Liegen Lernen
Die Geschichte einer grauen Maus
Hendrik Handloegten persifliert mit "Liegen Lernen" die Kleinbürgerlichkeit der 80er Jahre.
Es scheint fast so, als ob die kreativen Köpfe der deutschen Filmbranche die 80er Jahre als neues Eldorado für zuschauerwirksame Filmstoffe entdeckt haben. Zumindest knüpft der neue Film von Hendrik Handloegten "Liegen Lernen" thematisch direkt an Benjamin Quabecks Werk "Verschwende deine Jungend" an. Während Benjamin Quabeck jedoch sein Hauptaugenmerk auf die musikalische Richtung lenkt, thematisiert Hendrik Handloegten vordergründig das kleinbürgerliche Leben in westdeutschen Wohnsiedlungen.
Im Mittelpunkt dieser Biederkeit steht Helmut (Fabian Busch), der im wörtlichsten Sinne einer unter vielen ist. Nichts scheint ihn als auffällig zu kennzeichnen. Seine Passivität und sein schüchternes Wesen werden überlagert von einer äußeren Geschmacklosigkeit, bei der jeder vermuten wird, dass wohl eher die Mutter für die modischen Entgleisungen des Sohnes zuständig ist. Er ist ein "feiger Penner", der dazu nicht nur uninteressant, sondern auch "bindungsunfähig" ist. Dass diese jugendliche Unentschlossenheit bei den Mädchen nicht so gut ankommt, ergibt sich von selbst, doch genau in diesem Punkt nimmt das Schicksal Helmuts ihren Lauf. Er trifft während einer Schulveranstaltung auf Britta (Susanne Bormann), die in jeder Beziehung im Kontrast zu ihm steht. Als Schulsprecherin betritt sie mit einem Palästinensertuch die politische Bühne und engagiert sich für die Entlastung der Umwelt sowie für die atomare Abrüstung.
Ihre Erscheinung verrät etwas Unnahbares und vor allem deshalb verwundert es, dass sie Interesse an Helmut gewinnt. Wie so oft im Leben übernimmt auch hier die Frau die Führungsrolle in der Beziehung, während Helmut nur der Platz des Beisitzers bleibt. Selbst auf ihren Vorschlag hin, die Beziehung lieber geheimzuhalten, geht er bereitwillig ein. Während er jedoch noch immer im siebten Himmel träumt, geht für Britta das Leben weiter. In der Folge verlässt sie ihn, die Schule und das Land, um sich beim Vater in Los Angeles anzusiedeln. Von diesem Moment an beginnt für Helmut ein Leben des Stillstands und der versunkenen Erinnerung. Er avanciert zu einer Konstante im zeitlichen Kontinuum, so dass es scheint, als würde er sich persönlich und äußerlich "überhaupt nicht verändern." Während seiner Studienzeit geht er zwar eine Beziehung mit seiner ehemaligen Mitschülerin Gisela (Fritzi Haberlandt) ein, doch selbst hier fehlt ihm der Mut zum Eingeständnis, dass er sie überhaupt nicht liebt. Statt dessen betrügt er sie mit ihrer Mitbewohnerin Barbara (Sophie Rois), woraufhin er wenig später ohne Freundin und ohne Wohnung wieder am Anfang steht.
Die Wendung bringt am 9. November 1989 ein Anruf aus Berlin, bei dem Helmuts alter Schulfreund Mücke (Florian Lukas) von der Rückkehr Brittas in die Hauptstadt berichtet. Sofort in Ihren Bann gezogen, lebt für Helmut wieder die Vergangenheit auf. Dass inzwischen viel Zeit vergangen ist und Britta das Interesse an ihm verloren hat, geht Helmut in seiner illusionären Welt nicht auf. Erst als er auf seine vierte Freundin Tina (Birgit Minichmayr) trifft und diese auch noch von ihm schwanger wird, muss Helmut Farbe bekennen und seine gesichtslose Passivität aufgeben. Viele Jahre nach dem eigentlichen Ende der Beziehung zu Britta, kann auch er sich nun von seiner ersten Liebe geistig trennen, so dass das Leben neu beginnen kann.
Die Rezeption des Filmes knüpft im Prinzip unmittelbar an die Charaktereigenschaften der Hauptfigur an. In diesem Sinne ist man als Zuschauer stets in Sorge, dass Hendrik Handloegten die Grenze zur Langeweile überschreiten könnte und im blassen Nirgendwo versinkt. Gerettet wird der Film allein durch eine stark verkürzende Situationskomik, wie man sie eigentlich nur aus Comedyserien kennt. Jede Szene, ob ernst oder komisch, endet nach diesem Prinzip mit einem abschließenden Gag. Man kann dies mögen oder auch nicht. Fakt ist allerdings, dass insbesondere die Nebendarsteller Sophie Rois, mit ihren wunderbaren Launen einer Frau in der Midlife-Crisis, und Florian Lukas, im Stile einer frechen Schnauze, entscheidende Glanzpunkte setzen, die dem Film eine überbrückende Persönlichkeit geben. Ob dies allerdings reicht, längerfristig aus der grauen Masse herauszutreten, bleibt fraglich. Helmut jedenfalls hat es nur bedingt geschafft.
Gesehen am 03.07.2003 von Bogdan Büchner
Die Welt der Videospiele gehört schon längst nicht mehr den Kindern.