Jesus Camp
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Daten |
Jesus Camp USA 2006 REGIE: Heidi Ewing, Rachel Grady |
Wettbewerb
Regie: Heidi Ewing, Rachel Grady
Pastorin Becky Fischer veranstaltet für Kinder das Sommercamp "Kids on Fire" in North Dakota. Damit möchte sie die Kinder zu einem wahrhaftigen Glauben verhelfen und die Nation retten vor der Gefahr, die von Ungläubigen ausgeht. Sie predigt ihnen von dem heilsbringenden Glauben an Jesus Christus. Sie berichtet ihnen von der Gefahr, die von der Sünde ausgeht und der jeder ausgesetzt ist. Sie organisiert für die Kinder eine Demonstration gegen Abtreibung vor dem Capitol. Sie schwört sie mit martialischen Tänzen und Verkleidungen auf einen Heiligen Krieg ein, gegen jeden, der Jesus nicht liebt. Die Eindringlichkeit mit der sie auf die Kinder einredet kommt an. Es wird ein Junge gezeigt, der gesteht, nicht alles zu glauben, was in der Bibel steht und darüber verzweifelt. Ein neunjähriges Mädchen spricht Menschen an, die ihrer Meinung nach vom rechten Pfad abgekommen sind und gibt ihnen Broschüren in die Hand und ein weiterer zehnjähriger Junge hält vor allen Teilnehmern des „Bible Camp" eine kämpferische Predigt.
Heidi Ewing und Rachel Grady ist es gelungen ein eindrucksvolles Bild einer evangelikalen Gemeinde im Herzen der USA zu zeichnen. Die Dramaturgie steigert sich langsam, bildet immer wieder kleine Höhepunkte aus, die durch einen bemühten Versuch des Anwalts Mike Papantonio, die Anrufer in einer Radiosendung wachzurütteln, wiederholt kritische Zwischentöne erfährt.
Langsam wird man in die Welt dieser Menschen eingeführt. Wird am Anfang noch über eine Bewegung gesprochen: „Wir müssen uns erheben und uns das Land zurückerobern", steigern sich nach und nach auch die Heftigkeit der Aussagen. Zwei Kinder sprechen unbekümmert über ihre Mitgliedschaft in Gottes Armee und am Schluss rufen alle zusammen im Chor ein unmissverständliches: „This means war."
Es entsteht nach und nach ein beklemmendes Bild einer parallelen Realität, die von einer Massenbewegung getragen wird. Es werden alle wesentlichen und der Bibel widersprechenden Erkenntnisse und Errungenschaften der modernen Zivilisation abgelehnt: der Klimawandel ist nicht existent, der Darwinismus eine Lüge und die Demokratie verhindert die Herrschaft Jesu, usw.
Die Regisseurinnen zeigen eine Gesellschaft, die sich in einer schweren Identitätskrise befindet, die als Ausweg daraus auf tradierte Identitäten unreflektiert zurückgreift. Diesem Bedürfnis nach Identität wird alles geopfert. Die Kinder werden instrumentalisiert, um für die Ideale der Eltern zu kämpfen.
Der vielbeschworene „Kampf der Kulturen" ist hier zum Greifen nahe. Kinder, die auf einen Präsidenten Bush in Form eines Pappaufstellers als Heiligen eingeschworen werden. Ein Junge, der Ekel empfindet, wenn sich in seiner Umgebung nicht-christliche Menschen aufhalten. Die Stigmatisierung der islamischen Erziehungslager als Brutstätte des Bösen bekommt im Film bald einen christlichen Gegenpart, als alle Kinder Tassen mit dem „Hammer des Heiligen Geistes" zertrümmern. Bedenken um dieses militante Gebaren beschwichtigt die Pastorin: „Mit Verlaub, wir besitzen die Wahrheit."
Eine Dokumentation eines beklemmenden mentalen Zustand von Menschen in der heutigen Zeit in den USA, bei der einem bisweilen das Lachen im Halse stecken bleibt und einen die Sprachlosigkeit überfällt.
Gesehen von Johannes von Alten