Während früher der deutschsprachige Filmnachwuchs ausschließlich nach Hof strebte, hat sich über die Jahre das Saarbrücker Max Ophüls Festival zu einer mindestens genau so spannenden Plattform entwickelt.
Die feierliche Eröffnung des Festivals begann zugleich mit einer ersten Preisverleihung, der Ehrenpreis des Festivals ging an Doris Dörrie, die als Motto Ihrer Lehre für Filmstudenten das "Ermuntern" erläuterte. Nachdem Bürgermeisterin und Ministerpräsidentin sich mit ihrer Liebe zum Kino outeten und die Festival-Chefin Svenja Böttger das Publikum begrüßte und ihre Begeisterung über das diesjährige Programm teilte, wurde schließlich der Eröffnungsfilm gestartet.
"Der Hauptmann" von Robert Schwentke beginnt eigentlich klug und sensibel mit einem flüchtenden Soldaten in den letzten Kriegstagen, der mit knapper Not sein Leben retten kann. Als er dann einen aufgegebenen Militärwagen findet auf dessen Rücksitz in einem Koffer eine Hauptmannsuniform samt Mantel und Stiefeln liegt, wandelt er sich zu einem Hauptmann. Zu Beginn spürt man noch, wie schwer es ihm fällt, um nicht enttarnt zu werden, so zu handeln, wie man es von einem Nazi Hauptmann erwartet, nämlich äußerst brutal.
Doch leider driftet der Film mehr und mehr zu einem "Große Jungs Spielen Krieg" Kriegsfilm von teilweiser außerordentlicher Brutalität. Man könnte nun sagen, der Umstand, dass es diese Figur tatsächlich gegeben hat, jenen Gefreiten Willi Herold, der auf Grund seiner Brutalität schließlich als „Henker vom Emsland“ berüchtigt war, rechtfertige eine ebenso drastische Darstellung. Da wirken das hehre Ziel der Aufklärung über menschliche Abgründe und die Frage an den Zuschauer, wie man sich selbst in einer solchen Situation verhalten hätte, doch ein wenig vordergründig.
Man könnte auch darüber nachdenken, ob das Medium Film nicht immer auch eine Übersetzungsleistung herstellen sollte und müsste, statt linear abzubilden. Ob dieser Film als Festivalopening die richtige Wahl war, ist zumindest diskussionswürdig.
Wettbewerb
Im Wettbewerb für Spielfilme laufen folgende Filme:
1000 ARTEN REGEN ZU BESCHREIBEN, Regie: Isa Prahl Deutschland 2017 | 91 Min. | dt. Erstaufführung
ANGST (LOVE WILL KEEP US SAFE FROM DEATH), Regie: Vladislav Yö Deutschland 2018 | 99 Min. | Uraufführung
AXEL DER HELD, Regie: Hendrik Hölzemann Deutschland 2018 | 90 Min. | Uraufführung
BLUE MY MIND, Regie: Lisa Brühlmann Schweiz 2017 | 97 Min. | dt. Erstaufführung
COPS, Regie: Stefan A. Lukacs Österreich 2017 | 92 Min. | dt. Erstaufführung
DRAUSSEN IN MEINEM KOPF, Regie: Eibe Maleen Krebs Deutschland 2018 | 99 Min. | Uraufführung
GOLIATH, Regie: Dominik Locher Schweiz 2017 | 85 Min. | dt. Erstaufführung
GUTLAND, Regie: Govinda Van Maele Luxemburg, Deutschland, Belgien 2017 | 107 Min. | dt. Erstaufführung
HAGAZUSSA, Regie: Lukas Feigelfeld Deutschland, Österreich 2017 | 102 Min. | dt. Erstaufführung
JENSEITS DES SPIEGELS, Regie: Nils Loof Deutschland 2017 | 90 Min. | Uraufführung
JUST DRIFTING ALONG, Regie: Jan Frers Deutschland 2017 | 76 Min. | Uraufführung
LANDRAUSCHEN, Regie: Lisa Miller Deutschland 2018 | digital | Farbe | 101 Min. | Uraufführung
REISE NACH JERUSALEM, Regie: Lucia Chiarla Deutschland 2018 | 120 Min. | Uraufführung
SARAH SPIELT EINEN WERWOLF, Regie: Katharina Wyss Deutschland, Schweiz 2017 | 86 Min. | dt. Erstaufführung
VAKUUM, Regie: Christine Repond Schweiz, Deutschland 2017 | 85 Min. | dt. Erstaufführung
ZAUBERER, Regie: Sebastian Brauneis Österreich 2018 | 113 Min. | Uraufführung
Im Dokumentarfilm-Wettbewerb des Festivals läuft übrigens auch der Film GERMANIA (Deutschland 2018 | Dokumentarfilm | digital | Farbe | 77 Min. | Uraufführung) von Regisseur Lion Bischof, einem ehemaligen Mitarbeiter des Movie-College Teams.
