Bal (dt. Honig)
Daten |
Bal (dt. Honig) 104 Min., TR, D 2010 REGIE: Semih Kaplanoglu |
Regie: Semih Kaplanoglu
Ein Mann steht im Wald, neben ihm ein Esel und er schwingt ein Seil in Richtung einer Baumkrone. Er beginnt, senkrecht den Stamm hinauf zu klettern. Plötzlich ein Knarzen der Ast spaltet sich und die Kamera zeigt eine Großaufnahme des senkrecht in schwindelerregender Höhe hängenden Mannes, dem die Angst ins Gesicht geschrieben steht. Die Leinwand wird schwarz.
So Beginnt der Film "Bal" (dt.Honig) des türkischen Regisseurs Semih Kaplanoglu. Er erzählt die Geschichte der Familie des Imkers Yakup. Sein kleiner Sohn Yusuf und er haben eine sehr enge Beziehung zueinander. In der ersten Szene erzählt Yusuf seinem Vater, dass er etwas geträumt habe. Der Vater antwortet, er solle es ihm ins Ohr flüstern, Träume sollten nicht in die Welt heraus posaunt werden. Und so flüstert der kleine Junge. Dieses Geheimnis, verbindet die beiden von nun an. Als Zuschauer erfährt man nicht was der kleine geträumt hatte. Yusuf ist ein verträumter Junge und sehr in sich gekehrt. Er redet mit niemandem außer seinem Vater, der sehr einfühlsam auf ihn reagiert. Seine Mutter hat hingegen kaum eine Chance zu ihm durchzudringen. Der Sohn reagiert nicht, auf ihre Fragen und spricht auch von sich aus kein Wort mit ihr. In seiner Schulklasse ist er ein Außenseiter. Immer wieder ringt er um die Anerkennung des Lehrers. Mit irritierender Entschlossenheit meldet er sich zum lauten Vorlesen und schließlich wird klar warum der Junge nicht spricht. Er stottert. Er stottert so sehr, dass die Klasse nach ein paar gestammelten Phrasen anfängt zu lachen. Eines Tages bricht sein Vater auf um nach neuen Bäumen für seine Bienenstöcke zu suchen. Zwei Tage wird er unterwegs sein sagt er seinem Sohn. Doch er bleibt verschollen. Yusuf bemerkt, neben seinen Problemen in der Schule, auch noch, dass seine Mutter langsam anfängt sich sorgen um ihren Mann zu machen. Der Junge fasst sich ein Herz und macht sich auf eigene Faust auf die Suche nach seinem Vater.
Der Film ist der dritte Teil der Yusuf-Trilogie die der Regisseur im Jahr 2007 mit dem Film „Süt" zu produzieren begann. Als Koproduktionspartner ist bei diesem Werk die köllner Heimatfilm GmbH, mit an Bord. Die Sprache Kaplanoglus ist sehr poetisch und bildstark. Er ist ein sehr visueller Erzähler, und in sehr langsamer oben drein. Es wird aber nicht langweilig, im Gegenteil das Erzähltempo gibt dem Film eine enorme Schwere und Tiefe und dadurch etwas Besonderes. In der Pressekonferenz geht der Regisseur auf seine Philosophie zum Filmton ein. Er verzichte in all seinen Filmen auf Musik, da die Natürlichen Geräusche für ihn erstens wie Musik seien und Musik in vielen Fällen auch irreführend wirken oder sogar täusche. In seinem Werk geht dieses Konzept auch voll auf.
Auch künstliches Licht habe der Regisseur nicht benutzt erzählt er. Alles was zum Einsatz kam waren Reflektoren. Dem Look tut das jedoch keinen Abbruch, es gibt zwar Szenen die sehr dunkel geraten sind, aber selbst diesen Effekt weiß der Filmemacher dramaturgisch klug einzubauen.
Das natürliche Licht der Landschaft ist ohnehin schön genug und trägt einen großen Teil zur Stimmung des Films bei.
Eine kleine schauspielerische Meisterleistung liefert übrigens Bora Altas ab. Der damals siebenjährige, spielt völlig ungezwungen und authentisch diesen kleinen verträumten Jungen der mit aller Hand Schwierigkeiten umzugehen hat. Dies hebt der Regisseur auch hervor, lobt Boras Leistung und betont, dass ohne ihn der Film so nicht hätte entstehen können. Auf die Frage was denn am schwierigsten für ihn gewesen sei, antwortet der Knirps cool: "Eigentlich war überhaupt nichts besonders schwierig!". Auch wenn das Erzähltempo wahrscheinlich dazu führen wird, dass der Film zumindest in Deutschland kein Massenpublikum ansprechen wird, ist er sehr gelungen, poetisch und auf jeden Fall ein Genuss. Sicherlich ein heißer Kandidat im Rennen um die begehrte Trophäe.
gesehen von Lion Bischof