MC18 NOV17x2

Social Media Icons Shop 55

Kinosaal Rot 4000

 

(Mein Haus / von Junji Sakamoto  / Panorama / 10.02.2003)

Die jungen Brüder Itta und Nita leben schon in einem arg skurrilen japanischen Dorf: da gibt es die alte Dame mit ihren vielen Katzen, den Ziehharmonikaspieler, der aus einem Fellini-Film sein könnte, das chinesische Restaurant mit dem lausigen Essen, aber stets vollem Haus und meckernden Gästen, den prügelnden Rabauken, seine Opfer, die drei Gelegenheitsgangster, den witzigen und weisen alten Mann und viele mehr.

Itta und Nita müssen sich in dieser Welt alleine durchschlagen, bis eines Tages ihre Mutter zurückkehrt mit ihrer älteren Schwester Kanoko, allerdings nur um das Haus zu verkaufen und die drei dann alleine zurückzulassen. Kanoko verdient sich im "Pink Salon" ihr Geld, wo sie Männern orale Freuden beschert. Sie versucht damit sich und ihre Geschwister durchzubringen. Itta will aber auf eigenen Beinen stehen und lässt sich deshalb mit dem Rabauken Koichi ein, der ihn allerdings ausnutzt und ständig verprügelt. Einzig Nita scheint niemals seinen Optimismus zu verlieren, bis er am Schluss miterleben muss, wie sein Bruder Itta aus dem Dorf abhaut und seine Schwester ihn, gegen seinen Willen, zu seinem Großvater, und damit weg aus dem Dorf, schickt.

Der japanische Regisseur versteht es auf bemerkenswerte Weise die skurrile Welt dieses Dorfes auf die Leinwand zu bringen. Die Charaktere sind sehr glaubhaft dargestellt, obwohl der Film auf einem Zeichentrick-Manga basiert und sich auch stark in diesem Genre orientiert. Man drückt dem kleinen Nita buchstäblich die Daumen, dass er zusammen mit seinem Bruder und seiner Schwester die schwierigen Situationen meistert, zum Beispiel wenn Gangster hinter ihm und dem alten Mann her sind, und die zwei sich einfach totstellen und den Fluss hinuntertreiben lassen. Hervorzuheben ist außerdem die schauspielerische Leistung der beiden kleinen Jungen Yuma Yamoto (Itta) und Yuki Tanaka (Nita), die durch ihre direkte und freche Art für einige Lacher sorgen.

Lediglich die letzten 15 Minuten erlauben den Anlass echter Kritik. Hier wurde zu sehr versucht die Atmosphäre noch durch Traumsequenzen und überladen wirkende Musik aufzublähen. Dies wurde von einigen Zuschauern dann auch mit Blicken zur Uhr quittiert (mich eingeschlossen), und der Film hatte eindeutig an Spannung und Schwung verloren. Wachgerüttelt wurde man dann aber heftigst vom Soundtrack des Abspanns: ein klasse japanischer Punkrocksong !! Dieser steht allerdings im absoluten Kontrast zur Schlussstimmung des Films und wirkte daher eher kontraproduktiv. Letztendlich kann man sagen, der Film hätte auch 15 Minuten vorher (vor der Traumsequenz) enden können, und hätte dann nichts von seiner tollen Atmosphäre eingebüßt. Trotzdem absolut sehenswert!

 

Gesehen von Jochen Miksch

Gesehen von Daniel Vogelmann

 

Banner Regie GK 4000

Banner Regie GK 4000

Weitere neue Artikel

In den USA startet ein Kinofilm, bei dem dank KI nicht nur die Sprache sondern auch die Lippenbewegungen synchronisiert wurden

Der einstige Hype um die visionären Brillen hat sich trotz teilweise genialer Inhalte etwas abgekühlt, wie wird es weitergehen?

Wie geht es zu im Writers Room und warum läuft es in den deutschsprachigen Rooms ganz anders ab als in den USA?

Wie funktioniert das hochindustrielle Schreibkonzept für Fernsehserien und was macht es besser, als das individuelle Schreiben ?

Werden Bilder oder ganze Filme mit der KI generiert, sind die Ergebnisse oft zufällig. Wie schreibt man bessere Prompts und bringt der KI Konsistenz und Verlässlichkeit bei?

Auf der Berlinale 2025 sprachen wir mit der Dänischen Regisseurin und Drehbuchautorin Jeanette Nordahl über ihren berührenden Film "Beginnings"

Das extrem beliebte Genre hat sich durch immer bessere VFX Effekte stark verändert. Kommt mit, wir tauchen da tiefer hinein...

In der Berlinale-Reihe "Panorama" erzählt die Regisseurin in "Schwesterherz" sehr beeindruckend von einem moralischen Dilemma

In der Berlinale-Reihe "Panorama" erzählt der Film "Hysteria" von Dreharbeiten zu einem politischen Thema, die immer schwieriger werden...

Wie arbeiten Grundierung und Puder zusammen und wie korrigiert man Hautunreinheiten, Rötungen und mehr?

Wie betont, wie versteckt man Gesichtspartien durch Konturieren und was ist mit Tattoos?

Zu den Aufgaben des Maskenbilds gehört die richtige Wahl der Farbtöne und die Abstimmung mit Kamera und Licht. Was bedeutet das für die Farbpaletten?

Social Media droht inzwischen dank Künstlicher Intelligenz Millionen von Menschen durch genau kalkulierte Meinungsverschiebungen zu beinflussen...

Für ruhige Filmaufnahmen aus der Hand bieten sich Objektiv,- und Sensorstabilisierung an. Welche ist besser oder braucht es die beide?

 Im richtigen Leben möchte man ihnen nicht begegnen,- im Kino sieht es ganz anders aus...

Geheimagenten sind im Kino zu schillernden Figuren geworden, was macht Agentenfilme so attraktiv?

Wie kommt das Alter auch jenseits romantisierender Almöhi- oder Harald & Maude Geschichten realistisch im Kino vor? Eine Suche...

So wie es "Slow Food" oder "Slow Sex" als Entschleunigung gibt, kann man das Wandern im Film als eine Art "Slow Roadmovie" ohne Auto bezeichnen...