Regie: Daniel Roher, USA 2022, Dauer: 98 Min
Kinostart in Deutschland: 05.05.2022
Dass Regisseur Daniel Roher diesen Film gedreht hat, war ein wenig auch dem Zufall zu verdanken, sein Kontaktmann, der ihm bei einem Film über Giftangriffe auf Exilrussen half, bot ihm einen Kontakt zu dem Oppositionellen Alexej Nawalny an.
So begleitete der Filmemacher monatelang nach dem Mordversuch mit Nowitschok, jenem Nervengift welches Russland angeblich gar nicht besitzt (der Film zeigt sogar die Produktionsstätten des Nervengifts in Russland), über die Behandlung und Rettung in Berlin, seine Genesung zusammen mit seiner Familie (seiner Frau und zwei Kindern) im Schwarzwald und seinem Entschluss trotz der akuten Bedrohung wieder zurück nach Russland zu reisen. Den Schlusspunkt bildet die Festnahme Nawalnys bereits am Flughafen.
Der Film war Eröffnungsfilm beim DOK.fest 2022 in München,- keine Weltpremiere,- schließlich hat der Film bereits den Publikumspreis in Sundance gewonnen. Er erzeugt Spannung, nicht zuletzt weil wir hautnah dabei sind, wie Jemand sein Leben als politisches Mittel einsetzt und riskiert. Dazu gehört schon jede Menge Mut, dem russischen Diktator die Stirn zu bieten. Man möchte es kaum glauben, aber der Film ist nicht nur spannend, sondern stellenweise sogar komisch,- Navalny verfügt über jede Menge Ironie.
Der Film zeigt collagehaft vor allem Aufnahmen, von denen Nawalny möchte, dass sie gesehen werden, der Protagonist bestimmt maßgeblich, welche Tiefe der Film bekommen kann. Navalny ist Medienprofi durch und durch,- selbst die dunkelsten Momente, die Rettung von dem beinahe tödlichen Anschlag, zeigen einen Menschen, der mit seiner Botschaft eins geworden ist. Allzu viele kritische Fragen von Seiten des Regisseurs oder gar einen relativierenden Kommentar gibt es nicht.
Das mit Nawalny von Roher gedrehte Material wird unterschnitten mit Archivfotos, und Nachrichten, älteren Interviews mit Nawalny, seiner Frau Julia sowie mit Christo Grosew vom investigativen Recherchenetzwerk Bellingcat.
Jenes Recherchenetzwerk machte durch seine Recherchen denn auch eine Schlüsselszene des Films möglich, in welcher Nawalny mit anderem Namen einen der Anschlagstäter anruft und mit ihm über den missglückten Mordversuch redet. Nawalny macht seinem Beinahe-Mörder darin groteskerweise Vorwürfe, ob denn die Dosis falsch bemessen gewesen sei oder weshalb das schief gegangen sei.
Abstrus auch Montagen von Originalmaterial von Putin, in dem er krampfhaft versucht, zwar über Nawalny zu sprechen, seinen Namen aber bewusst zu vermeiden. So ist der Film vor allem ein Zeitdokument, welches das von Navalny selbst gewünschte Bild von ihm, aber auch von Putins Russland zeigt. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine verleiht dem Film natürlich zusätzlich eine unfassbare Aktualität. Das erzeugt mehr als nur Gänsehaut, wie das System Putins mit Regimekritikern umgeht.
Ein spannender, sehenswerter Film. Dem mutigen, schillernden, durchaus auch umstrittenen Oppositionellen Navalny setzt der Film ein Denkmal, dem Privatmenschen Alexej kommt man kaum nahe.
Gesehen von Mathias Allary
Bilder: DOK.fest München