Fatherland
Daten |
Fatherland Kanada 2006 REGIE: Manfred Becker |
Wettbewerb
Regie: Manfred Becker
Manfred Becker ist vor Jahrzehnten nach Kanada ausgewandert. Er ist vor der Geschichte seines Vaters und seines Landes geflohen. Nun wagt er einen Annäherungsversuch, um den durch ihn verursachten Bruch in der Familiengeschichte zu reparieren und seinem Vater wieder näherzukommen.
Er möchte ebenso seinem Sohn, der von seinen Mitschülern als Nazi bezeichnet wird, die Angst vor dem Schreckgespenst des eigenen Erbes nehmen und ihm seine Wurzeln näher bringen. Er bringt ihm gegenüber jedoch keine Geduld auf. Er drängt ihn mit Fragen, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen, die ihm selber so sehr weit entfernt scheint. Jonas blockiert und verschließt sich.
Manfred beschließt seinen Vater zu besuchen und seinen Sohn mitzunehmen, um eine Brücke zwischen den Generationen zu schlagen.
Auf höfliche, aber dennoch distanzierte Weise kommen sich Manfred und sein Vater näher. Der Generationenkonflikt zwischen der Kriegs- und der 68er-Generation wird deutlich, da sie im Grunde nicht der gleichen Meinung sind. Dies lässt Manfred aber außen vor lassen und hört seinem Vater zu und bringt Verständnis auf.
Auch die Begegnung zwischen Enkel und Großvater ist bemüht und herzlich. So scheint Manfreds Vorhaben zumindest für diesen Moment gelungen. Sie treten zusammen in einem Gottesdienst auf und berichten von ihren Empfindungen zu diesem Thema. Der Großvater spricht von der Angst, die er trotz allem Patriotismus empfunden hat, Manfred spricht von seiner Entfremdung und Jonas hält in einem Theater in der Heimat einen selbstverfassten Monolog, indem er sich am Ende befreit von den bedrängenden Fragen und Schuldzuweisungen. Er dreht den Spieß um und fragt, was wir auf zukünftige Fragen antworten werden, wenn man wissen wollen wird, was wir gemacht haben, wo wir waren. Er schlägt damit die Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart.
Mit dem Film Fatherland macht sich der Regisseur auf die Suche nach seiner eigenen Vergangenheit, die eng mit der des Vaters verknüpft ist. Er zeigt deutlich, wie die Beziehung zwischen dem Regisseur Manfred Becker und seinem Vater von der politischen Geschichte dominiert und gestört wurde. Er, der sich befreien wollte vom Vater und politischen Erbe, erkennt seine Entfremdung und sucht Versöhnung.
Der Film zeigt anschaulich, wie ein Entkommen vor der eigenen Vergangenheit nicht möglich ist. Der Großvater, der sich der Vergangenheit entzieht, in dem er sie verklärt oder leugnet. Der Vater, der sich der Vergangenheit entzieht, in dem er nach Kanada auswandert und den Kontakt zu den Eltern auf das Nötigste reduziert. Der Sohn, der von dem schweren, unangenehmen Erbe nichts wissen will und sich dem Gespräch darüber entzieht.
Subtil wird der Prozess dargestellt, den alle Beteiligten durchlaufen. Ihr behutsamer Umgang miteinander zeugt vom Willen die Familie wieder zu einen und dem anderen zu vergeben und das Erbe anzunehmen. Sie hören geduldig zu, lassen den anderen Raum für Erläuterungen, zeigen Verständnis und erkennen gerade dadurch trotz der scheinbaren Gegensätzlichkeit Parallelen zwischen den Generationen.
Stilistisch ist der Film so aufgebaut, dass immer wieder alte Familienaufnahmen und Filmausschnitte in den Film eingebaut werden, um die Verbindungen zwischen Vergangenheit und Realität herzustellen und um einen Eindruck der Zeit des zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit zu geben. Diese Sequenzen wirken allerdings etwas störend, das es sie nicht unbedingt gebraucht hätte, um diesem Eindruck zu erreichen. (Vermutlich eist der Film auf ein Publikum zugeschnitten, welches diese Bilder von Trümmerfrauen, oder Ruinenlandschaften nicht kennt.)
Es ist ein mutiges Experiment, da der Regisseur seine eigene Familiengeschichte aufrollt und dabei alles vor der Kamera geschehen lässt. Er ist dabei niemals selbstdarstellerisch, selbstgerecht oder ohne Selbstzweifel und schafft es einen Weg aus seiner Situation aufzuzeigen.
Gesehen von Johannes von Alten