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Novemberkind

 

Novemberkind

Daten

Novemberkind

95 Min., Drama, Deutschland  2007

REGIE: Christian Schwochow

KAMERA: Frank Lamm

SCHNITT: Christoph Wermke

MUSIK: Daniel Sus
DARSTELLER: Anna Maria Mühe, Ulrich Matthes

 

Regie: Christian Schwochow

Kinostart: 20. November

Inga ist Mitte 20, lebt in Mecklenburg-Vorpommern in einem kleinen Dorf und arbeitet als Bibliothekarin. Ihre Mutter, so hat man ihr erzählt, sei vor sehr langer Zeit auf Hiddensee ertrunken, ihr Vater unbekannt. Inga hat sich damit abgefunden. Sie fühlt sich in ihrer Heimat wohl, führt ein gutes Verhältnis zu ihren Großeltern und hat an ihrer Arbeit Spaß. Bis eines Tages der Konstanzer Literaturprofessor Robert in ihr Leben tritt. Jenen scheint es eher zufällig in diese Gegend verschlagen zu haben. Er lernt Inga kennen, und nach einiger Zeit offenbart er dem Mädchen, dass ihre Mutter Anna nicht ertrunken, sondern vor vielen Jahren in den Westen geflohen sei. Gemeinsam brechen Inga und Robert auf, um Anna zu finden. Doch Robert hat ihr nicht alles erzählt ...

Muß es tatsächlich noch mehr Ost-Filme geben? „Es muss", antwortet Christian Schwochow, der Regisseur von „Novemberkind". Aber was suggeriert diese Frage eigentlich? Gibt es schon zu viele „Ost-Filme"? Ist bereits alles gesagt worden, was man über die DDR sagen könnte? Oder ist es zur Zeit Mode, „Ost-Filme" zu drehen?

Vor dem Hintergrund der bisher entstandenen Filme, die sich mit der DDR auseinandergesetzt haben, kann man sagen, dass sich die Filmemacher mit der DDR bisher sehr schwergetan haben. Die lustigen und gleichzeitig traurigen, normalen und doch so sehr erzählenswerten Geschichten, die man mit etwas Glück über die DDR hört, haben bisher weder in der Literatur noch im Film wirklich einen ihnen angemessenen Platz gefunden. Ändert „Novemberkind" daran etwas?

Alles in allem muß man leider sagen: Nein. „Novemberkind", der jene Kinder in den Mittelpunkt der Geschichte rücken möchte, die einst von ihren Eltern getrennt wurden, schweift letztlich zu sehr von jenen Themen ab, die das Erzählte wirklich relevant werden lassen würden. Im Grunde sind die Probleme, die der Film immer wieder anschneidet, selbst zu groß, als dass man sie in wenigen Momenten abhandeln könnte. Zum Beispiel die Frage, inwieweit man gezwungen wurde, sich von seinen geflohenen Verwandten zu distanzieren, um sich selbst, oder im Falle von Christian Schwochows Film, dem Kind der Flüchtlinge, Schutz zu gewähren: Inga erfährt, dass ihre Großeltern nach Annas Flucht den Kontakt mit ihrer Tochter, Ingas Mutter, abbrachen. Was folgt sind die üblichen Vorwürfe seitens Ingas, die auch dann unvermindert anhalten, als die Großeltern beteuern, sie hätten um das Kind Angst gehabt. Leider bricht dieser Faden der Geschichte hier ab: Inga bleibt unversöhnlich und begibt sich mit Robert auf die Suche nach ihrer Mutter. Der Literaturprofessor aber nutzt Inga aus, denn er möchte ein Buch über die ganze Geschichte schreiben. Die Situation wird für ihn natürlich nicht einfacher, als er sich in Inga verliebt ...

