Eigentlich klingt das phantastisch und zugleich selbstverständlich,- auch beim Filmemachen auf die Umwelt zu achten. Was bedeutet Green Film Shooting für das Produzieren und was bringt es mit sich? Eine Reihe von Produzent*Innen beklagen inzwischen teilweise absurde Zusatzbelastungen, wagen es aber nicht, darüber öffentlich zu sprechen um keine Nachteile bei Förderungen oder Fernsehanstalten zu erfahren. Deshalb haben wir das Thema aufgegriffen. Es ist schon erstaunlich, wie viele Dinge hierzulande institutionell organisiert werden, die eigentlich mit normalem Menschverstand selbstverständlich wären.
Müllvermeidung, Recycling und Stromsparen sind nun keine wirklich neuen Themen umso erstaunlicher, dass es dafür inzwischen eigens Koordinatoren braucht und sogar aufwändige Zusatzformulare beim Beantragen von Filmförderungen. Vielleicht ist das vor allem ein Deutsches Phänomen, möglichst alles im Arbeitsleben zu bürokratisieren. Doch auch in den Nachbarländern Österreich und der Schweiz entstehen ähnliche Strukturen.
Green Filmshooting
Die Baden Würtemberger haben mit ihrer Filmförderung damit angefangen. Inzwischen, so beklagen es viele Produzent*Innen, muss man bei jeder Länderförderung eigene Formulare bei der Antragstellung ausfüllen, wie der CO2 Footprint für die Umwelt beim jeweiligen Film aussieht. Das bedeutet Mehraufwand und Mehrkosten trotz gleichbleibender Budgets. Die Themen, welche die grünen Filmshooter so umtreiben, sind die gleichen, welche auch im normalen Leben mehr und mehr in den Fokus rücken. Wie kann man möglichst umweltgerecht leben, arbeiten, mobil sein und modernen Komfort genießen, ohne dabei der Umwelt zu schaden?
Und wie im richtigen Leben sind die unter "Green Filmshooting" subsummierten Richtlinien nicht frei von Inkonsequenzen und Widersprüchen. Gerne wird da von "Transformation" gesprochen,- nicht alles, was da eingefordert wird, ist wirklich die beste Lösung für die Umwelt.
Akkus der Filmgeräte sollen mit Solarenergie oder mindestens mit Ökostrom aufgeladen werden.
Die Stromaggregate sollen in ihrer Leistung niedriger sein, einen Hybrid-Antrieb haben, einen großen Akku und nur wenn der leer ist mit Benzin arbeiten.
Es sollen keinesfalls Diesel-Stromgeneratoren verwendet werden,- bisher der Standard.
Es soll auf LED Scheinwerfer umgestellt werden
Es sollen nur dringend notwendige Reisen gemacht und mit der Bahn realisiert werden.
Es soll kein Wegwerfgeschirr und Wegwerfbesteck verwendet werden.
"Ökostrom" soll bei Produktion und Dreharbeiten für die Lichtsetzung und sonstige Technik verwendet werden.
Bei Verwendung von Special Effects wie künstlichem Schnee, Rauch, Schaum etc. sollen umweltbewusste Materialien verwendet werden
Grundsätzlich sind einige dieser Punkte durchaus richtig, doch durch eine allzu dogmatische Umsetzung können einzelne Forderungen der Umwelt sogar mehr schaden, als nützen.
Mögliche Denkfehler
Darüber, wieviel Schaden der Umwelt dadurch entsteht, wenn bisherige Diesel-Stromaggregate verschrottet und neue Benzin-Aggregate erste einmal mit hohem CO2 Footprint hergestellt werden müssen, hat offenbar niemand nachgedacht. Übergangszeiten? Fehlanzeige.
Die Vorgabe, auf LED Licht umzustellen, baut auf diversen falschen Annahmen. Auch hier ist das Verschrotten etwa von hochwertigen HMI Scheinwerfern oder Fluoreszenzscheinwerfern, die im übrigen genauso Energiesparend sind wie LED Licht, und die Herstellung neuer LED Scheinwerfer viel umweltschädlicher, als wenn man den normalen Nutzungszyklus bis zum Ausrangieren zulassen würde. Auch die Annahme, dass LEDs in der Herstellung umweltfreundlicher seien, ist schlicht falsch. Für die Produktion von LEDs wird nicht nur Aluminium, sondern werden auch "Seltene Erden" wie Yttrium und Europium zwingend benötigt. Diese sind nicht nur sehr selten, sie belasten durch ihre Gewinnung, bei der giftige Schlämme entstehen, auch massiv die Umwelt.
