Nobody is perfect,- das gilt auch und insbesondere für Drehbücher und Dreharbeiten. Manchmal sind Stimmen als Erzählmittel schon im Drehbuch angelegt, manchmal verbessern Sie auch Erzählschwächen, die beim Schnitt auffallen- Stimmen im Film sind echte Alleskönner...
Eigentlich spricht kaum Jemand darüber, aber die Bedeutung von Stimmen aus dem Off, als Nachsprecher oder als Voice-Over ist gewaltig. Es kommt häufiger vor, als man denkt, dass auf der Drehbuchebene erzählerische Schwächen nicht entdeckt werden. Die DrehbuchautorInnen stecken entweder zu tief im Thema drin, dass sie nicht mehr erkennen können, welche Informationen den Zuschauern fehlen könnten oder sie sind vielleicht nicht so erfahren oder begabt in dem was sie tun.
Und auch beim Drehen fallen bestimmte Unstimmigkeiten, Logikfehler oder nicht erzählte Zusammenhänge nicht auf. Denn auch das Team ist immer nur in Teilbereichen damit befasst. Und selbst die SchauspielerInnen, die zusammen mit Regie am dichtesten an den Filmfiguren dran sind, entdecken oft genug nicht alle inhaltlichen Schwächen. Das Buch wird gedreht, vielleicht hat man sich auch beim Dreh hin und wieder gefragt, ob das so optimal erzählt ist, wie es im Drehbuch steht. Doch der Drehalltag, der Zeitdruck und vieles mehr verhindern, dass man sich noch kritisch mit Inhalt und Dramaturgie auseinandersetzen kann.
Manchmal fallen solche Schwächen auch im Dreh auf und die RegisseurInnen denken sich Veränderungen oder ergänzende Szenen für die noch verbleibende Drehzeit aus. Doch nicht selten lassen die sich im engen Drehplan schlicht nicht unterbringen.
Wenn dann aber im Schnitt Fragen auftauchen, ob die Zuschauer die erzählten Zusammenhänge auch wirklich alle verstehen, ist Guter Rat oft teuer. Schließlich würde ein Nachdreh mit Schauspielern, Drehorten, Köstümen, Ausstattung und Team immense Summen verschlingen.
Hier können Lösungen auf der Tonebene häufig helfen, die Probleme mit geringem Aufwand zu lösen.
Nachsprecher
Die preiswerte Variante sind Stimmen, welche auf unterschiedlichste Weise die fehlenden Informationen mitliefern können. Da kann man etwa den Hauptfiguren wenn sie im Off sind, also wenn man ihren Mund, ihr Gesicht nicht sieht und stattdessen ihr Gegenüber zuhören sieht, oder wenn man sie von Hinten sieht, Dialogsätze nachträglich geben, die sie beim Dreh gar nicht gesagt haben.
Oder man verlegt Informationen in Telefonate. Die kann man auch unter neutrale Bilder, etwa ein Haus, ein Straßenzug oder gar eine Stadttotale legen und eine Stimme oder ein Dialog wird mit Telefonverzerrung/Filterung darunter gelegt um zusätzliche Informationen zu geben, die man so gar nicht gedreht hatte.
Oft genug sind das reine "Info"-Texte, also Dialoge, die wirklich nur den Sinn haben, einen Zusammenhang zu erklären, den die Zuschauer sonst nicht verstehen würden. Besonders häufig treten solche Informationslücken bei Krimis auf, in denen praktisch permanent Fakten, Beweise, Uhrzeiten, Namen und mehr ein halbwegs stimmiges Gerüst eines Tathergangs bilden müssen. Da kommt es immer wieder vor, dass man sich im Schnitt fragt,- woher wusste X eigentlich, wann Y am Ort Z auftauchen würde?
Es ist daher absolut üblich, dass SchauspielerInnen auch nach Ende der Dreharbeiten noch einmal einige Nachsprecher aufnehmen müssen. Normalerweise ist das auch vertraglich abgedeckt, dass sie auch für "Nachaufnahmen", sei es Bild oder Ton, noch zur Verfügung stehen.
Nachsynchronisation
Von Federico Fellini ist bekannt, dass er manche seiner Laienschauspieler beim Drehen in Ermangelung geschriebener Dialoge oder weil diese keine ausgebildeten Schauspieler waren, einfach zählen ließ und dann erst später in der Postproduktion Dialoge nachsprechen ließ.
Manchmal kann man auch gesprochene Dialoge leicht verändern, um Informationen zu geben, die so nicht gedreht wurden. Wenn die Vokale und Konsonanten einigermaßen passen kann man heute dank ADR Software viele Texte sogar auf vorhandene Mundbewegungen legen.
Auf diese Weise kann man, in gewissen Grenzen, nachträglich noch die ursprünglichen Dialoge verändern. Das kommt durchaus häufiger vor, schließlich ist der Filmschnitt ein wichtiger gestalterischer Prozess, in dem sich an der Auslegung der Figuren und sogar an der Story noch manches ändern kann. Manchmal werden ganze Szenen herausgekürzt und dann muss man die damit verlorenen Informationen auf andere Weise unterbringen,- beispielsweise indem man sie den Filmfiguren in anderen Szenen in den Mund legt.
Innere Stimme
In der hohen Schule des Filmerzählens wird die innere Stimme (Inner Voice) nicht allzu hoch geschätzt. Wann immer möglich, sollte man versuchen, ohne diese Ebene auszukommen. Es sei denn, sie ist integraler Bestandteil der Filmdramaturgie, beispielsweise bei einer Autobiographie.
Wenn es um komplexere Veränderungen geht, so kann auch eine zusätzlich eingeführte Erzählstimme etwa einer Hauptfigur oder auch einer neutralen Erzählfigur helfen, fehlende Inhalte, Informationen oder auch Emotionen, den gedrehten Filmaufnahmen hinzuzufügen. Gar nicht selten haben sich die Filmemacher schon vor den Dreharbeiten, oft schon in der Drehbuchphase überlegt, mit diesem Stilmittel zu arbeiten und es aber aus irgendwelchen Gründen wieder verworfen. Am Schnittplatz zeigt sich dann aber anhand des Filmes, dass diese Ebene eben doch wichtig ist, um seine Geschichte optimal zu erzählen.
Entscheidend ist natürlich, dass man die Erzählstimme dann, wie die meisten anderen gestalterischen Elemente in einem Film, auch durchgehend verwendet.
Stimmen können so auf vielfältige Weise ohne dass man noch einmal ganze Drehtage nachträglich organisieren und finanzieren muss helfen, selbst gravierende Versäumnisse in Drehbuch oder gedrehtem Material auszubessern.