Filmkritik - „Rückkehr zum Land der Pinguine“
Regie: LUC JACQUET
Dauer: 83 Minuten
Kinostart (D): 15.2.2024
Nach seinem Oscar-prämierten Dokumentarfilmdebüt „Die Reise der Pinguine“ (2005) und der Fortsetzung „Die Reise der Pinguine 2“ (2017) kehrt Luc Jacquet erneut in die Antarktis zurück und liefert neue Bilder aus dem Land der Pinguine. Doch kann eine solche Tier- und Naturdokumentation in Zeiten von Social Media und bereits unzähligem Bildmaterial aus diesen Gebieten noch beeindrucken und faszinieren?
Wir starten am südlichsten Zipfel Südamerikas. Luc Jacquet nimmt uns mit auf eine weitere seiner Reisen zum Südpol. Wie in einem Reisetagebuch berichtet der Regisseur von seinen Stationen auf dem Weg in die Antarktis. Bereits hier werden wir mit imposanten Bildern von Flora und Fauna der Anden und Patagoniens belohnt. Luc Jacquet spricht von Patagonien als Tor zum südlichsten Kontinent, welches er ein weiteres mal passieren will.
Weiter geht es mit dem Eisbrecher über die Drakestraße, die Meeresstraße welche direkt zur Antarktis führt, bis endlich die ersten Eisberge in Sicht sind. Immer wider erinnert Jacquet an die ersten Expeditionen zum Südpol welche unter den schwierigsten Bedingungen ihr Ziel erreichten. Fast romantisierend spricht er auch von denen, die bei ihrem Abenteuer scheiterten. Auch Bedenken über seine Expedition äußert er. Das Schiff beginnt sich durch das Eis zu kämpfen, sie wissen nicht, wie weit sie kommen werden.
Aus dem Off lässt uns Jacquet an seinen Gedanken teilhaben und kommt immer wieder ins Philosophieren über Mensch, Natur und Tier. Das lang ersehnte Wiedersehen mit den Pinguinen folgt bald. Erst einzelne, dann immer mehr, bis Jacquet schließlich auf eine größere Gruppe trifft. Behutsam, fast ehrfürchtig nähert er sich ihnen und schildert aus dem Off seine Gefühle und Gedanken.
In wirklich fantastischen Aufnahmen die großteils in Schwarz-Weiß gehalten sind hält der Kameramann Christophe Graillot Natur- und Tierwelt fest. Gerade auf der Kinoleinwand staunt man über die Präzision, mit der er hier etwas so Ungeplantes wie Tiere mit seiner Kamera in Szene setzt.
Luc Jacquets VoiceOver (deutsch: Ronald Zehrfeld) gelingt es immer wieder, uns in die Traumlandschaften der Arktis hineinzuziehen, so dass wir selbst hin und wieder ins Träumen geraten. Man spürt seine Liebe und Faszination, welche er für die Landschaft und Geschöpfe der Antarktis hat. Auch kann er uns die Anziehung die ihn immer wieder an den Südpol treibt wirklich spürbar machen. Seine Reise wirkt an vielen Stellen fast märchenhaft abenteuerlich, was hauptsächlich der Kombination aus Bild und VoiceOver zu verdanken ist.
Leider lässt Jacquet uns durch sein anhaltendes Reden oft auch keinen Platz die Bilder in Gänze wahrzunehmen und zu genießen und reißt an manchen Stellen den Zuschauer regelrecht aus dem Erlebnis. Dem Film fehlt es an Ruhepausen, in denen man das Bild vollständig erfassen kann, ohne von Luc Jacquets Philosophieren unterbrochen zu werden.
Schade ist auch, dass man dem Film ansieht, dass er ursprünglich in Farbe gedreht und erst in der Postproduktion in Schwarz-weiß umgewandelt wurde. Man fragt sich immer wieder, wie fantastisch diese Naturgewalten wohl in Farbe aussehen würden. Im zweiten Drittel des Films bekommt man dann endlich die Antwort. Unterlegt mit dem philosophierenden Luc Jacquet wird das Bild endlich farbig und wir bekommen die Gänze des Bildes zu sehen. Das strahlende Blau, das durch die auf die Eisberge scheinende Sonne erzeugt wird, lässt uns fast glauben, dass uns in der ersten Hälfte des Films etwas genommen oder vorenthalten wurde. Doch schon nach wenigen Minuten ist es wieder vorbei und das Bild wird wieder schwarz-weiß. Warum dieses Stilmittel so gewählt wurde wird auch durch das währenddessen dauerhaften VoiceOver nicht ersichtlich. Als Zuschauer bekommt man leider etwas das Gefühl, dass einem wieder etwa weggenommen wird, worüber man gerade noch gestaunt hat.
„Rückkehr zum Land der Pinguine“ ist ein wirklich experimenteller Dokumentarfilm. Luc Jacquet hat sich die Freiheit genommen uns seine Gedanken- und Gefühlswelt im Bezug auf die Antarktis sichtbar zu machen. Man merkt in jeder Minute, dass es für Jacquet ein Herzensprojekt war, diesen Film zu machen.
Der Film besticht vor allem auch durch seine wirklich atemberaubenden Bilder und seine doch sehr emotionale Herangehensweise an ein Thema welches man sonst eher sehr Objektiv gezeigt bekommt. Trotz seiner Schwächen ist es erfrischend einen solchen Dokumentarfilm im Kino sehen zu können und ist für jeden zu empfehlen der sich auf Luc Jacquet’s geografische und gedankliche Reise an den Südpol einlassen kann.
Gesehen von Yannick Walter