Daten |
116 Min., Frankreich, Belgien, Luxemburg 2014 REGIE: Jaco Van Dormael DARSTELLER: Benoît Poelvoorde, Pili Groyne, Marco Lorenzini, Catherine Deneuve, Yolande Moreau etc. Foto: FilmPressKit |
Regie: Jaco Van Dormael
Kinostart: 3. Dezember 2015
Inhalt:
Gott gibt es wirklich und er lebt in Brüssel. Aber der Allmächtige (Benoît Poelvoorde) ist kein idealer, weiser Weltherrscher. Er wohnt als cholerischer Familienvater mit seiner Ehefrau (Yolande Moreau) und Tochter Éa (Pili Groyne) in einer ganz normalen Wohnung mitten in der Stadt. Wenn er nicht gerade mit Bier vor der Glotze sitzt und seine Familie tyrannisiert, sitzt er an seinem Computer, mit dem er seine Schreckensherrschaft über die gesamte Menschheit betreibt. Gott reagiert sich ab, indem er sich fiese Gesetze ausdenkt oder Naturkatastrophen und Kriege auf der Welt veranstaltet.
Éa beschließt gegen ihren gewalttätigen Vater vorzugehen. Sie lüftet sein „heiligstes" Geheimnis, indem sie per SMS jedem Menschen das individuelle Todesdatum schickt. Auf das Wissen von ihrem eigenen Todestag reagieren die Menschen unterschiedlich. Während die einen mit ihrem Leben so weitermachen wie bisher, ändern andere radikal ihren Lebensstil.
Mit der Hilfe ihres Bruders, JC, der als Statuette in der Wohnung Gottes steht und immer mal wieder von der Mutter entstaubt wird, entflieht Éa darauf der Gefangenschaft ihres Vaters und sucht in der Stadt Brüssel nach sechs neuen Aposteln, um gemeinsam mit ihnen ein brandneues Testament zu schreiben. Im Durcheinander der Welt versucht der Allmächtige seine Tochter zurückzuholen und ihren Plan zu verhindern...
Kritik:
Wie in seinem bekanntesten Film MR.NOBODY mit Jared Leto geht Jaco Van Dormael auch in DAS BRANDNEUE TESTAMENT der Frage „Was wäre wenn?" nach:
Was wäre, wenn Gott in Brüssel leben würde? Was wäre, wenn er eine Tochter hätte, die der neue weibliche Messias wäre? Was wäre, wenn wir alle den genauen Zeitpunkt unseres Todes kennen würden?
Während den einen Fragen reformistische bzw. rein humoristische Gedanken zugrunde liegen, eröffnen andere philosophische Themen. Wie würde sich die Welt verändern, wenn den Menschen bewusst wäre, dass ihr Leben endlich ist? Würden dann Kriege und Ermordungen obsolet werden? Auf all diese Fragen gibt Jaco Van Dormael seine eigene Antwort, indem er wie in einem Gedankenexperiment mögliche Folgen aus diesen Annahmen durchspielt. Dies verpackt er gekonnt in ergreifende Geschichten der sechs Apostel, die Éa in Brüssel aufsucht.
Jeder neue Apostel wird mit Überschriften eingeleitet. Meistens sind die Figuren frontal, in symmetrischen Einstellungen zu sehen. Die Bilder sind dabei sehr sauber und erscheinen makellos. Van Dormael selbst sagt, dass er sich dabei an Portraitbildern orientiert habe, hinter denen sich nach und nach ein ganzes Leben offenbare. Die Komposition der Einstellungen erinnert damit an Ikonenmalerei und Kirchenarchitektur.
Wie in MR. NOBODY ist auch hier die Kameratechnik sehr raffiniert. Jeder Apostel wird durch eine für ihn charakteristische Kameraführung gezeigt. Während ein lebensmüder Arbeiter in Untersicht mit einer wackeligen Handkamera gezeigt wird, wird ein sterbenskranker Junge, dem die eigenen Eltern vollkommen fremd sind, in einer Einstellung nach und nach von seinen am Esstisch sitzenden Eltern distanziert. Gleichzeitig nähert er sich gleitend der Kamera.
Auch die Musik spielt eine große Rolle in DAS BRANDNEUE TESTAMENT. Während sie in den meisten Filmen unbemerkt für Stimmungen und Assoziationen sorgen soll, wird sie hier ganz unverhohlen von Éa selbst jedem Apostel zugeordnet. Insgesamt versucht Van Dormael hier keineswegs eine möglichst realitätsnahe Darstellung zu schaffen. Ganz im Gegenteil sorgt er mit allen gestalterischen Mitteln dafür, dass der Film wie eine theatralische Vorstellung, wie ein Märchen erscheint. Dadurch wirkt er aber umso ergreifender und man ertappt sich bei dem Wunsch, dass das, was man sieht, Realität ist.
Dieser Film ist für jeden zu empfehlen, der gerne kunstvolle und gut durchdachte Filme sieht, um sich danach Tage, wenn nicht Wochen, in Gedanken darüber zu verlieren.
Gesehen von Anna Cvetkov