MC18 NOV17x2

Social Media Icons Shop 55

 

L.A.Crash

Daten

90 Min., Litauen/Deutschland/Frankreich/Ukraine 2015

REGIE: Mantas Kvedaravicus
DREHBUCH: Mantas Kvedaravicus
KAMERA: Mantas Kvedaravicus, Vadim Ilkov, Slava Tsvetkov
SCHNITT: Dounia Sichov
KOSTÜME: Tetiana Khoroshun

DARSTELLER: Die Bewohner von Mariupolis

Foto: twentytwentyvision.eu

 

Regie: Mantas Kvedaravicus

Nur einen einzigen Monat war der Regisseur Kvedaravicus mit seinem Team in der von prorussischen Rebellen und ukrainischen Streitkräften umkämpften Stadt Mariupol unterwegs. Den Namen dieser Stadt kennen wir alle noch aus den Nachrichten vor einem Jahr. Jeden Tag berichteten unsere Medien über die Kämpfe um die Stadt. Umso mehr fällt es auf, wie ruhig es heute in den Berichterstattung um sie geworden. Aber der Krieg geht auch dort immer noch weiter. Dies nur ein Gedanke, der am Rande des Films aufkommt. In der Dokumentation selbst konzentriert sich der Regisseur weniger auf den Krieg und die einzelnen Parteien (obschon er fast ausschließlich aus dem Lager der proukrainischen Seite filmt), sondern auf den Alltag der Stadtbewohner, der trotz der Gefechte, trotz der täglichen Lebensgefahr, weitergehen muss und auch aktiv und scheinbar fast unbeirrt weitergeführt wird. So wirken manche Szenen besonders absurd, als man in einer Totalen einer idyllischen Sommerlandschaft zwei Männer auf einer Bank sitzen sieht, die Backgammon spielen, aber im Hintergrund dieses unbekümmerten Stillshots sich plötzlich Soldaten von einer Seite zur anderen in einer Militärübung bewegen.

 

Auch die Montage trägt zum absurden Effekt der Bilder bei. So ist in einem Bild zu sehen, wie ukrainische Soldaten sich in einer Ruine Schießereien mit den Gegnern liefern. Daraufhin wird uns die Organisation einer Feierlichkeit gezeigt, die mit einer ebenso enthusiastischen Art und Weise vorangetrieben wird, als würde um die Menschen herum nichts Außergewöhnliches passieren. Es scheint Musiker und Tänzer haben die gleiche Freude und den gleichen Elan bei ihren Choreographieübungen und der Interpretation griechischer Nationalmusik wie sie dies auch zu Friedenszeiten gehabt haben. Über den freudigen Gesichtern und den hoffnungsvollen oder nachdenklichen Blicken der Protagonisten hängt dennoch der Schatten der vorangegangenen Bilder von hochgehenden Bomben und Schießereien mit dem prorussischen Feind.

 

Am meisten fasziniert die Kameraführung. Der Film wurde mit drei Kameras gedreht, die sich ab und an in verschiedenen Orten bewegt haben und manchmal am gleichen Ort aus verschiedenen Perspektiven filmten. Die überwiegende Anzahl der Einstellungen sind Detailaufnahmen und Close-ups von einzelnen Gesichts- und Körperpartien der Menschen oder von Totalen in Stillshots, die v.a. bei Aufnahmen der Feuergefechte und Bomben dem Zuschauer ein Gefühl der Ausweglosigkeit geben. Denn ebenso wie die Kamera, können (und wollen) die Menschen dem Krieg in Mariupolis nicht entfliehen und ihr alltägliches Leben aufgeben. Die Kamera verfolgt v.a. drei bis vier Protagonisten, die durch den gesamten Film hindurch immer wieder im Fokus stehen: Eine Violinistin, die auf verschiedenen Veranstaltungen mit ihren Kollegen spielt, ein Schuhmacher, der in seiner Werkstadt bei der Arbeit zu sehen ist und immer wieder mit seinen Kunden und Bekannten über Gott und die Welt spricht, eine junge Reporterin, die über die Zerstörung ihrer Stadt berichtet und einen Mann, der für seine Familie illegalerweise fischen geht.

Durch die Close-Ups hat man als Zuschauer das Gefühl, dass man den Protagonisten intim nahe ist, wie einem Familienmitglied. So fokussiert die Kamera immer wieder nur den Nacken einer sprechenden Person und schwenkt zum Ohr oder zur Hand. Oder sie fährt das faltige Gesicht eines Greises ab, der seiner Enkelin über seine Kriegserfahrungen berichtet. Erinnerungen, die alles andere als belanglos in diesen Zeiten erscheinen. Interessant sind auch die Einblendungen von dem Zoo Mariupols, in dem die Tiere unruhig in ihren Käfigen auf und ab gehen, fast als würden sie die Gefahr um sie herum spüren und fliehen wollen, aber nicht können. Eine Metapher auf die Stadtbewohner. Die ganze Dokumentation ist durchzogen mit Allegorien, Metaphern und Symbolen, die diesem Film neben der Realitätstreue einen hohen künstlerischen Wert verleihen. Dabei, so der Regisseur, habe er die Szenen nicht im Vorfeld geplant. Alles sei „on the spot" entstanden. Eine Dokumentation, die durch Mark und Bein geht, und jedem zu empfehlen ist.

 

Gesehen von Anna Cvetkov

 

Banner Regie GK 4000

Weitere neue Artikel

Obwohl die Welt gerade viele Verwerfungen aushalten muss, Weihnachtsfilme geben uns den Glauben an ein besseres Miteinander wieder...

Die Darstellung von Prostitution im Film kann zutiefst realistisch aber auch unfassbar klischiert sein. Wo liegen die dünnen Trennlinien?

Was Film-Fans über die optimale Bandbreite und Internetgeschwindigkeit wissen sollten

Warum haben historische Stoffe aus der Zeit der Antike von der Stummfilmzeit bis heute das Publikum fasziniert?

Wer keine Kameratasche mit sich rumschleppen will, braucht eine Schutzhülle um die Kamera im Rucksack etc. zu transportieren. Vielleicht eine Geschenkidee...

Es kommt spät, aber es kommt,- ein kompaktes, bezahlbares 2.4 GHz Funksystem für Semi-Profi Einsätze von Sennheiser

Die Politik entwickelt Sparvorschläge, die den Kern öffentlich rechtlichen Rundfunks zerstören würden

Eine neue Studie aus den USA unterstellt zahlreichen Serienfiguren, sich den zur Schau gestellten Wohlstand gar nicht leisten zu können

Im Film werden Protagonisten in extreme Krisensituationen geworfen,- Autounfälle werden oft zum Auslöser dramatischer Entwicklungen...

Einen passenden Prompt eingeben und ein perfektes Video samt Tonspur erhalten? Meta macht es angeblich möglich...

Dass die Internet-Konzerne so mächtig sind, haben wir zugelassen. Dank KI können sie uns künftig noch geschickter manipulieren.

Warum Detektivfilme, wenn es um Kombinatorik, um Rätsel und Spannung geht, bis heute so beliebt sind...