Preisträger 2018
Der Hauptpreis des Festivals, der 36.000 Euro schwere Max Ophüls Preis, sowie der Fritz-Raff-Drehbuchpreis und der Preis der Ökumenischen Jury gingen an Lisa Miller für ihren Debütfilm "Landrauschen".
Der Preis der Saarländischen Ministerpräsidentin ging an Lisa Brühlmann für die Regie von "Blue my mind", einen Schweizer Spielfilm.
Als bester mittellanger Film wurde "Bester Mann" unter der Regie von Florian Forsch prämiert.
Das Publikum wählte "Endling" unter der Regie von Alex Schaad als besten mittellangen Film aus.
Als bester Kurzfilm wurde "Sacrilège" unter der Regie von Christophe M. Saber ausgezeichnet.
Das Publikum wählte "Entschuldigung, ich suche den Tischtennisraum und meine Freundin" von Bernhard Wenger als besten Kurzfilm aus.
Der Preis für den besten Schauspielnachwuchs ging an Loane Balthasar für ihre Rolle in "Sarah spielt einen Werwolf".
Der Preis der Jugendjury ging an "Draußen in meinem Kopf" unter der Regie von Eibe Maleen Krebs.
Der Preis für den besten Dolkumentarfilm ging an "Global family" Regie: Andreas Köhler und Melanie Andernach
Der Preis für die beste Filmmusik ging an Musik: Matthias Lindermayr für die Musik zu "Germania" (Regie: Lion Bischof)
Das Publikum wählte "Cops" von Stefan A. Lukacs für den Publikumspreis aus.
Networking & Diskussionen
Auf dem Filmfestival werden nicht nur spannende Entdeckungen des deutschsprachigen Films gezeigt, sondern es werden auch interessante Panels und Workshops angeboten, wo sich junge Filmemacher mit Branchenvertreter-inne-n vernetzen können.
ZWISCHEN SPIELWIESE, EXPERIMENTIERFELD UND NEUEM MAINSTREAM – DER BOOM DER WEBSERIE 24.01.2018, 11:00-12:30 UHR
In der Reihe MOP-Visionen, in der wir digitale Erzählformate abseits des Kinos vorstellen, zeigen wir in diesem Jahr fünf sehr unterschiedliche Webserien. Es ist ein Erzählformat, das bei vergleichsweise niedrigen Budgets große Entfaltungsmöglichkeiten bieten. Und so nutzen es zurzeit gerade Nachwuchsfilmschaffende dafür, neue Narrationen und Vertriebskanäle abseits des Mainstreams auszuprobieren. Wie vielfältig sind die Möglichkeiten tatsächlich? Wie groß das Experimentierfeld? Wer finanziert im Moment Webserien, für die bereits eigene Förderprogramme existieren? Welche Verwertungsmöglichkeiten bestehen? Ein Blick ins Labor in die Entwicklung eines zeitgemäßen narrativen Formats.
Teilnehmer·innen: Lea Becker, Regisseurin HIT AND RUN / Felix von Boehm, Produzent JUST PUSH ABUBA / Jana Burbach, Autorin JUST PUSH ABUBA/ David Figura, Regisseur SCHEISSE WAR SCHON IMMER BRAUN / Dirk Rosenlöcher, Regisseur DISCOCALYPSE / Florian Schneider, Produzent HIT AND RUN / Levin Hübner, Creator LAMPENFIEBER / Susanne Braun, Moderatorin
FILMFLUT IM KINO 25.01.2018, 11:00-14:00 Uhr
Rund 130 deutsche Filme (also vier bis fünf pro Woche) schaffen es jährlich ins Kino – vielen anderen gelingt das mangels Verleihfirma nicht. Welcher Film den Weg ins Kino findet, entscheidet aber nicht ausschließlich seine Qualität, sondern auch das Maß seiner Anpassung ans deutsche Verleih- und Fördersystem. Entsteht etwa ein Film außerhalb der öffentlichen Förderkette, hat er – einmal fertig – kaum noch eine Chance auf Verleihförderung. Ohne diese Zuschüsse aber lohnt es sich für viele Verleihfirmen bei der Menge an Kinofilmen kaum noch, einen Film überhaupt herauszubringen. Der Frage, wie unabhängige Produktionen dennoch den Weg ins Kino schaffen, wird diese Veranstaltung mit Unterstützung der Union Stiftung in Form von Diskussionen und Best Practice nachgehen.
