Regie: Christian Petzold
Eine SCHRAMM FILM Koerner Weber Kaiser Produktion
Verleih: Piffl-Medien, Kinostart 1. Juni 2023
D 2023, 103 Minuten
Christian Petzold hat sich an einem Sommerdrama an der Ostseeküste versucht. Der Film wird als Beziehungsdrama von vier jungen Menschen in einem Ferienhaus an der Ostseeküste während eines heißen Sommers angeteased. Das Haus wird durch Waldbrände, die in der Nähe wüten, bedroht.
Nach Undine (2020) ist "Roter Himmel" (2023) der zweite Film einer geplanten Filmtrilogie mit Petzolds neuer Lieblingsschauspielerin oder Muse, Paula Beer. Die Geschichte spielt in der Nähe vom Ostseebad Ahrenshoop und beginnt damit, dass zwei Freunde, Leon und Felix kurz vor dem Erreichen des Ferienhauses mit dem Auto liegen bleiben und den restlichen Weg zu Fuß bewälitigen müssen. Zu ihrer Überraschung ist in dem Ferienhaus von Felix‘ Familie noch jemand einquartiert, Nadja, eine junge Frau mit offenbar recht aktivem Sexleben.
Eigentlich möchte Leon seinen zweiten Roman beenden, während Felix Fotos für seine Bewerbung an einer Kunsthochschule schießen will. Im Verlauf der Handlung tänzeln Nadja und Leon, sich immer wieder ein wenig missverstehend umeinander herum, während Felix und Nadjas bisheriger Lover, der Rettungsschwimmer Devid eine Beziehung beginnen. Leon erwartet den Besuch seines Verlegers Helmut, gespielt von Matthias Brandt, mit dem Petzold schon bei seinen Polizeirufen für den Bayerischen Rundfunk zusammenarbeitete.
Und wie sollte es auch anders sein, irgendwie wollen, bis auf Felix, alle irgendwie etwas von Nadja. Das klingt jetzt schwer nach Leidenschaft, doch in dem Film wird Leidenschaft zumeist nicht emotional sondern nur intellektuell verhandelt, ein Missverständnis, was Kino angeht. Menschen wollen im Kino etwas fühlen, statt Vorträge über Gefühle zu hören.
Sommerfilme
Es ist nicht der erste Film über junge gefühlsverwirrte Menschen, denen man einen Sommer lang beim Müßiggang am Meer und anderswo zuschaut. Eric Rohmer oder auch Rudolf Thome haben das vor Jahrzehnten, genauer gesagt im vergangenen Jahrhundert, zum Stil erhoben. Damals ging das noch. Dass man auch heute noch solch selbstverliebte "Kluge Männer,- und begehrenswerte Mädchen Unverbindlichkeitsgeschichten" erzählen kann, überrascht. Klar bringen die brennenden Wälder etwas Klimawandel-Problematik mit ins Spiel, doch irgendwie könnten die Filmfiguren nach Ablegen ihrer Smartphones auch durch Rohmers Filme wandeln. Die weitgehend von Urlaubern freie Ostseeküste ist in "Roter Himmel" sehr schön eingefangen.
Ab und zu darf, streng diegetisch, die Musik „In My Mind“ von der analogen Schallplatte spielen, die dann aber seltsamerweise nicht akustisch in den Raum gelegt wurde, sondern ganz vorne liegt,- so realistisch ist man dann doch nicht bei der Filmmischung. Ab und an sehen die Protagonisten am Horizont den brennenden Wald, wenig beeindruckt von der Gefahr, weil der Wind vom Meer dafür sorge, dass das Feuer fern bliebe. Das Beobachten des Feuers ist stets nur über Subjektive als Gegenschuss gelöst, so etwas wie eine Over-Shoulder oder Rückansicht der Filmfiguren, dass sie tatsächlich in der Nähe eines brennenden Waldes stehen, gibt es nicht, das schwächt auch im Zuschauer den Eindruck echter Bedrohung. So wie die Protagonisten, obwohl es brennt, sich davon völlig unbeeindruckt um sich selbst drehen, Gedichte vortragen und die junge Frau umschwärmen, tut es auch der Film selbst.
Manches im "Roten Himmel" ist ganz gut gelungen, so etwa die Belanglosigkeit eines heißen Sommers in einem Ferienhaus, die stillen Blicke zwischen Leon und Nadja, Leons permanente Zentrierung auf seine eigenen Befindlichkeiten. Thomas Schubert als Leon und Paula Beer als Nadja haben diese dankbare Figurenkostellation sehr gut ausgefüllt. Auch die weiteren Besetzungen sind sehr gut gewählt und versuchen sich aus den nicht immer ganz gelungenen Dialogen freizuspielen. Manchmal macht das Bemühen des Drehbuchs um kluge, intellektuelle Dialogteile, Szenen unrealistisch, das ist schade, wer muss da wem etwas beweisen?
Intellektuelle Gefühle
Überhaupt fragt man sich, warum eine solche Geschichte erzählt werden muss, wenn man nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Emotionen zu erzählen. Ähnlich lauwarm und träge wie Leon, der Autor, an seinem Roman arbeitet, wirkt auch der Film, in dem Leon eine der Hauptfiguren ist. Das wird durch allerlei intellektuelle Anspielungen, Zitate und ein Heine Gedicht nicht empathischer. Es ist erstaunlich, wie Petzold es schafft, dass am Ende selbst gravierend tragische Dinge so emotionsfrei an den Zuschauern vorbei gehen. Was die Filmfiguren in der Geschichte empfinden oder nicht empfinden ist eine Sache, doch die Zuschauer ohne Emotionen aus dem Film zu entlassen, eine andere.
So wie seine Hauptfigur Leon als größte Plattitüde in dem Film, erst durch ein tragisches Ereignis am Ende des Films zu einem guten Roman und einer größeren Nähe zu seinem Love Interest Nadja zu gelangen scheint, so erreichte der Regisseur durch das wenig nachfühlbare Geschehen einen weiteren durchfinanzierten Kinofilm.
Das ist etwas bedauerlich, Kino kann so viel mehr, verlangt nach Gefühl und auch die Bildsprache und das Rollenverständnis haben sich eigentlich kontinuierlich weiterentwickelt, in diesem Film ist davon wenig zu merken. Petzold hat sich mit Filmen wie „Gespenster“, „Yella“ oder „Jerichow“ einen Namen gemacht, ohne seinen Autor Harun Farocki, der 2014 starb, haben seine Filme sich spürbar verändert. Emotionsarm waren sie schon immer, doch früher passten die Figuren, allen voran eine ätherische Nina Hoss, die stilisierten Geschichten und das Sublimieren der Gefühle, zumindest noch zusammen. Das erste Drittel von "Roter Himmel" erweckt erzählerische Erwartungen, die sich nicht erfüllen, man kann das zur Erzählabsicht erklären, muss man aber nicht.
Gesehen von Mathias Allary
Pressefotos: Pfiffl-Medien