Zusatzfinanzierung
Über kaum einen Bereich der Zusatzfinanzierung beim Film herrscht soviel Unklarheit wie über Product placement. Einer, der sich damit wie kaum ein Anderer seit Jahrzehnten auskennt, Johannes Schultz, Leiter der Abteilung AV-Medien im Bereich Konzernkommunikation und Politik bei der BMW Group, München, erläutert umfassend dieses Instrument.
„Harry, fahr' schon mal den Wagen vor.“
Wer kennt ihn nicht, diesen Satz bzw. meint ihn zu kennen. Der Satz, der dem berühmten Krimi-Kommissar Stephan Derrick unterstellt wird, ist tatsächlich nie gefallen. Wer immer ihn erfunden hat, macht damit Werbung für Product placement.
Fast jeder weiß, dass mit dem Wagen ein BMW gemeint ist und dass Harry Klein der diensteifrige Assistent von DERRICK ist. Das weiß man sogar rund um die Welt, denn die Derrick-Serie des ZDF ist in 70 Sprachen synchronisiert worden, und somit weiß die Welt, dass deutsche Kriminalkommissare einen 7er BMW fahren.
Ist das nun „Schleichwerbung“ für BMW oder für die Polizei und damit verboten, weil ja auch irreführend, denn deutsche Kommissare fahren durchaus auch Mercedes, VW, Ford und Opel. Oder ist der BMW ein dramaturgisch notwendiges Filmaccessoire und als solches erlaubt? Wo liegen die Grenzen zwischen Werbung, Filmrequisiten und Schleichwerbung. Wer profitiert hier von welcher Dienstleistung und steckt tatsächlich Profit dahinter? Die Beantwortung dieser Fragen ist für Filmschaffende und für die Hersteller der Markenartikel ganz hilfreich, eventuell auch lukrativ und kann dem einen ein Lob für besonders sorgfältige Ausstattung bringen und dem anderen Beachtungserfolg.
Beginnen wir mit der Wortschöpfung „Product placement“ und zitieren aus der Magisterarbeit von Sabine Dabisch. (Tel. von Sabine Dabisch: (07732) 943 581):
Begriffsdefinition Product placement (PP)
„PP ist die Kommunikationsform eines Markenartiklers, bei der die kreative Einbindung eines Produkts (Marke) oder einer Dienstleistung durch visuelle und/oder verbale Platzierung in einem Spielfilm oder jeder anderen Programmform angewandt wird.
Hierbei wird die Marke als notwenige, reale Requisite in den Handlungsablauf, unter Wahrung der originalen Filmsubstanz, integriert.
Die Darstellung der Marke im positiven, redaktionellen Umfeld erfolgt gegen Geld oder vermögenswerte Leistungen unter Beachtung der ethisch-moralischen Grundsätze.“
Was sind ethisch-moralische Grundsätze? Sicher nicht die biblischen 10 Gebote – siehe „rechtliche Situation“.
Wie entsteht PP?
In der Regel macht sich die Filmproduktion, eventuell der Regisseur, manchmal schon der Drehbuchautor Gedanken über die Ausstattung des Filmwerks. Welche Gegenstände sind erforderlich, um einer bestimmten Situation einen eindeutigen Charakter zu geben, das bestimmte Lokal-Kolorit, das historisch richtige Umfeld zu treffen oder auch die Filmrollen selbst zu unterstreichen?
eine Hausfrau, eine Wissenschaftlerin, ein Rechtsanwalt, eine Richterin und wie sehen all diese Rollen aus, wenn ihre Akteure in privater Sphäre auftreten sollen? Welche Kugelschreiber, Füllfederhalter, Ringe, Ketten, Broschen, Schlipse tragen diese Menschen, welche Autos fahren sie? Teilweise stehen diese Dinge wohlweislich im Drehbuch, teils werden sie bei den Filmvorbesprechungen überlegt. Sicherlich wird darüber nicht erst am Drehort entschieden.
Kurzum, welche Gegenstände/Produkte letztlich im Film erscheinen, ist von vornherein kein Zufall, es ist geplant, denn beim Dreh muss jedes Teil, das im Bild erscheinen soll, vorhanden sein und nicht erst gesucht und per Zuspruch entschieden werden.
Der Requisiteur besorgt diese Gegenstände. Bevor er sie kauft, überlegt er, sie vielleicht zu mieten. Und bevor er sie mietet, findet er eventuell einen Hersteller, der sie ihm kostenfrei leiht und der sogar dafür Geld bezahlt, dass das Produkt im Film erscheint. Je deutlicher das Produkt allein durch seine Form auf den Hersteller hinweist, um so eindeutiger bringt es sich als Marke ins Bewusstsein der Zuschauer. Nachfrage und Angebot bestimmen dabei den PP-Preis. Der besteht nicht immer im Austausch von Geld, sondern wird oft mit einem Gegengeschäft kompensiert: Der Film wirbt in gewisser Weise für das Produkt. Das Produkt wiederum dient der klaren Positionierung und Charakterisierung einer Szene und ist in so einem Fall kostenfrei erhältlich, wenn beide Parteien ihre Interessen erfüllt sehen.
Wenn das Angebot für das Erscheinen gewisser Produkte gering ist, die Nachfrage jedoch groß, dann zahlt der Produkt-Hersteller zusätzlich zur Produktleihe noch eine „Gebühr“ pro Sekunde Auftritt seines Produkts in der Szene. Je höherwertig das Produkt, je höher die Miete des Produkts ist und je seltener das Produkt verfügbar, desto eher muss der Filmproduzent für die Bereitstellung des Produkts zahlen. Hier profitiert dann der Film vom Image des Produkts. Je ausgewogener dieser Profit ist, wenn also der Film genauso viel Image vom Produkt erhält, wie er selbst dem Produkt gibt, um so gleichwertiger sind die Vorteile, die Filmproduzent und Hersteller haben. Man spricht vom gegenseitigen Imagetransfer. Die Interessen gleichen sich aus, ohne dass Geld fließt.