Schön. Wirklich?
Es ist schon unglaublich, wie gut es bei den meisten von uns funktioniert,- Schönheitsideale zu bewundern, die so weit von der Wirklichkeit entfernt sind wie Raumstationen von der Erdoberfläche.
Ganz gleich ob es sich um Filme und Clips im Kino, Streaming, Fernsehen, auf Facebook, TikTok, Instagram, YouTube & Co. handelt, überall wird der Eindruck erweckt, dass weibliche Schönheit grundsätzlich auf porenloser (weil überschminkter) Haut, (aufgespritzten) Schlauchbootlippen, exakt umrissenen (weil pigmentierten) Augenbrauenbalken, aus kugelrund (operiertem) Po und Barbie-Taille basiert. In den letzten Jahrzehnten ist mehr und mehr auch die Bildbearbeitung dazu gekommen, digitales Make-Up und künstliche Intelligenz tragen ihr übriges dazu bei, dass unwirkliche Abbilder zu Idealvorstellungen werden. So möchten die meisten Frauen aussehen,- Makellose Gesichter, porenfreie Haut leuchtende Augen und hohe Wangenknochen.
Männliche Schönheitsideale sind durch den durchtrainierten muskulösen Oberkörper, die Sixpack-Bauchmuskeln, breite Schultern und gebräunte Haut definiert. Ein frischer, klarer Teint und ein ein gepflegter Bart, gerne auch Drei-Tage-Bart sind gefragt– der Fokus liegt auf einem gepflegten Look. Bei Jungs und Männern ist es dann die mit Steroiden und Proteinen aufgepumpte Muskelmasse, sind es längst auch Kosmetika, und auch die Haartransplantationen ist ein Thema. Gleichmäßige helle Zähne lassen sich per Software oder auch real mit Veneers generieren. Ob Tattoos in diesem Zusammenhang Schönheit signalisieren, ist diskussionswürdig.
Kein Wunder also, dass 85% aller Menschen in Industrienationen mit ihrem Äußeren unzufrieden sind. Dass Schönheitsoperationen schon bei Kindern dramatisch zunehmen, ist eines der Ergebnisse dieser ästhetischen Lügengebäude.
Das was den Usern heute in sozialen Medien als "schön" vorgestellt wird, ist so verlogen, dass es gesellschaftliche Folgen hat. Influencer beeinflussen, wie der Name so schön sagt, nicht nur unser Kaufverhalten sondern auch unsere Selbstwahrnehmung. Magazine, Werbeclips und Influencervideos geben den Menschen das Gefühl, nicht zu genügen, nicht schön genug zu sein. Es macht etwas mit den Menschen, wenn sie sich mit manipulierten Idealbildern vergleichen. Ein normaler menschlicher Körper wird da folgerichtig bereits als problematisch empfunden. Das verletzt das Selbstbild und Körpergefühl vor allem junger Menschen, sie schaffen es nicht zwischen ihrer Lebensrealität und den manipulierten Pseudoschönheiten zu trennen. Die Folge ist ein ungeheurer Druck, der sich nicht selten in Essstörungen manifestiert.
Wa(h)re Schönheit
Dahinter stecken natürlich klare Marketingabsichten. Sei es um die Aufmerksamkeit auf einen neuen Film zu lenken, sei es um Influencern noch mehr Abonnenten zu bescheren oder Produkte besser zu verkaufen. Denn schon längst geht es bei all dem ja nicht um konkrete echte Menschen, sondern es geht um Illusionen, um Träume, um Sehnsüchte. Genau so möchte man selbst sein oder man möchte mit Jemand zusammen sein, der genauso aussieht. Dass beides gar nicht möglich ist, weil diese Aufnahmen alle etwas zeigen, was ohne Beauty-Filter gar nicht existiert. Mal abgesehen davon, dass Schönheit stehts aus der Seele kommt und viele Schauspieler*Innen, die man als schön auf der Kinoleinwand angehimmelt hat, gar nicht irgendwelchen Schönheitsidealen entsprachen, dafür aber ihre innere Schönheit, ihre Seele in den Filmen sichtbar machen konnten. Das Kino, wie das echte Leben, braucht Charaktere, braucht berührbare authentische Menschen, mit denen wir uns identifizieren können, keine Übermenschen.
