Wenn alles glatt läuft...
Auch wenn es den Zuschauern nicht wirklich bewusst ist,- Filmfiguren brauchen Hindernisse und Gegenspieler*Innen, um richtig gut zu werden. Warum ist das so? Nun da brauchen wir nicht weit zu suchen, wenn wir in uns selber horchen, dann sind es im richtigen Leben häufig Erfahrungen und Erlebnisse, bei denen Hindernisse überwunden werden mussten, genau jene, an die man sich am Besten erinnert und die man auch besonders gerne Anderen erzählt.
Man mag die gleiche Strecke mit dem Auto zig Male gefahren sein,- nicht der Rede wert,- aber das eine Mal, als Bauern aus Protest brennende Autoreifen auf die Autobahn geworfen haben und man deshalb Stunden zu spät ankam, das bleibt in Erinnerung. Wenn alles glatt läuft, ist es "Normalität" für uns, wenn aber etwas Besonderes geschieht, man Stunden lang im Aufzug eingeschlossen war, man mit dem Auto in der absoluten Pampa liegengeblieben ist oder auf dem Spaziergang von einem heftigen Gewitter erwischt wurde,- dann wird etwas Erzählenswertes daraus.
Die vorgenannten Beispiele sind Widrigkeiten, sind Ereignisse, auf die man keinen Einfluss hatte und die aus bestimmten Umständen heraus einen normalen Ablauf behinderten, aufhielten oder gar unmöglich machten. Diese kann man selbstverständlich auch in Drehbüchern verwenden, um unseren FilmheldInnen das Leben etwas schwerer und für die Zuschauer etwas interessanter zu machen.
Noch spannender, erzählerisch dankbarer und für das Kino geradezu archetypisch sind Gegenspieler, sind also Personen, die sich unseren Filmfiguren in den Weg stellen. Ganz gleich ob wir an Darth Vader, Lord Voldemort, Agent Smith, Hannibal Lecter, Joker oder Pennywise denken, sie sind uns genau so stark wie die Filmhelden von "Star Wars", "Harry Potter", "Terminator", "Das Schweigen der Lämmer", "The Dark Knight" und "Es" in Erinnerung geblieben.
Warum einfach, wenn es auch schwierig geht?
Es klingt seltsam, aber einfache Liebesgeschichten interessieren die Zuschauer selten. Wenn Zwei, die gut zusammenpassen, oder wie man so schön sagt, füreinander bestimmt sind, sich einfach kennenlernen und zusammenkommen, fehlt der Filmgeschichte jede Art von Spannung. Oder anders ausgedrückt: Wahre Liebe sollte nie so leicht zu finden sein. Und in Sachen Liebe sind dies nun Mal Menschen oder Faktoren, welche die Liebe verhindern wollen. Ob das KonkurrentInnen, Klassenunterschiede, Schwiegereltern, Katastrophen, Missverständnisse oder sonstige Glücksbremsen sind, hängt vom individuellen Genre und natürlich Filmplot ab.
Man kann sich das ein wenig vorstellen, wie ein Sportwettkampf. Dem würde man vermutlich auch nicht zuschauen, wenn es keine GegenerInnen, keine Konkurrenz gäbe. Zuschauer brauchen geradezu diese Gegner, um eine Geschichte mit Interesse, mit Spannung anzuschauen. Genau diese Kräfte, die verhindern wollen, dass unsere HeldInnen in unseren Drehbüchern siegen und glücklich werden, gilt es mit ähnlich großer Sorgfalt wie die Hauptfiguren zu gestalten. Glaubwürdige, eindrucksvolle und im Gedächtnis bleibende GegenspielerInnen geben einer Filmstory die notwendige Spannung. Starke Geschichten brauchen starke Gegenkräfte, das war schon in den antiken Sagen und Dramen so.
Beste Feinde
Bereits in der Dramentheorie der griechischen Antike finden sich bei Aischylos und Sophokles ganz klare Vorgaben, neben der Hauptfigur (Protagonist) stets auch einen Antagonisten (altgriechisch "Gegenspieler“) einzusetzen. Diese Figur hat die Aufgabe, das Handeln der Hauptfigur zu behindern. Sie soll wie wichtigsten Absichten des Protagonisten durchkreuzen.
Superhelden werden erst durch Supergegner wirklich glaubhaft stark. Wer es geschafft hat, als Bösewicht in einem James Bond 007 zu spielen, findet sich spätestens danach auf der Rangliste der bekanntesten SchauspielerInnen weltweit wieder. Man denke nur an so legendäre Figuren wie "Ernst Stavro Blofeld", "Dr. No" oder "Goldfinger". Und natürlich sind sie nur die geistigen Verursacher für allerlei Ungemach, welches James Bond und natürlich auch der ganzen Welt droht. Ihre bösen Taten werden von allerlei Handlangern ausgeführt.
Das gilt natürlich nicht nur für Realfilme, sondern genau so für animierte Filme. Was wäre Disneys "1001 Dalmatiner" ohne die legendäre Cruella de Vil, "Schneewittchen und die sieben Zwerge" ohne die böse Stiefmutter oder "Dornröschen" ohne die dreizehnte Fee? Was wäre Road Runner ohne Wile E. Coyote, Tom ohne Jerry oder die Schlümpfe ohne den Zauberer Gargamel?
Nicht selten bereitet es den Zuschauern größtes Vergnügen, wenn die Gegenspieler*Innen am Ende des Filmes kläglich scheitern, wenn sie bestraft werden für ihr übles Treiben, verjagt, verhaftet oder sonstwie aus dem Mikrokosmos unserer Filmhandlung verbannt.
Manchmal werden die Trickfiguren auch mit den Härten des Lebens konfrontiert, so wie Mowgli im "Dschungelbuch" seine Eltern verloren hat, "Bambi", dessen Mutter erschossen wird oder den Kindern ohne Eltern bei "Peter Pan".
Unbegrenzte Möglichkeiten
Manchmal sind es auch innere Gegner gegen die Filmhelden ankämpfen müssen, wie Traumata, Ängste, Süchte und vieles mehr. Oder es sind äußere, nicht menschliche Gegenspieler, wie die raue Umgebung oder allgemeine Gefahren wie Naturgewalten, Erdbeben, Überschwemmungen, Stürme oder Vulkanausbrüche. Oder Krankheiten, die ein bewährtes Glück über Nacht oder schleichend zerstören können.
Stimmt nicht nur der Antrieb der Filmhelden (Absicht und Ziel) sondern auch der Gegenwind, dann wird eine Filmstory überzeugend. Es lohnt sich also unbedingt, über Gegenspieler für unsere Filmheld*Innen nachzudenken.