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Daten

121 Min., USA 2015

REGIE: Denis Villeneuve
DREHBUCH: Taylor Sheridan
KAMERA: Roger Deakins
SCHNITT: Joe Walker
MUSIK: Jóhann Jóhannsson
KOSTÜME: Renée April

DARSTELLER: Emily Blunt, Benicio Del Toro, Josh Brolin, Daniel Kaluuya, Jon Berthal, Jeffrey Donovan, Raoul Trujillo, Sarah Minnich, Maximiliano Hernández, Dylan Kenin, Lora Martinez-Cunningham, Julio Cedillo

 

Regie: Denis Villeneuve

Kinostart: 01.10.15

 

 

Inhalt:

 

Bei einem Einsatz gegen die mexikanische Drogenmafia entdeckt das FBI in einem Haus in Arizona mehrere Dutzend Leichen. Obwohl Agentin Kate Macer [Emily Blunt] dieses Ereignis psychisch schwer zu schaffen macht, meldet sie sich freiwillig als Mitglied einer Sondereinheit unter dem Kommando ihres etwas undurchsichtigen Kollegen Matt Graves [Josh Brolin]: In El Paso will man - auf amerikanischem Boden - nach dem großen Boss des Kartells suchen. Doch Macer merkt bald, dass sie getäuscht wurde: Der Einsatz führt tatsächlich ins mexikanische Júarez, wo internationales Recht herrscht, was die Operation illegal macht. Schnell ist klar, dass das nicht der einzige Regelverstoß bleiben wird: Matts Team missachtet alle Vorschriften und wendet rücksichtslos Gewalt an, um ans Ziel zu gelangen. Und dann ist da noch das undurchschaubare Mitglied Alejandro Medellín [Benicio del Toro], das ebenfalls zweifelhafte Motive zu haben scheint. Für Macer wird der Einsatz mehr und mehr zum Alptraum.

 

Kritik:

 

"Sicario" ist ein mexikanischer Slang-Ausdruck und bedeutet so viel wie "Auftragsmörder". So erklärt es die einführende Texteinblendung, bevor einen Denis Villeneuves ("Prisoners") so betitelter Drogen-Thriller ohne Umwege in ein fiebriges Höllenszenario wirft und eine elektrisierende Eröffnungssequenz präsentiert, die den Tenor der folgenden zwei Stunden maßgeblich bestimmen wird. Die brutale Aushebung eines Geheimverstecks der Drogenmafia, kumulierend im unerwarteten Fund eines grauenvollen Massengrabes, ist ein Musterbeispiel brillanten Regiehandwerks und fesselt einen von der ersten Sekunde an in den Sitz. Die bedrückenden Bilder Roger Deakins' ("No Country For Old Men") in Kombination mit dem pulsierenden, ins Mark dringenden Sound Jóhann Jóhannssons ("Skyfall") kreieren eine zum Schneiden dichte Atmosphäre, die einen regelrecht in sich hineinzieht und eine suggestive Spannung freisetzt, die bis zum Finale anhält. Denn die ganze Aktion ist nur der Vorläufer einer erbarmungslosen Reise in die Finsternis, welche die Protagonistin Kate Macer bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit führt. 

 

Dabei bietet "Sicario" auf inhaltlicher Ebene sogar nur wenig Innovatives: Dass die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen, ist nun wahrlich kein neues Thema des politischen Thrillers, wurde jedoch selten so überzeugend umgesetzt wie hier. Das amerikanische Sondereinsatzkommando missachtet jede formelle und moralische Regel, agiert mit rücksichtsloser Härte und unterscheidet sich somit kaum von den Kartellen, die sie eigentlich bekämpfen. Macer verkommt währenddessen zur fast passiven Person, die fassungslos auf die Gräueltaten und Ungerechtigkeiten blickt und damit in erster Linie dem Publikum als Identifikation dient, dem es kaum anders ergeht. Bereits die erste Station, die Stadt Júarez, die ihre Besucher mit verstümmelten, von einer Brücke hängenden Leichen begrüßt und von einem Team-Mitglied wenig subtil als "Biest" bezeichnet wird, gleicht einer Hölle auf Erden, in der menschliches Leben keinen Pfifferling mehr wert ist und die einem auf Anhieb klarmacht, dass jede Hoffnung auf Ausmerzung der Verbrechensherrschaft vergebens ist. Das Übel lässt sich nicht mehr bekämpfen - höchstens noch ein bisschen kontrollieren. Und um das zu erreichen, muss man selbst zum Übeltäter werden.

