Komfort mit Tücken
Die Bequemlichkeit eines Displays statt eines Suchers ist keine Erfindung der Handheld-Digitalkamera-Entwickler. Studiofernsehkameras oder Steadicams stellten schon immer das Sucherbild auf einem Monitor bereit. Das kann recht angenehm sein, nicht ständig sein Auge an ein Sucherokular pressen zu müssen. Vor allem eröffnet es, wenn die Kamera nicht gerade eine massive Fernsehkamera ist, etwa bei der Steadicam, mehr Bewegungsfreiheiten.
Bei den manchmal winzigen Digitalkameras schließlich bietet es durch die freie Beweglichkeit auch weit vom Auge der Kameraleute entfernt größte Unabhängigkeit. Am ausgestreckten Arm filmt es sich leicht über die Köpfe von Menschentrauben hinweg, als Untersicht aus Kniehöhe oder um Hausecken herum.
Überraschungsdefekt
Doch was uns größere Freiheiten verschafft, bringt nicht selten auch größere Ungenauigkeiten mit sich. Immer wieder erleben ambitionierte Kameraleute böse Überraschungen, wenn sie ihre Aufnahmen zum ersten Mal auf einem TV-Monitor begutachten. Waren sie bei der Aufnahme doch absolut sicher, dass das Mikrofon nicht im Bild zu sehen war, ist es auf dem Monitor ganz deutlich oben im Bild zu sehen. Oder die rote Klemme, mit der die Black Wrap am Lichtstativ befestigt war, oder in Weitwinkelstellung der Rand der Sonnenblende oder des Kompendiums ist plötzlich deutlich im Bild zu sehen.
Haben die Kameraleute unsauber gearbeitet? Waren sie unaufmerksam, haben sich zu sehr auf die Schauspieler konzentriert? Rasch noch einmal das Bild auf dem Klappdisplay der Kamera anschauen. Im Display sind weder Mikrofon noch Klemme zu sehen. Als Ursache ist schnell die falsche Darstellung des Displays ausgemacht. Was Profi-Kameraleute nicht einmal ansatzweise akzeptieren würden, wird Millionen von Benutzern ganz ungeniert zugemutet. Displaydarstellung als Glücksspiel. Je nach Fabrikat und Justierung sind die Unterschiede gewaltig.
Kadrage als Glückssache
Dabei ist die Kadrage des Bildes speziell im Spielfilmbereich absolute Präzisionsarbeit. Der genaue Ausschnitt ist ein wesentlicher Bestandteil der Bildgestaltung. Zahlreiche Bildtheorien, ganze Bücher sind darüber geschrieben worden, wie man die Bildelemente in ein gültiges Verhältnis zum Bildformat setzt. Der "goldene Schnitt" und andere Bildtheorien werden mehr oder weniger präzise umgesetzt.
„Etwas weiter nach links, noch etwas, ja so, das ist eine gute Position". Die Schauspieler werden von den Kameraleuten in Bezug auf den Bildausschnitt genau instruiert. Doch was nützt es, beim Einrichten des Bildes genau die Position der Schauspieler, die Luft (den Abstand bis zum oberen Bildrand) über ihren Köpfen festzulegen, wenn man später am Monitor feststellen muss, dass ein deutlich anderer Bildausschnitt aufgezeichnet wurde?
Besonders auffällig sind diese Abweichungen bei der Titel- oder Grafikaufnahme. Derartiges sollte man stets nur über einen angeschlossenen Monitor betrachten. Will man Schriften zentriert im Bild aufnehmen, ist das Display kein sicherer Ratgeber. Nur das tatsächliche Fernsehsignal gibt halbwegs verbindliche Auskunft über das, was die Kamera tatsächlich aufzeichnet. Selbst hier gibt es noch kleinere Abweichungen bei Amateur-Monitoren voneinander. Noch stärker ist der technisch bedingte Unterschied zwischen dem Fernsehbild und dem Vollbild auf Computerschnittsystemen.
Gegenwehr
Wie stark das Display und der Sucher der eigenen Kamera tatsächlich vom Bild abweicht, sollte man deshalb unbedingt im Test ermitteln. Professionelles Arbeiten bedeutet stets auch, zu wissen, was man tut. Einige LCD-Displays lassen unsere Arbeit zum Blindflug werden. Eine Testtafel mit Skala, an der man genau ablesen kann, um welchen Prozentwert LCD-Sucher, Okularsucher und tatsächliches Videobild am TV-Monitor voneinander abweichen, gibt es weiter unten als Download.
Leider ist die Abweichung zwischen Display und aufgezeichnetem Bild so gut wie immer dergestalt, dass zu wenig vom tatsächlichen Bild auf dem Display dargestellt wird. Würde ein Zuviel angezeigt, wie es bei Profikameras Standard ist, könnte man sich durch Einzeichnungen auf dem Display (klare Folie drüberlegen oder mit Lassoband Markierungen aufkleben) den präzisen Ausschnitt ähnlich der Mattscheiben-Einzeichnungen in Filmkameras, markieren.
Testet eure Kameras!
Externe professionelle Displays zeigen das volle Bild nur, wenn der Kameraausgang es liefert. Für Kameraleute, welche mit eingebautem Kameradisplay auskommen müssen, ist es daher unerlässlich, sich Klarheit darüber zu verschaffen, was LCD- und Okularsucher tatsächlich zeigen. Mit den folgenden Testtafeln kann man die genauen Abweichungen zwischen LCD- Sucher, Okularsucher und tatsächlichem Videobild am TV-Monitor überprüfen. Ganz nebenbei kann man mit der Testtafel auch Schärfetests durchführen, das Auflagemaß einstellen und vieles mehr.
Und so geht's:
Testtafel downloaden, ausdrucken und an geeigneter Wand waagerecht befestigen!
Kamera auf Stativ befestigen und senkrecht auf das Testbild ausrichten!
Fernsehmonitor an Kamera anschließen!
Zoom bzw. Abstand zum Testbild so einrichten, dass der 100%-Rahmen des Testbildes das Fernsehbild vollständig ausfüllt!
Überprüfen der Bild-Abweichungen von LCD-Sucher und Okularsucher!
Download der Testtafel im 16:9 Format
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Download der Testtafel im 4:3 Format
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