Hier verschwindet sie, die an sich erzählenswerte Geschichte, und verliert sich in leicht konventionellen Bereichen (älterer Professor-junges Mädchen; letztendliche Unversöhnlichkeit des Geschädigten gegenüber allen Beteiligten, auch wenn diese ihn nur schützen wollten). Die angedeutete Liebesgeschichte zwischen Robert und Inga wird zwar sehr zurückhaltend inszeniert und findet auch ein konsequentes Ende, doch ist sie wie überhaupt die Gestalt Roberts und deren Absichten für einen Film, der etwas über die DDR erzählen möchte, nicht nur ohne Bedeutung, sondern lenkt auch von den wichtigen Themen ab. Diese wären insbesondere die Gefühle und Gedanken jener Menschen gewesen, die Inga so lange Zeit die Wahrheit über ihre Mutter vorenthielten. Abgesehen von ihren Großeltern waren unter diesen Bekannte und Freunde von Inga (warum haben sie alle nach der Wende nichts gesagt?), doch die Aufarbeitung dieses Dilemmas endet bei  Vorwürfen nach der Art: „Du hast es also auch gewusst!" Dies sagt Inga ihrer besten Freundin am Telephon und auch nach Ingas Rückkehr, bei ihrem Wiedersehen, erfolgt kein Gespräch. Die beiden wechseln einzig einige belanglose Sätze und dann verschwindet Inga erneut. Allerdings entsteht dabei nicht der Eindruck, dass dies an Ingas noch nicht verrauchtem Zorn läge, sondern dies ist eine der vielen psychologisch unlogischen Momente des Films, in denen die Handlung entweder schnell fortgesetzt oder verlangsamt werden soll. Dies betrifft auch die ersten Treffen Ingas mit zum einen Juri und zum anderen ihrem Vater. Beide, Juri und der Vater, reagieren wenig glaubwürdig. Beide schweigen am Anfang, das ist verständlich. Beide wissen nicht, was sie sagen sollen, beide sind vollkommen überrumpelt. Aber was machen Menschen mit dieser Sprachlosigkeit? Regisseur Christian Schwochow hat sich entschieden, diese in ein übertriebenes Katz-und-Maus-Spiel zu übertragen, welches Inga letztendlich zwingt, Juri und ihren Vater jeweils noch einmal zu besuchen. Und dann ist alles plötzlich normal.

Szenen wie solche sind es, die die Geschichte nicht über diejenige eines Films hinaustreten lassen. Bei denen man sich fragt: Reagieren Leute so? Dies betrifft auch jene Rückblende, als Annas Eltern, die seit Tagen nichts von ihrer Tochter gesehen oder gehört haben, einen Anruf bekommen. Sie nehmen ab, Anna ist am Telephon, sie ist im Westen. Das Ganze dauert einige Momente und dann legt der Vater mit bitterer Miene auf. Man weiß doch in einem solchen Moment, dass dieser Anruf womöglich der letzte ist, dass man die Stimme seines Kindes vielleicht zum letzten Mal hört. Doch Annas Eltern legen auf, sie sind nicht einmal an einer Erklärung interessiert.

Doch auch Anna selbst handelt zumindest in einer Situation mehr als rätselhaft. Juri, der junge Deserteur, der sich bei ihr versteckt, hält es in der Enge der Wohnung eines Tages nicht mehr aus. Er reist die Tür auf und es folgt ein entsetzter Aufschrei Annas und deren Frage, ob er denn erschossen werden möchte. Doch Juri bleibt an den Türrahmen gelehnt stehen und sagt dann schließlich, dass er in den Westen möchte. Was denn da sei, fragt ihn die junge Frau ein wenig später und es bleibt innerhalb der Erklärungsmuster, die der Film zu liefern im Stande ist, unerfindlich, wie sie so etwas in einer solchen Situation fragen kann.

Aber der Film trumpft an anderen Stellen auch auf. Ullrich Matthes passt sehr gut in die Rolle des zwielichtigen, ein doppeltes Spiel betreibenden, erfolglosen Professors. Das dies so ist, liegt besonders an seinem Blick. Hinter diesem kann man immer noch andere Gedanken, etwas Unausgesprochenes und letztendlich eine Lüge oder zumindest eine Verschleierung der Wahrheit vermuten und auch jenen Ehrgeiz, Opfer in Kauf zu nehmen, wenn das Ziel nur verlockend genug erscheint. Auch bildlich besticht der Film immer wieder: Dies betrifft die stimmungsvollen Landschaftsaufnahmen ebenso wie die Nähe, mit der die Kamera die Personen beobachtet und auch einige kleinere, surreale Momente wie ein Bild auf einem Bahnhofsgelände, auf dem Schienen zu sehen sind, die ineinander- und auseinanderfließen und dabei einem abstrakten, gefühlvollen Kunstwerk nicht unähnlich sind.

Schade, dass „Novemberkind" dieses sehr stimmige Äußere nicht mit einer Geschichte verbunden hat, die ebenso stimmig und dabei in einer gewissen erfreulichen Hinsicht unspektakulär ist. Am Ende, als Inga im Zug sitzt und beginnt, zu schreiben, ist es, als finde der Film nach all den Umwegen und Wirrnissen wieder zu sich zurück, zu einer Art Klarheit, die doch in jeder guten Geschichte steckt.

 

Gesehen von Paul Mittelsdorf

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