Dass etwa das Kostümbild sich aus einer Textilindustrie bedient, die dem Erdball weitaus mehr Schaden zufügt, als sämtliche Flugzeuge weltweit, kann und muss unberücksichtigt bleiben. Sicher kann man vor allem bei historischen Filmen auf Kostümfundi zurückgreifen,- doch zu glauben, man müsse nur alle irgendwo verwendeten Filmkostüme in irgendwelche Lagerhallen einlagern, blendet die Kosten und den Energieaufwand dafür aus.
Auch der eigentlich richtige Gedanke, Requisiten etc. in Lagerhallen aufzubewahren, birgt in sich diverse Fragen. Was ist mit dem Aufwand der Lagerung, den notwendigen Hallen,- den Transporten von diesen zentralen Hallen zu Drehorten in anderen Städten? Da waren bisherige Vorgehensweisen von Requisiteuren, etwa lokal in Second Hand Lagern oder Läden Gegenstände zu beziehen und nach dem Dreh wieder dem lokalen Second Hand Kreislauf zuzuführen, umweltfreundlicher.
Was den Strom selber angeht, so zeigt die politische Situation in Europa, darüber das wohl verstärkt und deutlich länger Kohle zur Stromerzeugung verwendet werden muss, nicht unbedingt auf, dass die Nutzung von Elektrofahrzeugen umweltfreundlicher ist.
Dass die vom Green Filmshooting bevorzugten Elektroautos in ihrer Herstellung den Planeten enorm belasten, bleibt ausgeblendet. Ihre Produktion erzeugt viele Tonnen CO2 und der angebliche Vorteil, dass sie Strom verbrauchen ist keiner, weil hierzulange immer dann, wenn Windstille oder bedeckter Himmel zu wenig alternative Energie liefern, etwa 60% des Stroms durch fossile Energien ausgeglichen werden müssen. Durch das Abschalten der Atomkraftwerke wird sich die negative Bilanz der Elektrofahrzeuge sogar noch verschlechtern. Es ist wie mit den privaten Autos,- der alte Gebrauchtwagen ist umweltfreundlicher als das mit enormem CO2-Footprint hergestellte neue Elektroauto. Und bevor das Elektroauto das Alter erreicht hat, eine günstigere Bilanz zu erreichen, wurde es längst verkauft und gegen ein neues, in der Herstellung wieder die Umwelt stark belastendes Auto ausgetauscht.
Gerade für den Transport schweren Filmgeräts sind Elektro-LKWs oft zu wenig effizient und noch zu selten. Wer dann auf die effizienteren, Gas- betriebenen LKWs setzt und dann vielleicht noch nach Tankstellen sucht, die statt schädlichem Erdgas Biomethan anbieten (Gas aus Gülle und Biomasse), wird viele und lange Umwege fahren müssen, um diese Fahrzeuge betanken zu können.
Mit Solarenergie geladene Akkus klingen zunächst gut. Im Geräteleihpark wo man die Akkus einmal vor Drehbeginn abholt, mag das ja noch funktionieren. Da das Nachladen, was an Filmsets dauernd vorkommt, mit Solarenergie viel zu langsam wäre, müssen mehr Li-Ion Akkus gekauft und hergestellt werden,- für die Umwelt eher schlecht.
Die hippen Energiespar-Apps laufen in der Regel auf den jeweils neuesten Handys. Über die Abstände in denen man die Smartphones absortiert und endsorgt hat, schweigt man und genießt.
Immer mehr Teammitglieder schauen sich die Daylies vom Cloudserver auf den eigenen Handys, Tablets und Notebooks an. Was all diese Clouddienste an Strom fressen, darüber wird vornehm geschwiegen.
Catering
Ja, Fleischverzicht oder Reduktion ist sicherlich ein wichtiger Beitrag und kann auch ohne die Produktion zusätzlich zu belasten, umgesetzt werden. Auch das wiederverwendbare Geschirr und Besteck sind sinnvolle Maßnahmen. Mit Glasflaschen für Getränke kann man weniger punkten, hier sind die Transportwege durch das höhere Gewicht umweltschädlicher als bei Pfandflaschen aus Plastik.
