PALOMA
von Marcelo Gomes, Brasilien, Portugal 2022 mit Kika Sena, Ridson Reis, Anita de Souza Macedo
Auf dem Münchner Filmfest hat der neue Film von Marcelo Gomes, "Paloma" in der Reihe "Spotlight" Weltpremiere. Die brasilianische Schauspielerin, Aktivistin und Poetin, Kika Sena, ist als Paloma in der Titelrolle mit ihrem Filmdebüt zu sehen.
Paloma erzählt in einer romantisch tragischen Geschichte über "Jemanden auf der Suche nach Selbstbestimmung". Paloma führt als Transfrau ein einfaches und glückliches Leben. Sie hat eine Tochter und einen Partner und arbeitet auf einer Plantage, auf der Papayas angebaut werden.
Sie hat einen Freundeskreis, darunter auch einige Prostituierte, die sie aus ihrem früheren Leben kennt. Ihr Leben ist stabil und geordnet, wäre da nicht ihr sehnlichster Wunsch, kirchlich getraut zu werden. Der Priester, den sie um die Trauung bittet, lehnt ihr Ansinnen ab, mit der Begründung, die Kirche würde derartige Trauungen nicht erlauben. So beschließt Paloma, selbst Analphabetin, eine ihrer Freundinnen aus einer Bar zu bitten, einen Brief an den Papst zu schreiben um eine Ehe-Erlaubnis zu erwirken.
Der Film erzählt in sensiblen, stimmigen Bildern und mit hervorragenden Darsteller*Innen von Palomas Ringen um diesen Wunsch einer öffentlichen Eheschließung mit all ihren Freund*Innen als Gäste. Zugleich ist es natürlich ein Ringen um gesellschaftliche Anerkennung. Marcelo Gomes und seiner Hauptdarstellerin Kika Sena gelingt es, diesen Weg auf sehr authentische, zugleich poetische Weise zu erzählen. Paloma wird Opfer von Gewalt, Verrat, Vorurteilen und Ungerechtigkeit, aber nichts kann den Glauben und die Entschlossenheit dieser Trans-Frau erschüttern. Für den Zuschauer ist das Transgender-Thema nachrangig, im Mittelpunkt steht ein liebender Mensch mit einem traditionellen Wunsch und eine Gesellschaft die dem entgegensteht.
"Paloma" umschifft auf kluge Weise Klischees, die Hauptdarstellerin macht nie zuviel, stets ist die Tonalität des Filmes stimmig, sind auch die Nebenfiguren hervorragend besetzt. Gomes setzt sehr auf die Kraft der Bildsprache, zeigt häufig in Aufnahmen von geringer Schärfentiefe einfach nur Pamolas Gesicht, geht sparsam mit Dialogen um. Auf der Tonebene gibt es feinsinnig gearbeitetes Sounddesign, um Palomas Innenwelt auch auf der Tonebene zu repräsentieren. Ab und zu zieht sich die akustische Wirklichkeit auch zurück und isoliert Paloma in ihrer eigenen Gefühlswelt, das sind intensive Momente. Hier und da gibt die spärlich eingesetzte Filmmusik etwa durch das Umkippen in Dissonanz eine Vorausahnung auf Geschehnisse, welche die Filmfiguren noch gar nicht ahnen.
Die Sexszenen des Films sind ohne jeden Voyerismus und mit großer Selbstverständlichkeit erzählt. Paloma postuliert das Recht für Jeden, zu träumen. Der Film erzählt zugleich auch von der brasilianischen Gesellschaft, erzählt von den Schwierigkeiten, Bedrohungen und Gefahren, denen Transfrauen nicht nur in Brasilien ausgesetzt sind. Ein starker, sehr überzeugend gemachter Film.
(Fotos: Pressefotos Memento International)
Gesehen von Prof. Mathias Allary
Wir haben mit dem Regisseur Marcelo Gomes und Kika Sena gesprochen, die Interviews findet Ihr demnächst in unserem YouTube Channel.