedenken, wie eine Gruppe Studierender des zweiten und vierten Semesters eines privaten Filmstudiengangs in München bei den Dreharbeiten zu einem der vielen Übungsfilme herausgefunden haben.
"Hier und Jetzt"
In Konrad Wiebes Spielfilm "Hier und Jetzt" geht es um zwei Jungs, ihre Animositäten und ihren finalen "Battle" im Breakdance, den sie bei einem Wettbewerb austragen.
Dabei zeigt sich, dass auch Feinde sich letztendlich gar nicht so feindlich verhalten müssen. Für die Schlussszene, den Wettkampf musste eine überschaubare Anzahl Komparsen, die sich am Drehort, dem Münchner "Backstage" einfanden, möglichst effektiv visuell multipliziert werden.
Fixierte Kamera
Hierfür wurde zunächst eine passende Position für die Kamera festgelegt, die von da an unverrückbar auf dem Stativ fixiert bleiben musste, damit die weiteren Shots leichter im Compositing miteinander verknüpft werden konnten.
Will man das Gleiche mit einer sich bewegenden Kamera aufnehmen, wird es ungleich aufwändiger. Dann wird Motion-Control benötigt und zusätzlich Tracking-Points im Bildhintergrund.
Hintergründiges
Zunächst wurde der Mittelgrund, also die ersten Reihen an Zuschauern beim Breakdance-Battle gedreht. Um diese problemlos mit dem späteren Hintergrund (weitere Zuschauer im Hintergrund) kombinieren zu können, wurde zunächst ein Green-Screen Hintergrund hinter den Komparsen aufgehängt und möglichst gleichmäßig ausgeleuchtet.
Das ist wichtig, damit man bei "Keyen", dem Ausstanzen des Hintergrundes ein möglichst einheitliches Grün bekommt. Schatten oder hellere Stellen werden als unterschiedliche Grünwerte wahrgenommen und erzwingen, dass man einen breiteren Grünbereich als nötig herausfiltert.
Wichtig auch, dass die Komparsen nicht direkt vor dem Green Screen stehen, sondern etwas Abstand halten. Außerdem dürfen sie nicht von den Scheinwerfern, die den Screen beleuchten, getroffen werden.
Farbtiefe und Kontrolle
Damit man das gut "stanzen" kann, hilft eine möglichst große Farbtiefe, 4:2:2 oder sogar 4:4:4 sind hier vorteilhaft. Die Studenten des Filmstudiengangs arbeiten mit der Canon 5D, die die zwar nur mit 4:2:0 in einem H264 Codec operiert, aber für diese, wenig kritische Green Screen Anwendung gerade noch ausreichende Details und Farbinformationen bereitstellt.
Zur Kontrolle der Ergebnisse, werden die Aufnahmen jeweils gleich von Karte auf ein Notebook überspielt und in After Effects montiert. Auf diese Weise kann man mögliche Fehlerquellen gleich bei der Aufnahme korrigieren.
Wunderbare Crowd-Vermehrung
Die Idee der Crowd-Replication erfordert, dass der Zuschauer die später hinter,- und nebeneinander kopierten gleichen Komparsen möglichst nicht sofort wiedererkennen kann.
Deshalb müssen von Aufnahme zu Aufnahme Kleidungsstücke, Caps etc. und natürlich auch die Positionen getauscht werden. Es versteht sich von selbst, dass die Komparsen zumindest bei den Aufnahmen vor Green Screen auch kein Grün tragen dürfen, sonst wird ihre Kleidung mit dem Green Screen mit ausgestanzt.
Außerdem kann man auch durch eine geringere Ausleuchtung der Komparsen im Hintergrund, Unterschiede generieren. Nachdem also die Komparsen jeweils vor Green Screen links, mittig und rechts aufgenommen wurden, wird der Green Screen nach oben aufgerollt und die Komparsen werden hinter der Ebene, auf der sie schon aufgenommen wurden, nun mit realem Hintergrund der Backstage-Halle aufgenommen. Ebenfalls wieder links, mittig und seitlich.
Damit man hier keine Probleme bekommt, helfen klare Markierungen, damit die Komparsen nicht auf sich überschneidenden Positionen stehen. Auf diese Weise entsteht eine Vielzahl an Teilaufnahmen, die dann im Compositing zusammengesetzt werden können.
Riesenaufwand
So ein Shooting ist nur ein kleiner Teil der Dreharbeiten zu einem aufwändigen ersten Übungsfilm. Es versteht sich von selbst, dass die Studenten sich bei ihren Projekten gegenseitig helfen. So waren bei dem Crowd-Replicating Dreh auch Regie,- und Kamerastudenten des vierten Semesters dabei. Und natürlich helfen sich auch die Studierenden gegenseitig bei den Übungsfilmen, denn es entsteht nicht nur ein erster Übungsfilm im zweiten Semester, sondern gleich fünf.
Auf diese Weise bekommen die Studenten, wie es sich die Professoren wünschen, möglichst viel praktische Erfahrung. Das Crowd-Replicating jedenfalls war für alle eine spannende Erfahrung.