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Zum ersten Mal präsentiert die Berlinale in der Sparte Kinderfilmfest eine neue Rubrik mit dem Titel 14plus, die nach Aussage der Festivalleitung vor allem Jungendliche zum Festivalgelände locken soll. Filme für Teenager - da kommt unweigerlich die Frage auf, in welcher Variation nun diesmal ein sogenanntes Bild heranwachsender Jugendlicher gezeichnet wird und dabei die Grenzen des guten Geschmacks überschritten werden. Seit dem Erfolg des Blockbusters "American Pie" haben Teenie Filme international Hochkonjunktur und überschwemmen inzwischen auch das Privatfernsehen mit einer vermeidlichen Realitätsdarstellung. Hip, provokant und ausfallend muss in jedem Fall das Drehbuch sein, um der pubertierenden Handygeneration überhaupt ein attraktives Event bereiten zu können. In der Regel geht es um den Herzschmerz der postmodernen Jugend vermengt mit sexueller Laszivität, so dass im Ergebnis ein Konglomerat aus Klischee, platter Komik und gesteigerter Perversion auf die Leinwand projiziert wird.

Der dänische Regisseur Aage Rais-Nordentoft ist in diesem Jahr mit dem Beitrag "2 ryk og en aflevering" (Kick´n Rush) auf der Berlinale vertreten. Allein der Titel gibt bereits Entwarnung und lässt allenfalls berechtige Hoffnung auf Ungewöhnliches zu. Es geht, so der Regisseur, primär um die individuelle und gefühlsmäßige Erinnerung des Zuschauers an jene Zeit, die mit der ersten Liebe in Verbindung gebracht wird. Im Mittelpunkt der Story stehen die Freunde Jakob, Bo und Mikkel - wahrscheinlich Freunde seit dem Kindesalter und noch immer aktive Fußballspieler einer Mannschaft, die von Jakobs Vater geleitet wird. Der Konflikt der Story ist somit bereits vorprogrammiert. Während der Vater in den Kindern seine eigene Selbstverwirklichung sucht, von dem Glamour von Manchaster United träumt, entwickeln die Jungendlichen Ihre eigenen Gedanken und Vorlieben. Rais-Nordentoft bedient sich zu Beginn aller Klischees und reduziert die Welt der Protagonisten auf Körbchengrößen und Pornofilme. Statt einer reinen plakativen Darstellung gelingt dem Regisseur dabei jedoch eine Hervorhebung der Diskrepanz aus Körper und Geist. Körperliche Reife, anzügliche Phantasien, Rebellion und unreifer Geist vermischen sich im Film zu einer explosiven Mischung, die von vorne herein in die Katastrophe führen muss.

Es sind jedoch gerade diese menschlichen Fehler, die den Film glaubwürdig erscheinen lassen. Jakob steht für diese Sympathie. Sein Äußeres verrät die Unschuldigkeit der vergangenen Jahre. Doch vor allem der Umgang mit den Mädchen offenbart ein Verhältnis von Leichsinnigkeit, Unaufmerksamkeit und Unsicherheit. Ganz anders dagegen die jugendlichen Mädchen. Bei Rais-Nordentoft vertreten sie den dominierenden Part. Sie offenbaren den Mut der offenen Gefühle und lenken somit das Gefühls Wirrwarr Ihrer Altersgenossen. In dieser Weise gelingt es auch Mathilde, Jakobs Interesse auf sich zu ziehen und seine Liebe zu gewinnen. Auch in dieser Phase beweist der Regisseur die herausragende Phantasie für wirkungsvolle Bilder, die den besonderen Charme der ersten Liebe hervorkehren. Er transportiert Momente der stillen erwartungsvollen Blicke, die mehr über die Einmaligkeit der unbändigen Sehnsucht und Neugier verraten, als alle Worte.

Rais-Nordentoft verdeutlicht mit hoher Ästhetik, dass auch die junge Liebe ernst genommen werden möchte. Doch damit nicht genug. Es geht ihm auch um den schwierigen Reifeprozess zwischen Kindern und Eltern, der auf beiden Seiten zunächst Fehler und Unsicherheit offenbart. Auch hier sind für Rais-Nordentoft geschlechtspezifische Verhaltensmuster erkennbar. Während die Väter nur schwer Veränderungen akzeptieren können, mischen sich die Mütter vor Neugier zunehmend in die Beziehungen ihrer Kinder ein. Diese Kategorisierung wirkt im Film jedoch künstlich hineinprojiziert und löst sich nie ganz von dem Verdacht eines abstrakten Klischees. Im Ergebnis also ein fader Nachgeschmack, der jedoch schnell vergessen werden sollte. Rais-Nordentoft hat in diese Geschichte einer Jugendliebe auch seine gesamte künstlerische Liebe hineingesteckt und steht auf diese Weise weit außerhalb der Klischee-Reihe von American Pie und Co.

 

Gesehen von Bogdan Büchner

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