Bei "Bio" sieht das ebenfalls etwas anders aus, das schont nicht automatisch die Umwelt. Da der Bedarf an Bio-Produkten beständig gewachsen ist und gar nicht durch heimischen Bio-Bauernhöfe gedeckt werden kann, sind viele Bio Produkte alles andere als Regional. Viele Produkte haben lange Transportwege, teilweise aus Indien, Südamerika oder Asien hinter sich. Insbesondere viele Power-Food Produkte wie Quinona Amaranth, Goji-Beeren, Cashew-Kerne, Jackfruit & Co stammen aus entferntesten Winkeln der Erde. Bei ÖKO-Kartoffeln stammen 30%, bei Äpfeln, Gurken und Möhren 50% aus dem Ausland. Bio Tomaten und Paprika stammen zu mehr als 90 Prozent aus entfernten Ländern.
Viele vegane Lebensmittel sind hochverarbeitet. Das gerne verwendete Kokosöl ist in der Produktion viel aufwendiger und weniger ergiebig als das in Verruf geratene Palmöl.
Organisationen
Wer die offiziellen Anlaufstellen für das Green Film Shooting kennenlernen möchte, wird hier fündig:
https://greenfilmshooting.net
In die Mindestanforderungen für das Green Film-Shooting hat man übrigens die Beschäftigungsgarantie eines neuen Berufsstandes, den "Green Film Consultants" integriert, so soll bei jeder Produktion die Beratung durch eine/n "Nachhaltigkeitsexperten/in" erfolgen. Die können dann auch beim Ausfüllen des für Förderanträge notwendigen Formulars zum CO2 Fußabdruck helfen.
Regelmäßige Info-Broschüren zu Green Filmmaking werden seltsamerweise vierfarbig auf (Recycling) Papier gedruckt und mit motorisierten Transportdiensten verschickt, auch das wird offenbar nicht hinterfragt. Dabei ist das umweltfreundlichste Papier eigentlich jenes, was gar nicht erst verbraucht wird.
Kosmetisches
Wie bei so vielem scheint auch im Bereich von "Green Shooting" die Verpackung wichtiger als der Inhalt zu sein. Es liest sich einfach in der Pressemitteilung gut, dass der neue "Moorsee Krimi" jetzt "Green" produziert wird. Unter welchen Umständen das geschieht, und ob es der Umwelt wirklich nützt, darüber wird nicht weiter diskutiert. Und es wird natürlich nie jemand erfahren, dass die Hauptdarstellerin, die sich öffentlich für Umweltbelange einsetzt, jeden Morgen mit einer völlig übermotorisierten riesigen Limousine von ihrem 80 Kilometer entfernten Anwesen ans Set gebracht und abends wieder heimgefahren wird.
Auch gibt es nicht wenige "Grüne" Schootings, bei denen dann in der Postproduktion ettliche Fahrten oder Flüge an das andere Ende des Landes oder gar ins Ausland unternommen werden, weil dort eben die Tonmischung oder die Farbkorrektur schlichtweg billiger möglich waren. Nicht selten auch, um die Mehrkosten für das "Green Filmshooting" irgendwie aufzufangen. Und in den Abrechnungen wird das dann gar nicht sichtbar, weil die Postproduktionsfirmen Büros an den Sitzen der jeweiligen Produktionsfirmen haben, mit deren Briefkopf dann die Rechnungen ausgestellt werden.
Keine Produktionsfirma kann es sich leisten, alle Requisiten und Kostüme ökologisch korrekt, also "Second Hand" zu besorgen, das benötigt schlicht die dreifache Zeit und so lange kann man die betreffenden Filmschaffenden nicht durchbezahlen.
Nicht selten gibt es die absurdesten Auswüchse des Green Producings. Reine Elektroautos wären viel zu riskant für eine Produktion, die viele unterschiedliche Drehorte anfahren muss, deshalb bevorzugt man Hybridfahrzeuge, die dann letztlich mit konventionellem Treibstoff gefahren werden. Theoretisch Green, aber um zuverläsig arbeiten zu können dann eben doch nicht.
Einige Hauptdarsteller kommen auch gerne mit ihrem Elektroauto direkt zum Drehort. Da es dort dummerweise selten Ladestationen gibt, wird extra ein Stromgenerator vom Team mitgeführt der nur eine Aufgabe hat, per Benzinmotor die E-Autos der Darsteller aufzuladen.
