Das Münchner Filmfest wurde am Donnerstagabend feierlich im Matthäser-Filmpalast mit der Deutschland-Premiere von "Toni Erdmann" eröffnet. Maren Ade hatte mit dem Film zuvor bereits in Cannes große Aufmerksamkeit erregt.
Dass es am Eröffnungstag stets tropisch heiß ist in München gehört zu den angenehmen Gewissheiten dieses Festivals. So hoch ist die Promidichte selten bei Münchner Veranstaltungen, der rote Teppich hätte ruhig noch etwas breiter sein können für all die Stars und Sternchen der Filmbranche.
Eröffnungsfilm
Der Film von Maren Ade lief bereits erfolgreich in Cannes, ihn als Eröffnungsfilm zu platzieren ist einerseits ein Coup, andererseits aber zugleich eine Herausforderung für die Gäste der Veranstaltung für die sich der anschließende Empfang im Bayerischen Hof angesichts von 3 Stunden Filmlänge deutlich in die Nacht hinein verschiebt.
So waren das einzige Einsparpotential im Zeitbudget die Reden vor dem Film, niemand kam da aus und so wurden einmal nicht alle Politiker, Verbandsvorsitzenden und Prominenten genannt und nicht jede Standortleistung für die Filmbranche erwähnt.
Selbst Oberbürgermeister Udo Reiter und Ministerin Ilse Aigner hielten sich daran, konnten sich aber Seitenhiebe auf die schiere Länge des Eröffnungsfilms nicht verkneifen.
Kurzkritik
Der Film lässt uns gleich zu Beginn eintauchen in die seltsame Scherzwelt des pensionierten Musiklehrers Winfried (Peter Simonischek), der einen Paketboten mit der Story schockt, das Paket sei vermutlich für seinen Bruder, der wegen Baus von Paketbomben verurteilt worden sei.
Dieser einsame und seltsame Mann, der an seinem altersschwachen Hund hängt und der seine Gags auch bei der eigenen Mutter und der Verwandtschaft platziert, wird einem recht schnell vertraut. Seine Tochter, die er kurz bei seiner Exfrau zu sehen bekommt, ist eine Businessfrau, die selbst bei ihrem kurzen Heimatbesuch ständig mit geschäftlichen Telefonaten beschäftigt ist, wird von Sandra Hüller gespielt.
Sie arbeitet für ein Beratungsunternehmen, und so wie sie und die übrigen Berater wie Heuschrecken über ein Ölunternehmen in Bukarest hergefallen sind, platzt ihr Vater plötzlich mit Perücke und Scherzartikel-Gebiss in das Bürogebäude und das Leben der Tochter.
Sie kann diesen schrägen Störenfried zunächst überhaupt nicht gebrauchen, zumal er sie und die ganze humorfreie Beraterbande schrill parodiert und immer wieder aus ihrer verlogenen Businessattitüde reißt. Die junge Frau im Business-Dress spielt vorzüglich auf dem Power-Point, Socializing und Gewinnmaximierungsklavier, doch ihr Leben ist leer. Dieser schrille Vater holt sie auf liebenswerte Weise wieder zurück ins Leben. So wird er, ganz ohne BWL und Management-Studium zum ungleich wertvolleren Consultant.
Die Tragikomödie ist voller guter Beobachtungen und sprachloser Momente, hinterfragt Werte und Lebenshaltungen und demaskiert die von unserer Welt immer mehr Macht ergreifenden Controler/Berater in allen Bereichen unseres Lebens auf eine schrille Weise. Das macht den Film zutiefst menschlich und zeugt von einer hervorragenden Wahrnehmung des Schicksalhaften im Alltag.
So etwas hätte leicht danebengehen können, hier die richtigen Nuancen und Farben zu treffen funktioniert nur, wie die Regisseurin in einem Interview erläuterte, durch zahlreiche Variationen zu jeder Szenen. Da hat sich Jemand etwas getraut und einen anarchischen, schrägen Film verwirklicht, der sicherlich auch mit viel Improvisationslust die Möglichkeiten des Absurden, vermischt mit zutiefst realistischen Momenten ausgelotet hat. Ob dies wirklich 3 Stunden Erzählzeit bräuchte, darüber lässt sich trefflich streiten, in jedem Fall bringt der Film, vielleicht nicht formal gestalterisch, aber dafür inhaltlich erzählerisch ein "bissele frischen Wind" in den deutschen Film wie es Melanie Pröschle, die Hauptfigur aus "Der Wald vor lauter Bäumen" (2003) von Maren Ade ausdrücken würde.
Denn Vieles von der Denke, die da die lebensfernen blutleeren Consultants in ihrer Beratungsfirma tun, ist längst mitverantwortlich für das kreative und geistige Mittelmaß nicht nur des deutschen Films. Dass so ein Film überhaupt gefördert und von Fernsehsendern unterstützt wurde, darf man als kleines Wunder betrachten, denn in vielen dieser Institutionen, aber auch Filmschulen und leider auch Produktionshäusern haben sich längst besagte Controler und Exelkästchen-Denker breitgemacht.
Das Fest gehört den Zuschauern
Das Münchner Filmfest ist vor allem ein Publikumsfestival und die Münchner beweisen ihre Liebe zum Kino durch eifrige Kinobesuche. Über 200 Filme sind am Start und das Movie-College berichtet vom Festival. Hier ein kurzer Eindruck von der Eröffnung des Festivals im Mathäser Filmpalast.
Die Eröffnungs-Party im Bayerischen Hof
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