Regie: Alexander Payne
Dauer: 133 Minuten
Kinostart: 25. Januar 2024
Weihnachten – für viele Menschen eins der schönsten Zeiten im Jahr. Für viele sieht das perfekte Weihnachten folgendermaßen aus: Man ist mit der ganzen Familie an Heiligabend an einem Ort versammelt, das warme Abendessen steht auf dem Festtisch, man redet, lacht, spielt Spiele mit der Familie und am Ende kommt die Bescherung. Zusätzlich hat man noch ein paar Feiertage, um sich auszuruhen und noch mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. Leider sind nicht jedem diese Bedingungen gegeben: Manche Menschen müssen arbeiten oder möchten die Zeit alleine verbringen. Aber leider gibt es auch Menschen, die die Weihnachtszeit alleine verbringen müssen, beispielweise Schüler, die ein Internat besuchen und entweder keine Familie haben oder wenn die Eltern keine Zeit haben. Normalerweise bleibt dann ein Lehrer, der auf die Schüler während den Feiertagen aufpasst. Je nach dem welcher Lehrer bleibt, kann das für den ein oder anderen Schüler keine angenehme Zeit werden. Es gibt eindeutig Schöneres als Weihnachtstage mit einem Horrorlehrer zu verbringen.
Von dieser Geschichte erzählt der Film THE HOLDOVERS von Alexander Payne. In dem berührenden und humorvollen Drama geht es um amerikanische Schüler von einem Elite Internat, die über die Weihnachtszeit nicht nach Hause fahren können und von dem Horrorlehrer Mr. Paul Hunham (Paul Giamatti) beaufsichtigt werden.
Es ist Dezember 1970, kurz vor den Feiertagen, und das Elite Internat Barton Academy ist bereits mit Schnee bedeckt. Jedoch herrscht in dem Internat nur zum Teil die Weihnachtsstimmung. Jedes Jahr sind manche Schüler gezwungen die Feiertage unter Beaufsichtigung eines Lehrers im Internat zu verbringen. Diesmal sollen 5 Schüler mit dem unbeliebtesten und unsympathischsten Lehrer Mr. Hunham und der Köchin Mary Lamb (Da’Vine Joy Randolph) in der Schule bleiben. Im Laufe des Aufenthalts werden alle Schüler zu ihren Eltern gebracht außer dem klugen und rebellischen Angus Tully (Dominic Sessa). Ihm wurde spontan der Strandurlaub von seiner Mutter abgesagt und er hat keine Möglichkeit sich seiner Familie anzuschließen. Seine Wut und Enttäuschung wurden noch größer als ihm klar wurde, dass er als einziger Schüler dableiben muss. Durch komische Zwischenfälle und warme Momente ist das Trio doch zu einer kleinen Familie zusammengeschweißt und es kommt doch noch eine weihnachtliche Stimmung auf - pünktlich zum Fest der Liebe!
Schon in den ersten Minuten des Films wird dem Zuschauer klar, dass der Film nicht in der heutigen Zeit spielt und sogar womöglich nicht vor Kurzem entstanden ist. Dabei ist Payne absichtlich in dieses Zeitalter zurückgegangen und hat es so gestaltet, als wäre der Film auch nicht in der heutigen Zeit gedreht worden. Durch die ausgeblichenen Farben und den Knack- und Pfeiftönen in der Tonspur wird der Zuschauer direkt in das Jahr 1970 zurückversetzt. „Ich habe, so gut es geht, versucht, mir selbst vorzumachen, dass ich ein Regisseur zur damaligen Zeit bin. Trotz der ganzen Maschinerie hinter mir, mit der wir heute Filme machen.“, so Payne.
Nicht nur das Bild und der Ton lässt den Zuschauer in die 70-er Jahre zurückversetzen, sondern auch die Kostüme der Schauspieler. Der Film spielt noch in der Übergangszeit, was sich auf den Kleidungsstil der Menschen damals bemerkbar machen ließ. Als Payne und Wendy Chuck (Kostümdesign), die alten Jahresbücher durchgeblättert haben, sahen sie noch den Hippie-Einfluss aus den 60-ern. Außerdem haben sie festgestellt, dass 1970 bereits die Schuluniform abgeschafft worden war. Dies war aber von Anfang an die Idee, dass die Schüler an der Barton Academy keine Unformen tragen werden, sondern jeder seinen eigenen Stil hat. Auf die bunte und gemusterte Kleidung wollte man bereits verzichten und den Kleidungsstil der Schüler eher „klassisch und zeitlos“ gestalten. Damit passte die Kleidung zur damaligen Zeit, zur schulischen und der nur zum Teil weihnachtlichen Atmosphäre. Durch diese Mühe und Motivation des Regisseurs ist es ihm auf jeden Fall gelungen uns als Zuschauer eine kleine Zeitreise zu machen.
