Einen Weg zurück wird es wohl nicht geben, die Büchse der Pandorra ist nun mal geöffnet, da kann man streiken und protestieren wie man will, Artificial Intelligence wird sich nicht mehr aus der Welt schaffen lassen. Die künstliche Intelligenz – zugänglich gemacht durch Angebote wie ChatGPT bedroht einerseits den Lebensunterhalt von Kreativen, allen voran Drehbuchautor*innen, doch andererseits schlummern auch viele Möglichkeiten in ihr. Hier muss man sicher unterscheiden zwischen der Hilfestellung bei der Recherche, wo Künstliche Intelligenz klassischen Suchmaschinen deutlich überlegen ist und dem Gedankenspiel, Drehbücher gänzlich von der KI schreiben zu lassen. Letztendlich steckt dahinter die Frage ob KI das Drehbuchschreiben verbessern, erleichtern oder ersetzen kann.
ChatGPT ist eigentlich nicht wirklich intelligent, es erzeugt aber die Illusion, intelligent zu sein. Und diese Illusion reicht, um den Hype um die KI kontinuierlich zu befeuern und den Irrglauben zu bilden, dass sich Drehbücher künftig fast wie von allein schreiben werden. Tatsächlich klaubt ChatGPT aus zahllosen Texten Sätze zusammen und kombiniert sie neu, ohne wirklich die Grundprinzipien eines Drehbuchs zu kennen, geschweige denn eigene kreative Neuschöpfungen anbieten zu können. Die Vielzahl der verwendeten Quellen macht es nahezu unmöglich, die beraubten Urheber der Satzbausteine ausfindig zu machen.
Was aber mindestens genau so problematisch ist,- ChatGPT und andere KI Programme suchen ihre Textelemente aus einem riesigen Textfundus, das Trainingsset muss allgemein und möglichst breitgefächert Antworten generieren. Die KI soll im besten Fall zu Tiefseefischen oder Automarken genauso gute Antworten liefern, wie zu mittelalterlichen Minnesängern. Drehbücher lassen sich damit nur schlecht bis überhaupt nicht generieren.
Status
Für seriöse kreative und eigenständige Drehbuch-Arbeiten, ohne Zutun von Autor*Innen ist die aktuelle Künstliche Intelligenz noch weitgehend ungeeignet. Sie ist als Allrounder-KI auf alles trainiert, was sich so an Datensätzen im Internet finden und zusammenkopieren lässt. Aus diesem Grund liefert sie häufig Unsinn, allerdings so gut verpackt, dass es irgendwie bedeutsam wirkt. Und wir stehen ja erst am Anfang der Entwicklung, wer weiß wie die KI in zehn Jahren dasteht. Sie ist in ihrer aktuellen, breit angelegten Form ein hervorragendes Recherche-Tool.
Produktionsfirmen lassen sich durch die Versprechungen der großen Softwarekonzerne locken, weil sie glauben, dass dadurch ihre Produktionskosten gesenkt werden könnten. Die Kürzung von Autorengehältern ist ein Lockstoff der KI Industrie, dem eigentlich nur kurzsichtige Produktionsfirmen verfallen könnten. Was sie vielleicht durch reduzierte Autorenhonorare einsparen würden, werden sie bald schon an die KI Konzerne bezahlen müssen.
Tatsächlich wird uns die KI aktuell noch in einer Weise angeboten, die den Eindruck vermittelt, dass sie leicht, im Zweifel auch kostenfrei und ohne Werbung verfügbar ist. Doch das wird sich ändern. Man kennt das von anderen Angeboten wie Social Media. Zunächst werden möglichst viele User mit den neuen Angeboten vertraut, um nicht zu sagen, abhängig gemacht und im nächsten Schritt wird die werbetreibende Industrie angesprochen, um diesen neuen Kundenkreis mit Werbung zu bombardieren. Gleichzeitig wird auch das ursprünglich recht hochwertige und anspruchsvolle Angebot immer stromlinienförmiger und kommerzieller geformt.
KI ist in der Lage vorherzusagen, worauf die User voraussichtlich klicken und damit Werbeumsätze generieren werden. Da kann sie in der Tat sehr vieles leisten. Die Frage ist nur, ob dies auch der Qualität der Inhalte dient. Es geht nicht wirklich um Geschichten oder Gefühle, es geht um Klickraten, Seitenaufrufe, Affiliate-Links, all das Zeug was für die schöne digitale Welt zur wichtigsten Währung geworden ist.
Risiken
Die Gefahr ist groß, dass Urheber von Drehbüchern ihre oft lebenslang gesammelten Drehbücher, diese im Tausch gegen irgendwelche scheinbaren Vorteile durch KI aufgeben und großen Softwarekonzernen den Zugang gewähren.
