Auf dem DOK.fest wurde der österreichische Dokumentarfilm als deutsche Erstaufführung gezeigt. Obwohl die Flüchtlingsthematik in diversen Filmen thematisiert wurde, beleuchtet dieser Film etwas, was die vordergründige Medienberichterstattung mangels vermarktbarer Dramatik zumeist übersehen hat: Den stummen Schmerz, den aufopfernden Umgang mit den tausendfachen Tragödien, die Mechanik der Beseitigung äußerer Spuren.
Die belgische Regisseurin Nathalie Borgers beginnt ihre filmische Suche auf einem Schiff der griechischen Küstenwache, Männer die das Meer absuchen nach Rettungsboten oder auch Ertrunkenen. Eine Wärmekamera hilft ihnen dabei, so erfährt man, Menschen bleiben auf dem normalen Radarschirm unsichtbar. Ein griechischer Fischer an der Küste erzählt, wie er bei einem einzigen Unglück zehn Flüchtlinge lebend, zehn andere nur noch tot aus dem Wasser geborgen hat. Etwa 30.000 sind in den vergangenen Jahren im Mittelmeer auf ihrer Flucht vor Krieg oder Armut ums Leben gekommen.
Die Insel Lesbos ist jene ägäische Insel, auf der besonders viele Boote gestrandet, an deren Küste unzählige davon zerschellt sind. In einer ruhig beobachtenden Erzählweise erleben wir, wie die Küstenbewohner mit dem allgegenwärtigen Leid umgehen. Wie sie in stiller Übereinkunft mit den Toten umgehen, ihrer Identifizierung, ihrer Beerdigung, den vielen unbekannten Opfern und ihren Gräbern. Wie sie die riesigen Halden an Rettungswesten entsorgen, aus den Materialien kleine Taschen nähen und mit den Erlösen Flüchtlingen helfen. Allein der Anblick dieser Westen, der Bootstrümmer an der Küste, der wenigen verlorenen Habseligkeiten von Flüchtlingen macht einen fassungslos.
Irgendwann ist die Regisseurin bei ihrem Dreh auf Farzat Jamil, einen syrischen Überlebenden gestoßen, dessen Familie 13 Ertrunkene zu beklagen hat. Damit kommt ein gänzlich anderes Element in den Film hinein und man spürt, wie dieses im Film nach und nach immer mehr Gewicht bekam. Plötzlich bekommt der Schrecken, bekommen die Opferzahlen, die Statistiken ein Gesicht und wir erleben die traumatisierten Überlebenden einer missglückten Flucht die in Wien nach einer irgendwie gearteten Normalität für ihr Leben suchen.
Fortan erzählt der Film auf zwei Ebenen, neben den Bemühungen der Helfer und Retter in Griechenland, begleitet er auch Farzat und das Schicksal seiner Familie. Die Ankunft des 60jährigen Vaters in Wien und dreier Töchter, der den Tod seiner Frau und vieler Enkelkinder miterleben musste, ist von stummem Schmerz geprägt. Drei Jahre waren sie in einer türkischen Flüchtlingsunterkunft bevor sie nach Wien durften.
Es sind die Gesichter, die Blicke, das Schweigen, die alles erzählen und die Dimension, welche diese Tragödien, so nah an Europas beliebtesten Urlaubsküsten längst angenommen haben, die Zahlen zu eindringlichen Einblicken in verlorene Seelen werden lassen. Nicht alle begonnenen Bögen führt die Regisseurin konsequent zu Ende, man spürt, dass der Dreh auch eine Suche war, es sind die berührenden Fundstellen, die dem Film letztlich seine Kraft verleihen.
Der Film kommt in Deutschland im Verleih der Realfiction in die Kinos