Dabei wäre es eigentlich nur fair, wenn man all die Manipulationen wenigstens kennzeichnen würde, dann wären sich die User wenigstens dessen bewusst, dass sie einem so gar nicht real existierenden Ideal hinterfiebern. Beim Kino ist einem das einigermaßen klar, weil man weiß, was Starkult, Maskenbildner, Beauty-Light etc. so alles mit einem Menschen machen. Schauspieler verbringen oft eine ganze Stunde und mehr Zeit in der Maske, bevor gedreht werden kann. Viele Stars können sich trotz ihrer Prominenz recht problemlos in der Öffentlichkeit bewegen, weil man sie ohne Haarstyling und Makeup gar nicht wiedererkennen kann. Weniger bewusst ist einem das aber bei Influencer*Innen, die ja meist so tun, als wenn sie nichts an sich gemacht hätten und einfach so wie Du und Ich in ihrem Zuhause vor ein simples Handy treten und ein wenig plaudern. Dabei sind über die Aufnahmen diverse Beautyfilter gelegt um Gesichter und Körper irgendwelchen seltsamen Normen anzugleichen. Perfektes Beauty-Light ist gesetzt und ein Augenlicht unterstreicht die Präsenz. Hautunreinheiten und Pickel werden unsichtbar, Hüften werden schlanker und die Beine länger.
Kennzeichnungspflicht
In Frankreich ist es schon seit 2017 durch das „Décret Photoshop“ Pflicht, Fotos, die retuschiert oder manipuliert wurden, als solche zu kennzeichnen. Auch in Norwegen existiert ein Gesetz welches deutliche Hinweise auf Bildbearbeitungen einfordert. Hier sind nur noch Bildbearbeitungen ohne Kennzeichnung erlaubt, die sich auf die gesamte Bildfläche erstrecken, also Kontrast, Helligkeit und Schärfe des ganzen Bildes zu verändern. Sobald einzelne Körperpartien, Teile des Gesichts etc. bearbeitet werden, muss das deutlich sichtbar angezeigt werden. Und in England hatte 2011 die britische Werbeaufsicht "ASA" eine Werbekampagne von L'Oréal gestoppt, bei der ein massiv retuschiertes Foto von Julia Roberts als "irreführende Werbung" beanstandet wurde.
Inzwischen gibt es auch in den sozialen Medien vereinzelt Seiten, die das Phänomen kritisch betrachten und für mehr Wahrhaftigkeit sorgen. #filterdrop oder #instagramversusreality sind ein paar Beispiele. Normale Körper haben Sommersprossen, Leberflecken, Cellulite, Pickel, Dehnungsstreifen, manchmal Narben, haben Rundungen, Pigmentierungen und mehr,- all das, was einen Menschen nun mal ausmacht. Und das sind eben keine Mängel, sondern das sind wir. Wir sollten nie vergessen, dass bei all den glamourösen Bildern und Filmen, genau das ebenfalls mehr oder weniger vorhanden war, aber weggefiltert wurde.
All die Manipulationstechniken stehen dank KI nicht nur für Fotos, sondern auch für Videos zur Verfügung. Die neuen Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz sollten die Politik in weiteren Ländern wachrütteln und einheitliche, gut erkennbare Label einführen, die das Bewusstsein schärfen, dass man massiv manipulierte Aufnahmen präsentiert bekommt. Sicherlich wäre es blanker Unsinn, bei szenischen Filmen in jedem bearbeiteten Take einzublenden, dass hier Beauty Filter am Werk waren. Vielleicht könnte man ja im Abspann erwähnen, dass derartige Filter zum Einsatz kamen. Aber wenn es um Social Media geht, wäre es an der Zeit, wahrhaftiger und ehrlicher mit den Abbildern von Menschen umzugehen. Das schafft ein Stück weit mehr Realität im Worldwide Web. Und vor allem sollte man früh genug, schon in der Schule über all die Techniken der Manipulation informiert werden.