All diese Dinge erzählt man sich natürlich nur hinter vorgehaltener Hand, schließlich muss man nach Außen hin den schönen Schein wahren. Letztlich ist der Kostendruck gerade im Filmbereich sehr groß und kein-e Produzent*In zahlt freiwillig mehr als nötig oder riskiert sogar Überziehungen. So ist das aus der Industrie bekannte Greenwashing auch im Filmbereich hin und wieder anzutreffen. Man bemüht sich, die inzwischen von den Filmförderungen unisono eingeforderten Auflagen zu erfüllen, manchmal bleibt es aber auch nur kosmetisch.
Grün & Bio = Sozial?
Interessanterweise gibt es eine genrelle Annahme, dass Menschen, die sich ökologisch bewusst verhalten, auch in ihrem restlichen Verhalten "Gutmenschen" seien und sich grosszügig und verantwortungsbewusst verhalten. Mehrere Studien belegen das genaue Gegenteil. Sie haben festgestellt, dass beispielsweise Käufer von Bio-Produkten sogar besonders geizig waren, wenn es um das Teilen mit Anderen oder auch soziale Fairness ging.
Als Erklärung für dieses unerwartete Phänomen haben Psychologen die Annahme gefunden, dass Konsumenten das Gefühl haben, bereits durch den Kauf von Bio-Produkten so etwas wie ein "moralisches Guthaben" erworben zu haben - also das Gefühl, ja bereits ausreichend Gutes für die Gesellschaft getan zu haben. Nicht selten geht man mit der Erwartung in so einen Green-Shooting Dreh, dass es dort besonders fair und harmonisch zugeht. Das kann sich als Irrtum herausstellen.
Anfahrten zum Drehmotiv, Umzüge zum nächsten Motiv müssen schnell gehen, weil es sich um bezahlte Arbeitszeiten handelt. Viele "Grüne" Ideen, wie Lastenfahrräder oder das Transportieren von Equipment über lange Strecken in Rucksäcken etc. verlängern die Drehzeiten und erhöhen damit den Kostendruck auf die Produktion. Ergebnis sind oft noch mehr Überstunden und weniger effektive Drehzeit, die sich dann in der schlechteren Qualität niederschlagen.
Wie sagte ein befreundeter Kameramann so schön: Was nützt das vegane Süßkartoffelsüppchen und das Cocosdessert auf Bananenblättern wenn der ganze Dreh unsozial abläuft, wenn man Überstunden ohne Ende machen muss, damit das Pensum irgendwie in die viel zu wenigen Drehtage hineinpasst. Wie soll man in 22 Drehtagen einen abendfüllenden Film hochwertig hinbekommen. 2nd Unit? Überstunden ohne Ende, die man nicht aufschreibt?
Vieles in diesem Bereich muss und wird sich in der Zukunft verbessern, sicher werden auch bessere Energiespeicher gefunden oder Wasserstoff als Energieträger effizienter. Wenn alle Produzent*Innen hier sensibiliert sind und sinnvolle Maßnahmen ergreifen, werden Filmproduktionen immer nachhaltiger ohne den Arbeits,- und Kostendruck zu erhöhen.
Deutschland ist eben auch in diesen Dingen ein dumpfes Bürokratiemonster. Die Selbstverpflichtung von Fernsehsendern, Streaming Anbietern, Produktionsfirmen und Dienstleistern, ökologische Standards einzuhalten hat zu enormen Kostensteigerungen geführt, die auf Kosten der Qualität gehen. Aber nur wer das Label "Green Motion" erhält, kann Filmförderung erhalten. Dabei sind viele der Maßnahmen wie oben erläutert, alles andere als Umweltschonend. Sie sind grün verpackt, hübsch gelabelt, schaden aber der Filmindustrie in großem Umfang und nutzen der Umwelt nur bedingt. Doch die Produzenten trauen sich in Zeiten der Wokeness nicht, über die grün verursachten Probleme zu sprechen. Das Wärmepumpendrama ist in der Filmindustrie angekommen,- es gibt einfach keine Anreize mehr, in Deutschland Filme zu produzieren.
Wie man sieht, ein komplexes Thema, welches man nicht zu dogmatisch und vor allem etwas weniger bürokratisch betrachten sollte. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Der Blick auf die Umwelt ist immens wichtig und sollte bei Entscheidungen stets berücksichtigt werden,- den gesunden Menschenverstand und realistisches Augenmaß sollte man dabei dennoch nicht ganz ausschalten.