Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben von Autoren,- oder wenn diese es nicht alleine schaffen, von Dramaturgen, Regisseuren etc. Autoren dazu zu bewegen, ihre Bücher prägnanter und knapper zu halten. Warum? Nun vor allem um das Drehbuch besser zu machen. Überflüssige Szenen sind Ballast, der im Idealfall gar nicht erst gedreht wird oder im schlimmeren Fall für teures Geld gedreht und dann im Schnitt rausgeworfen wird. Kürzen ist also keine gemeine Zwangsmaßnahme, sondern eine Überarbeitung, eine Optimierung eines Drehbuchs.
Das ist gar keine einfache Aufgabe, schließlich stecken Autor-inn-en so tief in ihren Geschichten drin, dass sie gar nicht mehr beurteilen können, welche Informationen zu oft, welche vielleicht gar nicht gegeben wurden. Es fehlt schlicht die neutrale Betrachtung der eigenen Drehbucharbeit, fehlt die Möglichkeit, wichtige von unwichtigen Szenen zu unterscheiden.
Dabei darf es keine Tabus geben. Szenen an denen man sehr lange gearbeitet hat, die mühsam waren, die man aus irgendwelchen Gründen besonders mag, müssen genau so wie alle anderen Szenen daraufhin überprüft werden, ob sie für die Filmgeschichte zwingend notwendig sind. Falls sich am Verlauf des Films nichts ändert, wenn die Szene nicht da wäre, dann kann man sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auch streichen. Irgendwann sollten nur noch Dialoge und Handlungen im Buch stehen, die so drin bleiben müssen, weil ohne sie etwas Wichtiges fehlen würde.
Übererzählt
Filme erzählen in der Regel nicht in Echtzeit. Das ist auch gar nicht wünschenswert, schließlich wollen die Zuschauer ja in einer kompakten Form Erkenntnisse und Emotionen erfahren und nicht allen unwichtigen Tätigkeiten auch beiwohnen. Ich muss nicht zeigen, wie Filmfiguren durchs Treppenhaus gehen um irgendwo in einer Wohnung im fünften Stockwerk anzukommen. Ich muss nicht einmal zeigen, wie die Filmfigur den Mantel auszieht, auf einen Bügel hängt und diesen an die Garderobe hängt. Man muss auch nicht erzählen, wie Filmfiguren sich ausgiebig begrüßen, Hände schütteln usw.
Eigentlich sollte ich in eine bestimmte Situation (=Szene) stets so spät wie möglich einsteigen und so früh wie möglich auch wieder herausgehen. Das ist eine der Faustregeln des Drehbuchschreibens. Wenn man das eigene Drehbuch daraufhin untersucht, wo vorne oder hinten zuviel Handlung oder Dialog steht, bieten sich neue Kürzungsmöglichkeiten.
Dopplungen
Informationen, welche die Zuschauer schon einmal bekommen haben, können in anderer Form noch mal irgendwo varriert auftauchen. Werden sie aber einfach nur gedoppelt, dann kann man eine Wiederholung rausstreichen. Das gilt insbesondere, wenn Informationen bereits über das Bild (die idealere Weise beim Film) vermittelt wurden, sollte man sie nicht noch einmal in den Dialog verpacken.
Sprünge
Zuschauer sind gar nicht unglücklich, wenn Sie beim Schauen eines Films auch ein wenig gefordert werden. Wenn sie aus bereits gesehenen Szenen auf Ereignisse oder Prozesse schließen können, die sie gar nicht gezeigt bekommen, so werden sie mehr in die Geschichte involviert. Leerstellen nennt man so etwas,- oder lückenhaftes Erzählen. Das spart Erzählzeit und macht Filme interessanter.
Gruselig: Endlose Erklärdialoge
Filme sind filmisch, wenn sie mit Bildern arbeiten. Müssen die Protagonisten unendlich viele Dialoge sprechen nur um Backstory oder irgendwelche Verhältnisse zwischen Figuren zu erläutern, dann ist das kein Film, sondern Hörspiel. Typische Erklärdialoge beginnen mit: "Weißt Du noch, wie wir beide in der Grundschule immer die Lehrerin geärgert haben?" oder "Hättest Du mich damals nicht verlassen, hätte ich nicht so viele Dummheiten gemacht..."
Viele Dinge, die eigentlich in die Back-Story gehören (das sind all die Informationen, die Autor-inn-en zwar zu einer Figur angelegt haben, die aber nicht zwingend auch im Drehbuch stehen, also ein fiktiver Lebenslauf beispielsweise) gelangen auf seltsame Weise in Erklärdialoge hinein, so als habe man Angst, die Zuschauer könnten die Filmfigur nicht richtig verstehen.
Anders verhält es sich mit Dialogen, die vielleicht besonders emotional, besonders heiter oder auch den Charakter der Filmfiguren erhellend sind. Da muss man immer abwägen, was sie für den Film bringen. Manchmal kann sogar sinnfreies gerede etwas Bestimmtes zum Ausdruck bringen, doch das ist eher die Ausnahme.
Vorgehensweise
Damit man ein Buch, mit dem man schon so viel Zeit verbracht hat, gut kürzen kann, sollte man eine Weile nicht hinein geschaut haben. Der zeitliche Abstand erlaubt es, ein wenig anders auf dieses Buch zu schauen. Für das richtige Kürzen bedarf es außerdem einer ganzen Menge Mut und Rigorosität. Untersuchen Sie Ihr Buch auch auf den Rhythmus hin, vor allem aber darauf, was jeder Dialogsatz, jede Handlung für den Film bringt. Prüfen Sie auch, ob jede Nebenfigur gebraucht wird oder ob man bestimmte Funktionen auch auf eine andere Figur übertragen könnte.
Viele Autor-inn-en berichten übrigens, dass sie in einem ausgedruckten Drehbuch viel leichter kürzen können, als in der Datei am Computer. Wichtig,- nach so einem Kürzungsdurchgang muss man möglicherweise noch einmal Dialoge und Beschreibungen optimieren, sie müssen an die geänderten Inhalte angepasst, müssen ein wenig aufgehübscht bzw. geputzt werden.