 

Die Männer in "Sicario" wissen das; sie sind abgebrühte Haudegen, die ihre einstigen Ideale, falls sie denn jemals welche hatten, schon längst über Bord geworfen haben. Macer hingegen, die von Anfang an belogen, bisweilen sogar benutzt wird, begreift das erst nach und nach. Emily Blunt ("Looper") gelingt es, alle Facetten dieses inneren Prozesses glaubwürdig abzubilden, ohne dabei in darstellerische Klischees zu verfallen. Ihr gegenüber steht (der zugegebenermaßen sehr wohl klischeehaft besetzte) Benicio Del Toro ("Sin City") als zwielichtiger Alejandro Medellín, der eine entscheidende Rolle für den Verlauf der Ereignisse spielt, dessen Ziele jedoch lange Zeit unklar bleiben und der dadurch abwechselnd als Bedrohung und Verbündeter erscheint. Dazu gesellt sich Josh Brolin ("Gangster Squad") als Einsatzleiter Matt Graves, der als zunächst recht sympathischer schräger Vogel auftritt, später jedoch in erster Linie durch seinen eiskalten Zynismus schockiert. Diese Konstellation mag nicht frei sein von gängigen Stereotypen, funktioniert jedoch bestens.

 

Den brillanten Darstellerleistungen zum Trotze wäre "Sicario" allerdings nur halb so beeindruckend ohne seine exzellente Visualisierung, die in vielen Momenten in Sachen Look und Stil eher einem Kriegsfilm als einem Thriller gleicht. Und wenn die Karawanen des Sonderkommandos sich martialisch ihren Weg durch Wüstenlandschaften und Straßenlabyrinthe bahnen, fühlt man sich bisweilen auch an apokalyptische Endzeitszenarien der Marke "Mad Max" erinnert. Auffällig ist dabei immer wieder eine ungemein starke Symbolik: Als Macer nach ihrem ersten Einsatz unter der Dusche steht und sich erschöpft das Blut vom Körper wäscht, dann beschreibt das ihre ganze Situation innerhalb nur weniger Sekunden und ist zugleich auch finsterer Vorbote aller schrecklichen Ereignisse, die noch folgen werden. Später steht sie dann auf einem Häuserdach, um sich ein „Feuerwerk“ anzusehen, und wird Zeuge, wie rot glühende Geschütze den Nachthimmel erhellen - eine eben so simple wie effektive Veranschaulichung der Tatsache, dass die Gewalt an diesem Teil der Erde nicht nur längst zum Alltag gehört, sondern sich bereits unauslöschlich etabliert hat.

 

Das "Mittendrin, statt nur dabei"-Gefühl, das "Sicario" vermittelt, ist beachtlich und erreicht seinen Höhepunkt in dem Moment, als das amerikanische Team an der Grenzstation von Júarez in einem Stau eingepfercht ist und plötzlich jeder Insasse der umliegenden Fahrzeuge eine Waffe auf die Männer zu richten scheint. Die Nerven sind bis zum Zerreißen gespannt, jede falsche Bewegung könnte ein gewaltiges Massaker zur Folge haben. Die hier aufgebaute Dramatik ist von immenser Intensität, das in der Luft liegende Unheil förmlich greifbar und die Erregung der Protagonisten scheint auch der Zuschauer bis in die Haarspitzen zu spüren. Es sind Augenblicke wie dieser, die "Sicario" zu einem Erlebnis machen, dessen Sogwirkung man sich kaum entziehen kann. Dass der Kreislauf aus Blut und Brutalität nicht zu durchbrechen ist, ist die Quintessenz, auf die schließlich alles hinauslaufen wird und die in einer nicht unbedingt erbaulichen, wenngleich großartigen Schlussszene auf den Punkt gebracht wird. "Du wirst hier nicht überleben“, heißt es am Ende, „denn du bist kein Wolf. Und dies ist jetzt das Land der Wölfe.“


gesehen von Boris Bertram

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