Wenn sich Autor*Innen oder auch Produktionsfirmen auf solche Freigaben einlassen, sind sie künftig den Anbietern von KI in großem Maße ausgeliefert. Das ist keine bloße Annahme, man hat diese Vorgehensweise in anderen Branchen bzw. Themenbereichen mehrfach erlebt. So wie Google & Co die Nachrichten von Tageszeitungen und Magazinen weltweit ausbeuten ohne signifikante finanzielle Vergütungen zu zahlen oder wie Streamer a la Spotify die Musikindustrie um Einnahmen gebracht haben, droht in Kreativbereichen Ähnliches durch die KI.
Die Verheißung, dass Drehbücher dank KI känftig schneller und damit billiger erzeugt werden können, klingt für Produktionsfirmen verlockend, sie ist allerdings irreführend, denn es wird nicht lange dauern, bis die Softwarekonzerne sich genau diese Hilfe im Drehbuchprozess werden teuer bezahlen lassen.
So wie die Algorithmen nach denen Netflix & Co einschätzen, was Massengeschmack ist und nur diesen in ihrem Angebot bedienen, wird der bewährte Kino und Filmmechanismus, nämlich das Drehbuchautor*Innen versuchen, sich in das Publikum hinein zu versetzen, damit das Publikum sich in die Charaktere hineinfühlen kann, von der KI nicht bedient. Statt eine möglichst weite Palette an menschlichen Verhaltensweisen aller Menschen aufzuzeigen, gibt KI dann nur noch die erfolgreichsten Erzählmuster wieder.
Auch lassen sich klare Vorgaben machen, welche Themen und Inhalte ausgespart werden sollen. Die perfekte Selbstzensur sozusagen. Damit kann man Empfindlichkeiten in verschiedenen Verwertungsmärkten wie etwa China, von vornherein umgehen, was zugleich eine kreative Verarmung zur Folge haben wird.
Diese nur schwer kalkulierbaren besonderen Konstellationen beim Entstehen echter Drehbücher und deren kreativer Umsetzung, lässt sich nur schwer von nüchterner Statistik ablösen. Empathie beherrscht KI nunmal nicht und sie kennt eben auch nicht die Erfahrung, gemeinsam mit anderen Menschen in einem Kinosaal oder Zuhause etwas Ähnliches beim Anschauen eines Filmes zu empfinden. Das Schreiben, Diskutieren, Überarbeiten von Drehbüchern, das Lernen vom Feedback, all diese immens wichtigen Prozesse im Entstehen von Drehbüchern, fallen möglicherweise weg.
Chancen
Die generative KI wird künftig definitiv in Kreativbereichen zum Einsatz kommen, sinnvoll allerdings nur, wenn dafür eigene, spezialisierte Systeme aufgesetzt werden. Diese Systeme benötigen enorme Rechenleistung und große Speicher, nur wenn KI Software auf die eigenen, speziellen Inhalte zugreift und nur diese auswertet, lassen sich bessere Ergebnisse erzielen.
Filmindustrie und Drehbuchautor*Innen sollten eigene Artifiicial Intelligence für die Drehbucharbeit entwerfen. Erst wenn es eigene KI Systeme gibt, deren Datensätze ausschließlich aus Drehbüchern bestehen und deren Trainingssatz speziell auf Drehbücher optimiert ist, könnte KI zumindest Rohfassungen, grobe Entwürfe, Arbeitsgrundlagen für Drehbuchautor*Innen liefern. Auf dieser Basis könnte dann weitergearbeitet werden, insbesondere für serielle Formate ließe sich damit eine Menge Zeit einsparen. Und man könnte sicherstellen, dass in den Metadaten zugleich die Ursprungsquelle jeder einzelnen Zeile nachvollziehbar wäre. Daraus könnten dann vielleicht Zweitvergütungen für die ursprünglichen Autor*Innen abgeleitet werden.
Leider ist die Film,- und Medienindustrie inzwischen alles andere als homogen, deshalb stehen die Chancen, dass sich hier eine gemeinsame Anstrengung generieren lässt, eher gering. Man kann nur hoffen, dass es nicht nur eine, von den wenigen großen High-Tech Konzernen dominierte Zukunft gibt, sondern viele alternative Varianten. Und dass es weiterhin die Geschichten sein werden, die um uns herum geschehen, die unser Innerstes berühren und unbedingt erzählt werden müssen, die dann verfilmt werden und nicht die stereotypen Klickraten-Könige des digitalen Zeitalters.