Über die Wahl der Schauspieler musste Payne meist gar nicht viel überlegen. Nach dem gemeinsamen Projekt von Payne und Paul Giamatti haben sie gehofft, demnächst wieder zusammenzuarbeiten. Payne meinte, dass Giamatti perfekt auf die Rolle von Mr. Paul Hunham passen würde. Das war ihm bereits beim Verfassen des Drehbuches klar. Genauso wie bei Da’Vine Joy Randolph, als die Oberköchin des Internats, Mary Lamb. Da’Vine Joy Randolph verkörpert ihre Figur genau so, wie man sich das vorgestellt hat: Eine Frau mit viel Schmerz und Schönheit, die immer tiefgründiger wird, je tiefer man gräbt.
Die einzige Schwierigkeit bestand darin, den perfekten Angus Tully finden. Zurückblickend auf den Casting-Prozess, wurden um die 800 Bewerbungen für diese Hauptrolle eingereicht. Schließlich hat sich die Regie und Casting-Direktorin dafür entschieden Schauspielabteilungen in den Schulen anzuschauen, wo auch die Dreharbeiten stattfanden. Damit kamen sie auf Dominic Sessa, der an der Deerfield Academy eingeschrieben ist. Dafür, dass Sessa nur im Schultheater mitgespielt hat und noch nie vor der Kamera gestanden ist, hat er Angus sehr gut verkörpert. Sessa hat Angus zu einer sehr tiefgründigen Figur gestaltet, die einerseits sehr impulsiv und ungeduldig aber auch sehr charmant und empathisch sein kann und eine traurige Vergangenheit mit sich bringt. Eine Leistung, die sehr lobenswert ist, vor allem für einen Schauspieler, der nicht nur das erste Mal vor der Kamera steht, sondern auch seine erste Hauptrolle spielt.
Payne konzentriert sich in seinen Geschichten immer auf die Figuren und ihre Menschlichkeit. Die Protagonisten sollen eine eigene Geschichte haben, die viel mit dem wahren Leben zu tun haben. Dabei ist THE HOLDOVERS keine Ausnahme. Es ist mittlerweile eine Seltenheit, dass Figuren im Film so eine emotionale Tiefe erreichen, wie in diesem Film. Immer weniger Drehbücher sind Character-Driven, in denen das Geschehen aus den Figuren heraus entsteht und die inneren Befindlichkeiten der Figuren ihren Platz bekommen. Aus dieser Sicht ist es also nette Entscheidung den Film so zu gestalten.
Andererseits sind 133 Minuten zu lang, um über das Innenleben und das Zusammenschweißen der Figuren zu erzählen. Da das ein charakterorientierter Film ist, passieren wenige Handlungen, die aufeinanderfolgen. Dabei besteht die Gefahr, dass der Zuschauer nicht mehr aufmerksam und interessiert ist, den Film zu Ende zu schauen. Das liegt daran, dass wir uns mittlerweile an Filme gewöhnt haben, in denen ständig Geschehnisse abgearbeitet werden und die Figuren relativ oberflächlich sind. Dadurch kann es dem Zuschauer schwerer fallen, die Aufmerksamkeit beizubehalten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass THE HOLDOVERS eine liebevolle Nachricht mit sich bringt: Wenn man zusammen mit Menschen ist, selbst mit denen, die man nicht mag, ist man nicht alleine, kann von ihnen viel lernen und kann zu einer Familie zusammenschweißen. Jeder Mensch hat tief in sich drin ein warmes Herz und kann anderen Menschen helfen. Ein herzenswarmes und lustiges Drama, mit viel auf und ab, das für alle Zuschauer, die sich für das Leben und zwischenmenschliche Beziehungen interessieren, zu empfehlen ist.
Gesehen von Kristina Trinz