Teilnehmer·innen: Rüdiger Suchsland, Filmjournalist und -kritiker / Veronika Grob, Förderreferentin beim MBB / Tini Tüllmann, Regisseurin FREDDY EDDY / Verena von Stackelberg, Geschäftsführerin Wolf Kino Berlin / Joya Thome, Regisseurin, MOP-Visionen: JUST PUSH ABUBA / RP Kahl, Regisseur MOP-Watchlist: A THOUGHT OF ECSTASY / Felix Starck, Geschäftsführer Koryphäen Film, Regisseur EXPEDITION HAPPINESS / Alfred Hürmer, Produzent, Geschäftsführer der VGF / Ludwig Ammann, Geschäftsführer Filmverleih Kool Film, Geschäftsführer Friedrichsbau Lichtspiele / Stefan Höh, DOKOMOTIVE / Peter Claus, Moderator
FALLSTRICKE DES PRODUZIERENS 26.01.2018, 11:00-12:30 Uhr
Zwei Produzent·innen wagen sich in dieser Talk-Reihe in den Bereich des Unaussprechlichen: eines möglichen Scheiterns – und das Finden neuer Perspektiven. Im persönlichen Gespräch wird diese Seite des filmischen Schaffensprozesses (anhand von Fallstudien) offen und ehrlich beleuchtet. In Kooperation mit der Produzentenallianz soll es in dieser neuen Reihe um den Austausch von Erfahrungen und das Gewinnen neuer Kenntnisse gehen. Ein Mut machender Dialog zwischen erfahrenen Produzent·innen und den Nachwuchstalenten. Teilnehmerinnen: Judith Tossell, Geschäftsführerin Egoli Tossell Film / Wenka von Mikulicz, Stoffentwicklung DCM / Urs Spörri, Moderator
VITAMIN G – WIE EINE NEUE GENRELUST DAS ERZÄHLEN BELEBT 27.01.2018, 11:00-12:30 Uhr
Stilistisch auffällig am vorliegenden Jahrgang des deutschsprachigen Nachwuchsfilms ist das Erzählen unter Verwendung filmsprachlicher Mittel aus dem Gestaltungskanon des Genrefilms. In zahlreichen Filmen finden sich mal mehr, mal weniger deutliche Referenzen an Westernfilm, Horror, Mystery und Polizeithriller. Mögen die Filme seitens Dramaturgie und Sujet auch dem Drama, der Komödie oder dem Coming-of-Age entsprechen, so werden sie zunehmend mit Mitteln des Genres erzählt. Das klare und stereotype Schwarzweiß des Westernfilms, das Explizite des Horrorfilms – in Gestalt mal exploitativer, mal dramaturgisch legitimierter Gewaltdarstellungen – oder die Kultur der Angstpflege des Thrillers eignen sich hervorragend, um gesellschaftspolitische Aspekte unserer Zeit zu thematisieren, ohne sie direkt zu erzählen. Die Mittel des lange als oberflächlich und populär verschrienen Genrefilms sind fest im Werkzeugkoffer der neuen Regiegeneration installiert. Aber inwiefern spiegeln sie auch den Puls der Zeit?
Teilnehmer·innen: Lukas Feigelfeld, MOP Spielfilm Wettbewerb: HAGAZUSSA, Regisseur / Govinda van Maele, MOP Spielfilm Wettbewerb: GUTLAND, Regisseur / Isa Prahl, MOP Spielfilm Wettbewerb: 1000 ARTEN DEN REGEN ZU BESCHREIBEN, Regisseurin / Nils Loof, MOP Spielfilm Wettbewerb: JENSEITS DES SPIEGELS, Regisseurin / Urs Spörri, Moderator
PERSPEKTIVEN ZUR WIRKLICHKEIT – DAS POLITISCHE IM DOKUMENTARFILM 27.01.2018, 13:00-14:30 Uhr
Als Fenster in die Welt gilt der Dokumentarfilm per se als politisch, weil er sich mit aktuellen gesellschaftspolitischen Strömungen auseinandersetzt. Doch politisch zu sein heißt für einen Film nicht zwingend, vorgefertigte Thesen abzuarbeiten oder das Moore’sche Meinungskino zu pflegen. Gerade angesichts kontroverser gesellschaftlicher Diskurse beherrscht eher das neutrale Prinzip des Direct Cinema die Ausdrucksformen des Dokumentarfilms. Dem Zuschauer sich selbst eine Meinung bilden zu lassen bedeutet aber für Filmemacher nicht automatisch, selbst keine Haltung zu zeigen. Einen Dokumentarfilm mit Mitteln des Spielfilms zu erzählen, eine gekonnt kontroverse Zusammenstellung von Protagonisten zu wählen, dem Protagonisten scheinbar komplett die Zügel zu überlassen oder ein Thema auf die vermeintlich unverfängliche private Ebene zu reduzieren – all das können bewusste Strategien sein, das Politische explizit zu machen. Doch welches Maß an Haltung dürfen sich Dokumentarfilmer·innen nach außen leisten, ohne manipulativ zu werden?
Teilnehmer·innen: Melanie Andernach, MOP Dokumentarfilm Wettbewerb: GLOBAL FAMILY, Regisseurin / Malte Blockhaus, MOP Dokumentarfilm Wettbewerb: FOLLOWING HABECK, Regisseur / Lion Bischof, MOP Dokumentarfilm Wettbewerb: GERMANIA, Regisseur / Lilian Nix, MOP Dokumentarfilm Wettbewerb: KINDSEIN – ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST!, Regisseurin / Lili Hartwig, Moderatorin