Journalismus ist schon eine merkwürdige Angelegenheit. Man wundert sich stets, wie schnell wenn bedeutende Persönlichkeiten versterben, die Fernsehprogramme und Titelseiten der Tageszeitungen und ihrer Online-Auftritte geändert werden. Da werden bis zu mehrstündige Filmbiographien und seitenlange Rückblicke auf die erfüllten Leben der von uns Gegangenen präsentiert, bei denen man sich einfach fragt, wie konnten die das nur so schnell produzieren.
Auch wenn man ungern darüber spricht, erfahrene Journalisten wissen das,- praktisch jede tagesaktuelle Publikation produziert Nachrufe auf Vorrat. Breitgefächert, in allen Sparten der öffentlichen Wahrnehmung, Personen aus Kultur, Politik, Wirtschaft und Sport, betrauert auf Verdacht. Eine Art Vorratsdatenspeicherung im anderen Wortsinn.
So wie beispielsweise beim Tode von Altkanzler Helmut Schmidt, wo die SZ beim Online stellen am 10. November 2015 vergaß, das ursprüngliche Datum der Artikelerstellung zu ändern. Ganze drei Minuten lang war der Nachruf auf Juni 2012 datiert, dann wechselte das Datum. Vielleicht hatte man sich seinerzeit schon einmal Sorgen um seine Gesundheit gemacht.
Drei Minuten genügen, um die pragmatische Mechanik hinter den Nachrufen mit eindringlicher Klarheit zu verdeutlichen. Ein seltsamer Gedanke, wer von uns virtuell zumindest, gar nicht mehr lebt und auf Vorrat sozusagen, längst in schwermütigen Trauergedanken und Filmausschnitten verabschiedet ist. Wenn man es wüsste, könnte man möglicherweise per einstweiliger Verfügung derartige vorauseilende Trauer untersagen. Doch man weiß es ja nicht, aber vielleicht ist das ja auch ganz gut so.
Das Einzige, womit man all dem vielleicht entgegenwirken könnte, wäre schnell noch intensiver zu leben. Und wenn intensiver leben mit viel Bewegung verbunden ist, dann lebt man ohnehin viel länger als die alle denken und dann sind die vorbereiteten schriftlichen und filmischen Nachrufe irgendwann völlig veraltet, wenn es einen vielleicht doch irgendwann erwischt.
Schade, dass der Altkanzler nicht noch weitergelebt, Nobel,- und andere Preise geholt und jede Menge Talkshows aufgemischt hat. Dass er nicht weiter jene wichtige moralische Instanz mit Weitblick geblieben ist. Die hätten sich ganz schön geärgert, die ganzen Voraustrauerer, mit all ihren veralteten Sendungen und Rückblicken...
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